Donnerstag, 31. Dezember 2009

Wünsche

Allen Bloglesern wünsche ich einen guten Rutsch!

Auch für 2010 habe ich mir vorgenommen, weiter zu bloggen, obwohl mir das Bloggen im zurückliegenden Jahr nicht nur Freu(n)de bereitet hat. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Kollegen Werner Siebers für die Vertretung in dem gegen mich gerichteten Verfahren bei der Rechtsanwaltskammer Koblenz bedanken. Das Verfahren wurde eingestellt oder zutreffender formuliert: Diejenigen, die die Eingabe bei der Kammer gemacht hatten, haben schließlich davon abgesehen, ein Verfahren gegen mich einzuleiten.

Mein Blog-Fazit für 2009:
Sowohl die positive Resonanz vieler Mandanten und Kommentatoren wie auch die kritischen Äusserungen u.a. eines einzelnen Herrn tragen dazu bei, dass Bloggen nie langweilig wird.

Guter Vorsatz für 2010? - Scheidung!

Ein Mandant, der Dank einer Strafanzeige seiner Ehefrau für ein paar Monate in den Genuss der Gastlichkeit der Justizvollzugsanstalt gekommen war, wurde kürzlich aus der Haft entlassen.

Er bedankte sich bei mir, gelobte, mir immer treu sein zu wollen (als Mandant versteht sich!) und sagte dann: "So, und als nächstes sorgen Sie dafür, dass ich schnellstmöglich geschieden werde!"

Wird gemacht!

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Kinderbesuch im Knast

Gestern hatte ich seit längerer Zeit mal wieder das Vergnügen, die Freundin eines inhaftierten Mandanten (U-Haft) zu treffen, die es strikt ablehnte, die beiden gemeinsamen Kinder (4 und 1,5 Jahre) in die JVA zu den Besuchsterminen mitzunehmen.

Natürlich vermisse ihr Freund die Kinder und die Kinder ihn, erklärte sie, aber sie und ihr Freund seien sich einig darüber, dass man den Kindern Besuche hinter Gittern nicht antun muss.

Die Einstellung kann ich nur begrüßen. Alles, was ich bislang zu diesem Thema vor Ort mitbekommen habe (verstörte Kinder trotz netter Vollzugsbeamter) lässt mich annehmen, dass die meisten Kinder es besser verarbeiten, ihren Vater eine Zeitlang gar nicht zu sehen als im Rahmen überwachter JVA-Besuche.

Dienstag, 29. Dezember 2009

Das Picknick im Auto - das Urteil

Showdown im Picknick-Fall: die Klage auf Ersatz der durch die umherfliegende Colaflasche beschädigten Windschutzscheibe, der Reinigung des Autoinnenraumes sowie der Kleidung der Beifahrerin (Letztere wurde auch durch den umherfliegenden Käsekuchen verunreinigt!), wurde abgewiesen.

Nicht, dass ich etwas Anderes erwartet hätte, klang doch der Vortrag der Klägerin von Schriftsatz zu Schriftsatz immer abenteuerlicher und die Versuche, das Gutachten in Zweifel zu ziehen, hatten die Grenze des Amüsanten längst erreicht.

Das Gericht stützt seine Entscheidung auf das eingeholte Gutachten zur Schadensplausibilität. Wir erinnern uns: der Gutachter hielt es für technisch unmöglich, dass die Colaflasche anders als durch ein schräges Werfen nach oben die Windschutzscheibe überhaupt hätte treffen können. Geworfen haben will die Klägerin die Flasche aber freilich nicht. Auch der klägerseits beschriebene Käsekuchenflug sei bei dieser Sachlage völlig auszuschließen.

Es bleibt abzuwarten, ob es eine Fortsetzung geben wird. Der Streitwert wurde auf satte € 677,35 festgesetzt; die Sache ist also berufungsfähig, § 511 II Nr. 1 ZPO.

Montag, 28. Dezember 2009

To do Liste aus dem Knast

Gerade frage ich mich, ob der Sozialdienst in der Justizvollzugsanstalt E. für Gefangene nicht erreichbar ist, oder ob ich beim Erstgespräch mit dem Mandanten wohl vergessen habe, ihm mitzuteilen, dass ich zwar für seine Verteidigung, damit aber nicht automatisch für seine sonstigen Angelegenheiten zuständig bin.

Beim Lesen der Post nämlich stolpere ich über das Schreiben eines inhaftierten Mandanten, der mir aufträgt:

- Mutter anrufen wegen Paket
- Arbeitgeber anrufen
- Vermieter anrufen
- Kumpel anrufen wegen Besuch
- Handyvertrag vorsorglich kündigen
- Kontoauszüge besorgen

Was die Frau Mama angeht, bin ich dieser gegenüber von der Schweigepflicht entbunden und werde daher die To-do-Liste an sie weiterreichen. Wetten, dass die sich freut?!

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Mal was Besinnliches...

Der Weihnachtsabend

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war’s, durch alle Gassen scholl
der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fort gespült,
drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
"Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt
feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
wes Alters und Geschlecht es mochte sein,
erkannt’ ich im Vorübertreiben nicht.

Nur vor dem Treppenstein, darauf es saß,
noch immer hört’ ich, mühsam, wie es schien:
"Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn’ Unterlass;
doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? War’s Ungeschick, war es die Scham,
am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh’ meine Hand zu meiner Börse kam,
verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
erfasste mich die Angst im Herzen so,
als säß’ mein eigen Kind auf jenem Stein
und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

(Theodor Storm, 1817 - 1888)

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Talking Ishan und kein Ende

Letzter Verhandlungstermin für dieses Jahr im Schleuserverfahren war heute. Entgegen meiner Hoffnung ging es nicht zu Ende.

