Freitag, 31. Oktober 2008

Schiefe Ebenen

Der Sohn meines Mandanten soll ein Mofa besessen haben, das schneller als 25 km/h gewesen sein soll. Nach der falschen Belehrung durch den Polizeibeamten (siehe unten) nahm man sich des Mofas an, baute eine Geschwindigkeitsmessanlage auf und fuhr mit 40 km/h durchs Ziel.
Nachdem auf meinen Antrag hin ein Gutachten eingeholt worden war, u.a. zu der Frage, dass das Mofa keine höhere Geschwindigkeit zu erreichen in der Lage ist als 25 km/h und sich dies bestätigte, zeigten sich einige Sollbruchstellen. So ganz sicher war sich der Sachverständige ob der langen Standzeit des Mofas nicht, ob nicht etwa der Vergaser verstopft war und das Mofa deshalb nicht mehr als 25 km/h auf den Tacho bekam. Auch konnte er nicht sagen, ob das Mofa zum damaligen Zeitpunkt nicht frisiert war. Ganz sicher war er sich aber, dass die Stelle, an der die Messung seinerzeit durchgeführt worden war, ein Gefälle aufwies, das die Geschwindigkeit des Mofas beeinflusst hatte.
Falsche Belehrung, Eltern des Minderjährigen von der Vernehmung nicht informiert, falsche Messung - die Ermittlungen verliefen insgesamt auf schiefen Ebenen.

Aufmüpfiger Zeuge

Manchmal fragt man sich, was Zeugen, die vor Gericht aussagen müssen, für eine Vorstellung von einem Strafprozess haben. So geschehen gestern beim Amtsgericht H. Der Zeuge war über 60 und der Auffassung, er könne sich aussuchen, auf welche Fragen einer Frau (noch dazu einer jüngeren) er antwortet und auf welche nicht. Offenbar hatte ich irgendwann den Punkt getroffen, an dem ihm meine Fragen unangenehm wurden, was ihn dazu veranlasste, zu sagen:"Dazu möchte ich mich nicht äussern." Ich habe es erst leise und dann etwas eindringlicher versucht, ihm klarzumachen, dass das hier keine Fernsehsendung ist, in der die Verteidiger sowas durchgehen lassen. Das Gericht war von dem angeschlagenen Tonfall zwar wenig begeistert, aber der Zeuge hat schließlich doch verstanden, was von ihm erwartet wurde. Die Antworten waren dann zu meiner Freude auch so wie ich sei erwartet hatte.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Falsche Belehrung durch Polizeibeamten

Der Sohn meines Mandanten soll mit einem Mofa gefahren sein, das schneller als 25 km/h gewesen sein soll. Nachdem das Verfahren gegen den Sohn eingestellt worden war, war nun der Vater dran wegen Duldens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Der Sohn (damals noch als Beschuldigter in eigener Sache) wiederum hatte Aussage bei der Polizei gemacht, die es trotz seiner Minderjährigkeit nicht für nötig befand, die Eltern davon zu informieren, dass der Sohn als Beschuldigter vernommen werden sollte. Einleitend stellte ich die Gretchenfrage an den Vernehmungsbeamten, wie er zuvor belehrt hatte und erhielt zur Antwort: "Ich habe ihm gesagt, er müsse nichts sagen. Wenn er aber was sagt, müsse das die Wahrheit sein."
Falsch, falsch, falsch!!! Ich habe der Verwertung der Aussage widersprochen.

Für alle Nichtjuristen: als Beschuldigter MUSS man keine Angaben machen und selbst wenn man Angaben macht, dann KÖNNEN diese zwar der Wahrheit entsprechen, sie MÜSSEN es jedoch nicht. Anders bei Zeugen: ein Zeuge MUSS vollständig und wahr aussagen.
Für mitlesende Polizeibeamte, die sich bei der Belehrung von Beschuldigten über deren Rechte nicht ganz im Klaren sind, eine kleine Eselsbrücke: der Beschuldigte darf lügen, beim Zeugen wäre dies zu rügen.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Terminsladung - es geht auch anders

Kein umständliches Hickhack, keine seitenlangen Anträge auf Terminsaufhebung, keine Vorlage von Ladungen zu Kollisionsterminen, keine Beschwerden gegen ablehnende Terminsaufhebungsentscheidungen - ein Anruf beim Vorsitzenden genügt und Probleme mit kollidierenden Terminen werden einvernehmlich behoben - erfreulicherweise gibt es sowas auch. 10. Strafkammer, Landgericht Koblenz. Gelebte Pragmatik.