Nachdem auch die heute gehörten Telefonate in der Übersetzung wiederum in eklatantem Gegensatz zu den Zusammenfassungen der Polizei standen, stellte sich erneut die Frage, wie fortzufahren ist.

Das Gericht hat dem Wunsch der Staatsanwaltschaft Rechnung getragen, noch weitere Telefonate zu hören. Damit geht es im kommenden Jahr also weiter.

Das Verfahren, das seit 2005 mit einem großen Ermittlungsaufwand betrieben worden ist, hat sich bislang nicht so entwickelt, dass die Anklage auch nur in einem einzigen Punkt hätte bestätigt werden können. Mein Verteidigerkollege hat heute wieder mal darauf aufmerksam gemacht, dass die Fortsetzung des Verfahrens früher oder später den Rechnungshof interessieren könnte. Nun gut, jeder Verhandlungstag kostet ein paar hundert Euro, aber wie pflegte einer meiner früheren Ausbilder zu sagen: "Wenn´s der Wahrheitsfindung dient!"

Dienstag, 22. Dezember 2009

Christ./.Kind

Immer ein guter Gag in der Weihnachtszeit zur Erheiterung des Personals: bei einem Kollegen anrufen und diesen in der Sache Christ./.Kind zu sprechen verlangen.

Hat vor Jahren mal ein Kollege in meinem Büro gemacht.

Die Azubi stellte zu mir durch mit den Worten: "Ich such dann schnell die Akte und bring sie Ihnen." Sie hat die Akte verzweifelt gesucht, nicht gefunden und daher eine Kollegin gefragt, die ihr geantwortet hatte: "Ach Christ./. Kind?! - Die liegt im gleichen Fach wie Niko./.Laus!" Damit war der Groschen gefallen.

Montag, 21. Dezember 2009

Talking Ishan - weiter geht`s

Übermorgen geht`s weiter im Schleuserverfahren.

Nachdem Dolmetscher Nr. 4 beim letzten Mal dafür gesorgt hatte, dass die TKÜ dann doch ganz anders klang als in Akten und Anklage zu lesen, habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir vielleicht zum (guten) Ende kommen.

Frühes Weihnachtsgeschenk

Heute Morgen bekam mein Mandant ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Er war ohne Fahrerlaubnis gefahren, leider nicht zum ersten Mal. Zwei offene Bewährungsstrafen (jeweils Straßenverkehrdelikte) zierten seinen Bundeszentralregisterauszug. Allerdings hatte sich seit diesen Eintragungen viel in seinem Leben getan. Er hat inzwischen einen festen Job im Außendienst, eine erfolgreich absolvierte Alkohlentwöhnungstherapie vorzuweisen und die Fahrerlaubnis war ihm wieder erteit worden. Der Widerruf der Bewährung sowie ein Fahrverbot hätten ihn vor diesem Hintergrund besonders hart getroffen.

Erfreulicherweise sahen der Staatsanwalt und die Vorsitzende das genauso. Das Urteil lautete auf 8 Monate, ausgesetzt zur Bewährung und 500 Euro an die Staatskasse. Es wurde sofort rechtskräftig und für meinen Mandanten kann Weihnachten gar nicht besser werden.

Sonntag, 20. Dezember 2009

Statt Karten

Alle Mandanten, die sich wundern, weshalb sie in diesem Jahr keine der üblichen Karten mit Wünschen zum Fest und Jahreswechsel erhalten: in diesem Jahr habe ich mich entschieden, den Betrag, den ich im Vorjahr für das Porto aufgewendet habe, zu spenden.

Ich meine, dass das Geld so besser angelegt ist.

Samstag, 19. Dezember 2009

Rücksicht

Eine Mandantin (19) ist bei einem Verkehrsunfall, den die Gegnerin (18) allein verschuldet hat, nicht unerheblich verletzt worden.

Ich führe die Korrespondenz mit der gegnerischen Versicherung und fordere neben dem am Auto entstandenen Unfallschaden auch Schmerzensgeld für meine Mandantin.

Besorgt ruft sie mich an und fragt, ob das Mädchen, das auf ihr Auto aufgefahren sei, jetzt große Schwierigkeiten bekomme. Immerhin habe der Gutachter an ihrem Auto ja einen Schaden von weit über 5000 Euro festgestellt und soviel könne die Gegnerin ja sicher unmöglich bezahlen. Ich erkläre ihr in aller Kürze das Wesentliche zum Thema Kfz-Haftpflichtversicherung.

Sie ist beruhigt. Ich bin beeindruckt von ihrer Rücksichtnahme.

Freitag, 18. Dezember 2009

Tücken der Technik - Fortsetzung

Eine Verhandlung in Bayern war letztlich daran gescheitert, dass eine DVD nicht ans Laufen gebracht worden war.

Die zuständige Staatsanwaltschaft hat mir nun eine Kopie der DVD zukommen lassen. Die darauf befindlichen Dateien lassen sich trotz mehrfachen Versuchens nicht öffnen. Ich habe sie nun zurück geschickt und gebeten, mir möglichst noch vor der nächsten Hauptverhandlung eine DVD mit intakten Dateien zuzusenden.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Die Faxpanne - das gute Ende

Ich hatte mal über eine Faxpanne berichtet, die im Zusammenhang mit einer Terminskollision stand. Der Richter traute mir nicht über den Weg und wollte unbedingt einen Nachweis, dass ich an dem von ihm vorgesehenen Termin tatsächlich woanders verhandele. Den hatte er bekommen, wenn auch nicht so wie ich das angedacht hatte.

Heute war Termin. Nach der Verhandlung meinte er, ich sei wohl sauer gewesen wegen seines Misstrauens. Ich bejahe grinsend, darauf wartend, dass er mir jetzt mit der Faxpanne kommt. Genau das ist der Fall. Er sei aber auch sauer gewesen, weil die Ladung des Amtsgericht A. jüngeren Datums sei als seine Ladung. Das ist zwar richtig, aber der Richter beim Amtsgericht A. hatte den Termin bevor er die Ladung verfügt hatte, mit mir telefonisch abgestimmt, so dass ich den Termin längst eingetragen hatte als die Ladung des Amtsgerichts N. eintraf.

Wir haben die Sache dann sozusagen übereinstimmend für erledigt erklärt, schließlich waren wird damit quitt. Alles wird gut.

Napoleon-Komplex

Dienstag beim Amtsgericht E.. Es geht um eine (Nebenkosten)forderung unter 300 Euro und den Parteien ums Prinzip. Der gegnerische Kollege älteren Jahrgangs hatte schon außergerichtlich deutlich jenseits der verbalen Schmerzgrenze argumentiert und seine Schreiben eher in Sprach- denn in Schriftdeutsch verfasst ("Sie machen wohl Witze!").

Im Gütetermin legte er noch eine Schippe drauf und das, obwohl seine Partei nicht einmal dabei war. Er ereiferte sich in einer Weise, wie ich sie selbst bei hohen Streitwerten selten erlebt habe. Es war hochamüsant und ich fragte mich, für wen der Kollege wohl dieses seltsame Schaulaufen abhält. Sowohl seine Armbanduhr als auch seine sonstige Bekleidung (sein Auto konnte ich nicht ausmachen) sprachen gegen den Napoleon-Komplex, auf den ich anderenfalls getippt hätte.

Als er dann auch noch anfing, aus seinen außergerichtlichen Schreiben zu zitieren, was der Richter mit einer stoischen Ruhe über sich ergehen ließ, wurde mir klar: er gehört zur Spezies der Anwälte, die sich persönlich angegriffen fühlen, wenn man einen ihrer Mandanten verklagt und er nimmt die Sache wirklich bitter ernst.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Der deutsche Einzelhandel - ein Fallbeispiel oder: Obacht bei der Berufswahl

Man muss scheinbar aufpassen, wenn man an Samstagen im Einzelhandel anruft.

Ich habe diesen Fehler vergangenen Samstag gemacht und in einem Möbelhaus angerufen, dessen Mitarbeiter mir über eine Woche zuvor versprochen hatte, sich einen Tag später um meine Reklamation (eine schlecht schließende Schranktür) zu kümmern. In der Zwischenzeit passierte trotz einer telefonischen Nachfrage, die mit "wie rufen Sie zurück" verbeschieden worden war, nichts.

Es schien, als hätte ich dieses Mal mehr Glück. Am anderen Ende ist eine freundliche aber leicht überfordert wirkende Dame, die mich an einen der zuständigen Kollegen durchzustellen zusagt.

Nach schier endlosen Minuten in der Warteschleife dann endlich die Mitteilung, dass der betreffende Kollege gerade in die Pause gegangen sei, mich aber im Laufe des Tages zurückrufen werde. Da ich weiß, dass "im Laufe des Tages" nicht gleichbedeutend ist mit "im Laufe des HEUTIGEN Tages", frage ich, wann er denn wieder aus der Pause zurück sei, damit ich ihn anrufen könne. Zusätzlich bitte ich um seine Durchwahl und hilfsweise darum, zu einem anderen Zuständigen durchgestellt zu werden.

So, so die nun nicht mehr freundliche, sondern nur noch überforderte Dame, gehe das ja nicht. Die Durchwahl könne sie nicht herausgeben (Stressmodus), der weitere Zuständige sei gerade in einem Gespräch (Megastressmodus) und (im Krawallmodus):

"Und außerdem ist heute Samstag!"

Hätte ich wissen wollen, welcher Tag ist, hätte ich sie nicht anrufen müssen; da hätte ein Blick in den Kalender genügt. Vor Jahren hätte ich ihr das auch so gesagt, aber man wird gelassener. Ich hätte ihr auch gesagt, dass ich nichts dafür kann, dass sie im Einzelhandel arbeitet und ich nicht ihr Berufsberater war, der ihr zu diesem Job geraten hat. Ich hätte ihr weiter gesagt, dass ich mich nicht darüber beschwere, wenn mich nachts Mandanten anrufen, die gerade festgenommen wurden und nun anwaltlichen Beistand benötigen. Wer Strafverteidiger wird, weiß das; wer Lokführer wird, weiß, dass sich bisweilen Leute vor seinen Zug werfen und wer sich für einen Beruf im Einzelhandel entschieden hat, weiß, dass er auch samstags arbeiten muss - was also soll das Gezeter?

Ich beende das Gespräch.


Übrigens: ein Rückruf ist bis heute nicht erfolgt. Ich habe die Sache anderweitig geregelt, da ich eingesehen habe, dass es einfacher ist, eine Reparatur selbst vorzunehmen als darauf zu warten, dass sich der, den es angeht, darum kümmert.