Montag, 27. Oktober 2008

Konspiratives Zahlenwerk

Landgericht Koblenz, heute Mittag. Wieder wird ein Polizeibeamter vernommen. Diesmal ist es ein Kollege des Beamten, der eine Prostituierte am Jogginganzug wiedererkannte (vgl. Goldene Schuhe und blauer Jogginganzug). Dieser hatte einen der Angeklagten vernommen und ihm vorgehalten, er habe Zahlen verschlüsselt. Wenn er einem Mitangeklagten eine sms mit dem Inhalt geschickt habe, es seien "30" umgesetzt worden, habe das tatsächlich "300" bedeutet. Dies habe der Angeklagte in einer anderen sms, in der es geheissen habe, man solle immer eine "Null" dranhängen, dem Mitangeklagten so mitgeteilt.
Ahja. Der Schlüssel wird also mitgeteilt.
Die Frage eines Verteidigers, was denn der Beamte unter konspirativ verstehe, war vor diesem Hintergrund rein rhethorisch.

Freitag, 24. Oktober 2008

Nachklapp: Misstrauische Amtsrichterin

Die Terminierung geht in die nächste Runde.
Eben erreicht mich ein Faxschreiben meines Mandanten, der zum vorgesehenen Termin auf einer Geschäftsreise in Bella Italia ist. In weiser Voraussicht hat er sämtliche Buchungsbestätigungen gleich mitgefaxt.
Ich lauere übrigens schon die ganze Zeit darauf, dass mich vom besagten Amtsgericht eine Terminsaufhebung "aus dienstlichen Gründen" erreicht; ich würde dies zum Anlass nehmen -unter Hinweis auf die offensichtlich dort gängige Praxis - einen Nachweis zur Glaubhaftmachung zu verlangen um dann ein Sprichwort zu testen: quod licet Jovi non licet bovi.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Ehefrauen, Ferraris, Versteigerungen

Hier ein interessanter Link zum Thema "Wie das Leben so spielt".

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=230284482027&ru=http%3A%2F%2Fsearch.ebay.de%3A80%2Fsearch%2Fsearch.dll%3Ffrom%3DR40%26_trksid%3Dm37.l1313%26satitle%3D230284482027%26category0%3D%26fvi%3D1

Derartige Spiele findet man freilich nur als Zuschauer so richtig lustig.
Wenn doch mal die Gattin so günstig gewesen wäre wie der Schlüssel.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Goldene Schuhe und blauer Jogginganzug

Ein Polizeibeamter quält sich nun schon den zweiten Tag in einem Prozess vor dem Landgericht Koblenz mit seiner Aussage. Den Angeklagten wird u.a. Menschenhandel vorgeworfen. Sie sollen Frauen aus Rumänien und Bulgarien der Prostitution zugeführt haben. Der Polizeibeamte war damit befasst, im Vorfeld einen Angeklagten zu vernehmen, über dessen Angaben er nun aus der Erinnerung heraus bekunden soll.
Es geht um insgesamt 14 Frauen, zu denen der Angeklagte Angaben gemacht hatte. Bei so vielen Damen kann auch ein Polizeibeamter schon mal ins Schleudern kommen. Als ihn die Vorsitzende der Strafkammer in bezug auf eine bestimmte Dame befragte, meinte er, der Name sage ihm nichts. Wenn er aber ein Foto sähe, könne er sie vielleicht besser einordnen. Eventuell, so der Beamte, handele es sich um die mit den goldenen Schuhen und dem blauen Jogginganzug. Eine beisitzende Richterin kramte daraufhin den Bildband heraus und hielt dem Polizeibeamten ein Foto vor, das eine Dame im genannten Outfit zeigte und siehe da - Volltreffer. Bislang dachte ich immer, dass sich nur Frauen derart gewagte Kombinationen merken.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Misstrauische Amtrichterin

In einer Ordnungswidrigkeitensache beim Amtsgericht M. hatte ich wegen einer Terminskollision um Aufhebung des Termins gebeten. Kurze Zeit später erhielt ich ein Schreiben vom Amtsgericht M., ich möge doch die Ladung zu dem kollidierenden Termin vorlegen. Ich war drauf und dran, der Richterin zu schreiben, dass ich gar nicht einsehen würde und davon ausginge, dass man einem Organ der Rechtspflege abnimmt, wenn man eine Terminskollision vorträgt. Darüber hinaus würde ich den Teufel tun, einfach Ladungen, aus denen ja auch der Name meines Mandanten hervorgeht, in der Gegend rum zu schicken. Nachdem ich aber in Zeitdruck war, legte ich die teilgeschwärzte Ladung kommentarlos aufs Fax. Der Termin wurde aufgehoben, es wurde erneut terminiert und wieder hatte ich einen Kollisionstermin. Dasselbe Spiel begann von vorne und begann, mich zu amüsieren.