Entspannt

"Ich bin noch nie so entspannt hier rausgegangen wie heute mit Ihnen", sagte mir der Mandant als wir das Gericht verließen.

Kurz zuvor war ein Strafverfahren gegen ihn mit Auflage einer Zahlung eingestellt worden, das ihm seit Monaten schlaflose Nächte bereitet hatte. Bis dahin kannte er nur die Zivilgerichtsbarkeit und Strafsachen lediglich aus dem Fernsehen.

Die Einstellung war eine für alle Beteiligten gangbare Alternative. Ansonsten hätte ich Beweisanträge stellen müssen, das Gericht hätte weitere Akten beiziehen müssen und wir hätten uns in einem halben Jahr wiedergetroffen. Bis dahin wäre mein Mandant aber mit den Nerven "zu Fuß" gewesen.

Die größte Diskussion gab es darüber, an welche gemeinnützige Einrichtung die Auflage zu zahlen sein würde. Die Staatsanwaltschaft hatte vorgeschlagen, an die Staatskasse zu zahlen, mein Mandant wollte lieber die Katzenhilfe. Geeinigt hat man sich auf ein Kinderhilfswerk.

Montag, 14. Dezember 2009

Kurz vor knapp

Verhandlungstermin war im November, meine Rechnung datierte auf Juni, ebenso die Bitte, einen Termin zu vereinbaren. Nichts passierte. Es folgen monatliche Erinnerungsschreiben. Wieder passierte nichts.

Einen Tag vor dem Termin zur Hauptverhandlung ruft der Mandant an und möchte wissen, ob er denn tatsächlich mit zum Termin muss. Jawohl, muss er. Das ist ihm unverständlich ("Wozu hab ich Sie eigentlich engagiert?"). Noch unverständlicher ist ihm, weshalb die Rechnung vorher zu bezahlen ist. Ich lasse ihm die Wahl und verweise auf meine vorangegangenen Schreiben: ich MUSS ihn nicht verteidigen, er kann dies selbst tun. Wenn ich ihn aber verteidigen soll, ist die Zahlung vorab zu leisten. Zudem ist eine Besprechung nach wie vor erforderlich. Er erscheint schlecht gelaunt zur Besprechung, hat aber immerhin Geld dabei.

Das Verfahren für ihn läuft trotz eines bärbeißigen Staatsanwalts besser als ich es geahnt hatte. Er sitzt schweigend neben mir, wozu ich ihm geraten hatte. Zwei Zeugen fehlen, von denen einer auf absehbare Zeit nicht an einer Verhandlung wird teilnehmen können. Nach einem Rechtsgespräch wird das Verfahren in allseitigem Einverständnis nach § 153 StPO eingestellt.

Im Anschluss an die Verhandlung sagt er zu mir: "Na ja, war schon gut, dass Sie mit waren."
Ich freue mich über diese Einsicht. Dann meint er: "Aber wenn Sie mich teurer gekommen wären als der Strafbefehl, würde das anders aussehen." Auch eine Einstellung: lieber eine eingetragene Vorstrafe als eine Verteidigerrechnung. Das sieht allerdings nur die Minderheit so.

Samstag, 12. Dezember 2009

Flucht durch die Essensklappe

Und das Ding ist echt klein:

http://www.bild.de/BILD/news/2009/12/11/knast-ausbruch-des-jahres/dieb-flieht-durch-essensklappe.html (Quelle: BILD)

Der Ausbrecher scheint also nicht nur ein mutmaßlicher Trickbetrüger zu sein, sondern auch noch Turntricks auf Lager zu haben.

Freitag, 11. Dezember 2009

Freispruch nach 7 Monaten Untersuchungshaft

Eben wurde mein Mandant vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs zum Nachteil seiner Stiefkinder freigesprochen.

Vorangegangen waren mehrere Verhandlungstage, in denen u.a. die Kinder als Zeugen gehört worden waren.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine 8-jährige Haftstrafe gefordert, die Nebenklage hatte sich diesem Antrag angeschlossen, ich hatte Freispruch beantragt. Die Kammer ist meinem Antrag gefolgt. Sie sprach meinen Mandanten in konsequenter Anwendung des in-dubio-Grundsatzes frei und sprach ihm eine Haftentschädigung für die erlittenen 7 Monate Untersuchungshaft zu.

Zwei der Kinder, Mädchen, hatten Aussagen gemacht, die so wenig detailreich und damit "dünn" waren, dass die Kammer einen Nachweis der behaupteten Taten als nicht erbracht ansah. Das dritte Kind, ein Junge, hatte im Laufe mehrerer Vernehmungen derart eklatante Widersprüche bezogen auf das Kerngeschehen geschildert, dass die Kammer die Vorwürfe gegen meinen Mandanten nicht bestätigt sah. Der Zeuge, so der Vorsitzende in der Urteilsbegründung, sei sehr suggestibel.

Das in diesem Prozess für mich Auffälligste war, dass keines der Kinder im Rahmen seiner Aussage eine stärkere emotionale Regung hatte erkennen lassen. In den vergangenen 11 Jahren hatte ich Gelegenheit, viele Opferzeugen zu vernehmen. Hierbei habe ich erlebt, dass Männer, die als Angestellte einer Bank überfallen worden waren, bei ihrer Aussage mit der Fassung rangen. Ich habe erlebt, wie Opfer von Körperverletzungen in ihren Vernehmungen weinten, wie Kinder schrien, wenn sie dem Täter auf dem Gerichtsflur begegneten. Unzählige Unterbrechungen hatte es bei diesen Vernehmungen gegeben, weil sich die Zeugen wieder sammeln mussten. Was ich noch nicht erlebt hatte, waren Kinder, die von derart schlimmen Handlungen, wie sie sie meinem Mandanten vorgeworfen hatten, in einer Art und Weise erzählten, als berichteten sie von einem alltäglichen Geschehen. Ebenfalls schwer nachvollziehbar, dass eines der Mädchen, das meinen Mandanten belastet hatte, nach der Trennung der Eltern zu diesem gezogen war anstatt bei der Mutter zu bleiben, was angesichts der erhobenen Vorwürfe verständlich gewesen wäre.

Der Kollege, der die Nebenklage vertrat, rügte meinen Mandanten, dass er den Kindern durch sein Schweigen die Vernehmung nicht erspart habe. Ich kann meinen Mandanten nur dazu beglückwünschen, dass er meinem Rat gefolgt war und deshalb die Kinder vernommen wurden, denn nur so konnten die unzähligen Widersprüche aufgedeckt werden und nur so konnte sich die Kammer einen Eindruck von den Zeugen verschaffen.

Mein Mandant ist wieder ein freier Mann und wird in der kommenden Zeit alle Hände voll zu tun haben, sich wieder ein neues Leben aufzubauen, denn durch die Untersuchungshaft hat er Wohnung und Arbeit verloren.

Es bleibt abzuwarten, ob Staatsanwaltschaft und/oder Nebenklage Revision gegen die Entscheidung einlegen.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Verlesen statt Vernehmen? Bitte nein!

Gestern beim Amtsgericht N.. Meinem Mandanten wird Fahren unter Einfluss von Betäubungsmitteln vorgeworfen. Das Strafverfahren wurde eingestellt, die Sache abgegeben an die Bußgeldbehörde, die einen Bußgeldbescheid erließ, gegen den ich für den Mandanten Einspruch einlegte. Im Vorfeld erreichen mich Schreiben des Gericht, wonach empfohlen wird, den Einspruch zurück zu nehmen. Ich komme der Empfehlung nicht nach und so kommt es dann zur Verhandlung.

Mein Mandant macht von seinem Schweigerecht Gebrauch. Nach Verlesen des Bußgeldbescheides "empfiehlt" die Vorsitzende abermals, den Einspruch zurück zu nehmen. Auch dieser Empfehlung kommen mein Mandant und ich nicht nach (Es macht keinen Sinn, erst anzureisen und dann einen Einspruch zurück zu nehmen. Das geht auf dem Schriftwege deutlich billiger.) Die Vorsitzende schaut mich fragend an: "Und nun?" Für einen Moment überlege ich, ob das ein Angebot ist, die Plätze zu tauschen, was anzubieten aber nicht höflich wäre. Ich rege daher an, in die Beweisaufnahme einzutreten, ahnend, dass sie keine Zeugen geladen hat. Die aber wird sie brauchen um den Tatnachweis eventuell führen zu können.

Die Vorsitzende wirkt ein wenig angefressen und unternimmt dann den (untauglichen) Versuch, Zeugenaussagen und dienstliche Vermerke von Polizeibeamten per Verlesen in die Hauptverhandlung einzuführen. Ich widerspreche dieser Vorgehensweise. Beweise in der Hauptverhandlung sind unmittelbar zu erheben, also durch Vernehmung der Zeugen und nicht durch Vorlesen der Aussagen, die diese irgendwann einmal gemacht haben. Das weiß die Vorsitzende freilich auch.

Sie unterbricht die Hauptverhandlung um ihren Kalender zu holen, damit sie einen neuen Termin zur Hauptverhandlung bestimmen kann. Das klappt reibungslos.

Mein Mandant fragt mich nach der Verhandlung, ob die Vorsitzende vorhatte, sprichwörtlich "kurzen Prozess" mit ihm zu machen. Das weiß ich nicht, aber wenn man einmal bedenkt, dass bei recht dünner Beweislage keine Zeugen geladen wurden, könnte dem so sein. Dann will er noch wissen, ob sie "das mit dem Verlesen" überhaupt gedurft hätte. Das weiß ich und bejahe. Wenn man als Betroffener bzw. als Verteidiger eines Betroffenen einer solchen Vorgehensweise nicht widerspricht, dürfen z.B. Zeugenaussagen durch Verlesen in die Hauptverhandlung als Beweismittel eingeführt werden.

Mittwoch, 9. Dezember 2009

Jurastudium und forensische Pathologie - ein Rückblick

Kürzlich diskutierte ich mit ein paar Kollegen beim Essen darüber, ob man Originalakten mit eher schwer verdaulichem Bildinhalt (Obduktionsfotos, Tatortfotos, pornografische Fotos etc.) von den Mitarbeitern kopieren lassen soll oder dies lieber selbst erledigt.

Bei minderjährigen Mitarbeitern (Azubis, Praktikanten) war einhellige Meinung, dass das der Ausbildung zuviel ist. Bei den volljährigen Mitarbeitern gingen die Meinungen auseinander. Ja, meinten die einen (Argument: "Sowas muss man abkönnen."), nein, meinten die anderen (Argument: "Bloß nicht. Das grenzt ja an Mobbing").