Gestern rief mich die Richterin an um einen Termin abzusprechen. Wahrscheinlich war ihr das Procedere auch langsam auf die Nerven gegangen. Es stellte sich heraus, dass wir uns bereits kannten und uns in guter Erinnerung hatten. Wo ich sie schon mal am Telefon hatte, beschwerte ich mich über die Vorgehensweise und staunte nicht schlecht, als sie mir sagte, sie habe sogar bei den Gerichten angerufen um zu erfragen, ob die Ladung tatsächlich richtig sei. Man habe schlechte Erfahrungen mit Terminsaufhebungsanträgen gemacht.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Kollegen gibt, die Kollisionen behaupten, die es nicht gibt. Dass ein Richter aber die Muße hat und die Notwendigkeit sieht, auch noch bei einem anderen Gericht anzurufen um die Echtheit der Ladung zu überprüfen, spricht für sich.

Freitag, 10. Oktober 2008

Augenmaß? - Fehlanzeige

Aus einer Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft: "Das Geständnis war insbesondere der drückenden Beweislage geschuldet. Der angeklagte Besitz von Btm hätte zweifelsfrei durch Vernehmung der Durchsuchungszeugen PK Eins, POK Zwei und PHK Drei bestätigt werden können. Das Geständnis hat insoweit zur Tataufklärung nur sekundär beigetragen und lediglich die Einvernahme von Zeugen erspart (...) Das Amtsgericht hat das Geständnis als maßgeblichen Strafmilderungsgrund zu Gunsten des Angeklagten gewertet." Dies beanstandet die Staatsanwaltschaft.

Eine Unterscheidung nach Geständnissen erster und solchen zweiter Klasse kennt die Rechtsprechung erfreulicherweise nicht, so dass meiner Auffassung nach das Amtsgericht zurecht das frühe Geständnis zugunsten meines Mandanten berücksichtigt hat.

Der hatte den Besitz einer geringen Menge Heroin zum Eigenkonsum bereits im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme eingeräumt. Dieses Geständnis hatte er beim Amtsgericht wiederholt und wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung verurteilt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung befand er sich bereits seit mehreren Monaten in einer stationären Therapieeinrichtung. Den Therapieplatz hatte er sich selbst erkämpft. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein mit dem Ziel, meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verurteilen. Die Therapie wäre für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Antrag folgen sollte, für meinen Mandanten gelaufen. Als Verteidiger fragt man sich beim Lesen solcher Rechtsmittelbegründungsschriften, wie wenig Augenmaß jemand haben muss, der solche Anträge stellt.

Tatfahrzeug - Fiesta

Staunen beim Schöffengericht Montabaur gestern. Mein Mandant war in ein Möbelhaus eingebrochen und hatte dort nach seinen Angaben eine 2-teilige Ledergarnitur (EK 1.059 Euro) gestohlen. Tatfahrzeug: ein Ford Fiesta. Wer nun denkt, dass es schwierig sein dürfte, sowas überhaupt in einem Fiesta transportieren zu können, wird locker eines Besseren belehrt: die Staatsanwaltschaft warf meinem Mandanten in der Anklage vor, Möbel im Wert von 15.000 Euro entwendet zu haben und bezog sich auf eine vom Möbelhaus eingereichte eineinhalbseitige Schadensaufstellung. Mit den dort gelisteten Gegenständen hätte man mühelos einen 4-Personen-Haushalt einrichten können. Ich war schon darauf vorbereitet, einen Beweisantrag zu stellen zu den Raumverhältnissen in einem Fiesta oder dazu, dass man zum Abtransport der Beute mit dem Fiesta ca. 20 Mal zwischen Wohn- und Tatort hätte pendeln müssen, konnte mir das allerdings schenken, denn auch der Vorsitzende bemerkte trocken, dass seitens des Möbelhauses wohl versehentlich eine Schadensliste eingereicht worden sei, die sich auf die Diebstähle eines ganzen Jahres beziehe.
Bemerkenswerterweise hat das Möbelhaus keine Schadensersatzansprüche gegenüber meinem Mandanten geltend gemacht. Bleibt zu hoffen, dass die Versicherung sich irgendwann einmal die Strafakte anfordert und hierbei über das Tatfahrzeug stolpert.