Ich meine, dass es drauf ankommt. Meine Damen würde ich als eher robust bezeichnen. Die hat bislang noch kein Foto schocken können. Es gab jedoch Zeiten, in denen tatsächlich mal eine Mitarbeiterin nach Ansicht einer Akte, die Fotos einer Obduktion enthielt, schreiend die Akte fallen liess und davonrannte als sei der Teufel hinter ihr her. Sie arbeitet heute in einer ausschließlich im Zivilrecht tätigen Kanzlei, in der die Gefahr unappetitlicher Fotos sehr viel geringer ist und ist darüber wahrscheinlich sehr froh.

Wer als Student schon die Weichen stellen möchte für eine spätere Tätigkeit als Strafverteidiger oder Staatsanwalt, dem sei empfohlen, Vorlesungen in forensischer Pathologie zu belegen. Ich habe seinerzeit 2 Semester in diesem Fach belegt. Neben der Vorlesung "Strafrecht - Besonderer Teil" bei Prof. Dr. Dr. Günther Jakobs (inzwischen em.) die, wie ich fand, spannendste Vorlesung, die die juristische Fakultät zu bieten hatte. Die erste Vorlesung zu Semesterbeginn war so gut besucht, dass kaum alle Studenten Platz fanden im Hörsaal. Die Reihen lichteten sich jedoch rasch dank eines Diavortrages des Dozenten zum Thema "Stumpfe und spitze Gewalt". Gegen Semesterende waren wir nur noch eine Handvoll Studenten, die bei einer Leichenöffnung dabeiwaren und danach gewappnet für viele denkbare Bilder und Gerüche, die im Laufe der Folgejahre auf uns zukommen würden.

Übrigens: im Gegensatz zu Staatsanwälten, die eine Art "Schmutzpauschale" für die Reinigung ihrer Kleidung bekommen wenn sie bei einer Leichenöffnung zugegen waren, bekamen wir damals kein Geld für die große Wäsche. Die Klamotten habe ich damals übrigens vollständig entsorgt, nachdem ich glaubte, den Leichengeruch auch durch Waschen nicht aus ihnen heraus zu bekommen.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Mit der gesegneten Kerze...

... ist manch Einem nicht zu helfen.

Jedem in Untersuchungshaft einsitzenden Mandanten erkläre ich, wie das funktioniert mit der Postkontrolle. Jeder Brief mit Ausnahme der Verteidigerpost wird vom Richter bzw. dem Staatsanwalt gelesen. Briefe, die sich mit dem Gegenstand des Strafverfahrens befassen ("Die Anklage stimmt nicht. In Wirklichkeit war es so und so") oder sonstwie verdächtigen Inhalt haben ("Das Geld liegt im Park, dritte Eiche hinten links.") werden als Beweismittel beschlagnahmt. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird darüber entschieden, ob es ausreichend ist, eine Kopie zur Hauptakte zu nehmen und den Brief danach an den Empfänger weiter zu leiten oder ob der Brief im Original zur Akte genommen und nicht weitergeleitet wird.

Kürzlich erreicht mich ein Beschluss einer Strafkammer, der sich mit einem halben Dutzend beschlagnahmter Briefe befasst. Inhalt: das Verfahren! Ich werde mich bei nächster Gelegenheit erkundigen, was das sollte.

Montag, 7. Dezember 2009

Aktenkenntnis schadet nicht

Das Strafverfahren gegen meinen Mandanten wegen gefährlicher Körperverletzung wurde eingestellt. Es stellte sich im Zuge der Ermittlungen heraus, dass er angegriffen worden war und seine Verteidigung gegen diesen Angriff durch Notwehr gerechtfertigt war.

Das Strafverfahren richtet sich also jetzt gegen den Angreifer und mein Mandant ist Nebenkläger.

Der Angreifer ist anwaltlich vertreten. Ich frage mich allerdings, ob sein Anwalt jemals die Strafakte gelesen hat, denn er macht für seinen Mandanten Schmerzensgeld gegenüber meinem Mandanten geltend. Sicher, das Strafverfahren ist nicht präjudiziell für den Zivilprozess, aber ich denke, dass in diesem Fall die Klage auf Seiten des Klägers nur dazu führt, dass Gebühren verdient werden.

Freitag, 4. Dezember 2009

Beschilderungsplan - Interpretationsversuche

Einem Betroffenen wird eine Geschwindigkeitsübertretung vorgeworfen. 81 km/h in der 60 km/h-Zone. Er lässt sich schon zu Beginn des Verfahrens so ein, dass er kurz hinter der "Blitze" ein Schild mit der Aufschrift 80 km/h wahrgenommen habe.

Der Messbeamte glaubt zwar, dass ca. 350 Meter vor der fraglichen Stelle ein 60 km/h-Schild gestanden habe, hat aber keine Erinnerung mehr an weitere Schilder vor bzw. hinter der Stelle, an der geblitzt wurde.

Das Gericht fordert auf meinen Antrag hin einen Beschilderungsplan an. Auf diesem sind 50 km/h-Schilder und 80 km/h-Schilder eingetragen, aber kein einziges mit 60 km/h. Dafür fehlt neben der Angabe der Bundesstraße (die über 100 km lang ist) jegliche weitere Ortsangabe. Eine vom Polizeibeamten erwähnte Bushaltestelle ist auch nicht eingetragen, dafür findet sich eine Baustelle. Interpretationsversuche, den Plan der Messstelle zuzuordnen, schlugen ebenso fehl wie die Versuche des Gerichts, den Betroffenen zur Rücknahme des Einspruchs zu bewegen.

Das Gericht wird nun im Wege der Amtsermittlung versuchen, den Beschilderungsplan, der zum Tatzeitpunkt galt, beizuziehen.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Yes he can - speaking Ishan for Runaways

Heute war es soweit: Dolmetscher Nr. 4 im Schleuserverfahren betrat den Saal. Optisch war er schonmal besser als 1 bis 3 zusammen, aber darauf kam es nicht an.
Die Vereidigung gestaltete sich schwierig, denn sein Deutsch war nicht soooo toll.
Sein Ishan dafür umso besser. Erstmals hatte ich den Eindruck, dass die Übersetzungsleistung an das heranreicht, was im Strafprozess gefordert ist.

Das Gericht hatte angesichts der Vielzahl der TKÜ, deren Anhören und Übersetzen Jahre in Anspruch nehmen würde, vorgeschlagen, zunächst mit den Telefonaten zu beginnen, auf die die Anklage ihre Vorwürfe stützt.

Interessant war, dass Dolmetscher Nr. 4 etwas Anderes übersetzte als es in den Zusammenfassungen, die die Polizei (die natürlich auch einen Dolmetscher am Start hatte, über dessen Qualität nur gemutmaßt werden kann) von den mitgeschnittenen Telefonaten angefertigt hatte, stand und auch als es Dolmetscher Nr. 3 versucht hatte, zu übersetzen.

Die Abweichungen waren zugunsten eines der Angeklagten, dem die Anklage das Einschleusen einer konkret benamten Frau vorwirft. Der angebliche Name dieser Frau taucht auch in den TKÜ-Zusammenfassungen auf. Der Dolmetscher vermochte ihn allerdings nicht auszumachen und übersetzte den vermeintlichen Namen mit einem Begriff aus der Ishansprache, der dort als Kosewort sowohl für Männlein wie auch für Weiblein verwendet werden kann.
Auch die weiteren Abweichungen zwischen wörtlich übersetzter TKÜ und den polizeilichen Zusammenfassungen waren so eklatant, dass die Tatvorwürfe mehr denn je in Frage gestellt wurden.

Die Anträge, die der Kollege und ich in der letzten Sitzung gestellt hatten und die darauf abzielten, Dolmetscher Nr. 3 auszuwechseln, waren demnach zutreffend angebracht. Durch die Bestellung von Dolmetscher Nr. 4 musste das Gericht nicht mehr über sie entscheiden, da sie sich faktisch erledigt hatten.

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Landgericht Köln: Ausgleich geistigen Mangels durch Kunst

Heute war ich beim Landgericht Köln. Zivilsache. Versäumnisurteil. Also nichts zu berichten.
Erwähnenswert allerdings eine Kunstausstellung im dortigen Treppenhaus, die so kommentiert wird:


:-)


Do you speak Ishan? Fortsetzung folgt...

... schon morgen.

Wenn ich bislang immer "Isha" geschrieben habe, war das fehlerhaft. Richtig muss es "Ishan" heissen.

Ishan ist eine von über 400 in Nigeria gesprochenen Sprachen. Hauptsächlich spricht man dort laut Wikipedia Yoruba, Haussa, Igbo und Edo.

Das Gericht hat zu dem Termin einen anderen Dolmetscher geladen. Dolmetscher Nr. 3, der beim letzten Termin zugegen war, wird uns also erspart bleiben.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Advent

Liebe Leser,

aus gegebenem Anlass mein Lieblingsgedicht zum Advent:

http://www.youtube.com/watch?v=kvtltxFEAIM

(Loriot "Adventsgedicht")

Mein Anwalt ist verhindert

Den Termin solle sie alleine wahrnehmen, ihr Anwalt sei heute verhindert, so die Beklagte heute Vormittag beim Amtsgericht W.. Sie war nicht alleine beklagt, sondern nur eine von zwei Beklagten.
Ob sie denn eine Vollmacht für die weitere Beklagte dabeihabe. Nein, habe sie nicht. Davon habe ihr ihr Anwalt nichts gesagt. Das, so der Vorsitzende, sei nicht so gut.

Der Vorsitzende nimmt meine Rüge ins Protokoll auf.
Die Beklagte regt sich darüber auf.

Im sicheren Wissen, dass sich mein Mandant seit fast einem Jahr über die Schriftsätze ihres Anwaltes aufregt, halte ich den Ärger der Beklagten für ausgleichende Gerechtigkeit.

Wie immer, wenn Parteien sich selbst vertreten, werden Argumente vorgebracht, die zurückhaltend formuliert, zur Sache wenig beitragen. Der Vorsitzende nimmt keines der Argumente ins Protokoll auf und stattdessen die Anträge. Auch hierüber ist die Beklagte nicht erfreut. Sie wolle sich vergleichen, tönt sie, und unterbreitet einen Vorschlag, der schon außergerichtlich abgelehnt worden war und nun dasselbe Schicksal erfährt. Der Tonfall der Beklagten wird heftiger, eine Zornesfalte zeigt sich auf ihrer Stirn. Die Frau ärgert sich richtig.
Der Vorsitzende bestimmt Verkündungstermin und wünscht einen schönen Tag.

Die Beklagte ist verwundert, dass DAS alles gewesen sein soll. Vielleicht kennt sie "Gericht" nur aus dem Nachmittagsprogramm. Vor diesem Hintergrund könnte ich ihre Enttäuschung sogar verstehen.

Es passiert nicht oft, dass Partein, die einen Anwalt beauftragt haben, alleine ins Rennen geschickt werden. Für die Beklagte mutmaße ich, dass sie nicht nochmal selbst einen Termin wahrnehmen möchte.

Tücken der Technik in Bayern

Gestern habe ich bei einem bayerischen Amtsgericht verteidigt.

Ich musste feststellen, dass man dort fast so gut ausgestattet ist wie ich es aus dem Osten der Republik kenne. Flachbildschirme, neue Rechner, Internetzugang. Zwar monierte der Richter augenzwinkernd, dass die ihn interessierenden Seiten gesperrt seien ("Nicht mal eine Reise kann man buchen!"), aber im Wesentlichen erfüllten die Rechner ihren Zweck.

Nachdem 5 Zeugen zu dem ersten Anklagevorwurf vernommen waren, wandte sich das Gericht dem zweiten Anklagepunkt zu, einem Diebstahl in besonders schwerem Fall, der per Video aufgezeichnet und auf eine DVD gebannt worden sein sollte. Die Akten, die ich mir im Vorfeld mehrfach angefordert hatte, enthielten zwar viel Papier, aber keine DVD.

Der Richter suchte die Akte ebenfalls erfolglos ab und liess sich dann alle Asservate kommen. Siehe da - die DVD war zu den Asservaten gelangt, kein Mensch weiß wie und warum, aber sie war da. Beherzt wurde sie ins Laufwerk des Gerichtsrechners geschoben. Dann erschienen lustige Bildchen auf dem Bildschirm, die verkündeten, dass die Datei nicht geöffnet werden könne, weil auf dem Rechner eine bestimmte Software fehle. Die konnte auf die Schnelle nicht beschafft werden. Das Verfahren wurde ausgesetzt.

Montag, 30. November 2009

Kein Anspruch auf grimmig dreinblickenden Richter

Der Kollege Vetter berichtete von einem Befangenheitsantrag gegen eine lächelnde Richterin, der folgerichtig zurück gewiesen wurde.

Mich erinnert das an einen Fall, der vor Jahren eine Strafkammer des Koblenzer Landgerichts beschäftigte. Ein Kollege hatte für seinen Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen einen Richter angebracht, weil dieser grinste während der Kollege einen Beweisantrag verlesen hatte.

Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. In der Begründung hiess es u.a., dass ein Angeklagter keinen Anspruch auf einen grimmig dreinblickenden Richter habe.

Freitag, 27. November 2009

Realkennzeichenanalyse? - Nie gehört

Missbrauchsprozess: als Zeugin wird eine Kriminalbeamtin gehört, die das Kind, das Missbrauchsvorwürfe gegen den Angeklagten erhebt, vernommen hat.

In einer Art Eindrucksvermerk hatte die Beamtin ihren Eindruck von dem Kind geschildert und festgehalten, dass dieses auf sie einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hätte. Die Glaubwürdigkeit mache sie am ganzen Verhalten des Kindes fest, eben an dem Eindruck, den dieses hinterlassen habe. Sie sei Kommissarin in einem Spezialdezernat und vernehme pro Woche im Schnitt 3 Missbrauchsopfer.

Auf die Frage, was ihr das Wort Realkennzeichenanalyse sage, lautete die Antwort "nichts".

Donnerstag, 26. November 2009

Frauenbesuch im Knast - reine Nervensache

Dies gilt zumindest für Bedienstete der JVA.

Heute Morgen. Ich stehe vor der Eingangstür der JVA, vor mir u.a. eine Dame in Kunstledermantel und Stöckelschuhen, die heftigst den Klingelschalter betätigt und mit der Hand gegen die Sicherheitsglasscheibe wummert. Die Beamtin (nicht taub!) grüßt sie freundlich durch die Gegensprechanlage und bittet sie, beim nächsten Mal nicht mehr mit ihrem Auto in den Sicherheitsbereich zu fahren, sondern direkt unterhalb desselben zu parken. Die Dame erwidert, sie habe gedacht, dass nur Lieferfahrzeuge nicht passieren dürften (Logisch, künftig werden die Lebensmittel bis vor den Sicherheitsbereicht mit dem LKW angeliefert und dann auf Sackkarren umgeladen). Dem sei nicht so, wie auch auf dem Schild (nicht zu übersehen) ersichtlich, antwortet die Beamtin ruhig. Es sei ja schon gut, sie wolle endlich rein, tönt es vor mir.

Während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Personalausweis fahndet, führt sie Selbstgespräche, von denen sie glaubt, dass nur sie sie hört. Wie man sich hier behandeln lassen müsse, woher sie das wissen solle, Unverschämtheit usw.. Zwischendurch blickt sie sich immer wieder zu mir um, wohl auf Zustimmung wartend, die nicht kommt.

Zu wem sie denn wolle? Na, zu Herrn X! (X steht hier nicht für einen Prominenten, den jeder kennt und die Dame sieht auch nicht aus wie die A bis C Promis, die ich beim letzten Friseurbesuch in den dort ausliegenden Zeitschriften gesehen habe). Die Beamtin, die nicht riechen konnte, dass es sich bei der Dame um Frau X. handelt, die ihren Gatten besuchen möchte, erklärt in aller Seelenruhe die Handhabung der Schließfächer und schiebt der Dame den Schlüssel zu. Die schiebt leise schimpfend ab Richtung Schließfach.

Als sie wiederkommt stehe ich gerade am Eincheckschalter. Ich habe weder Handtasche noch Handy dabei, muss folglich an kein Schließfach und gebe nur meinen Anwaltsausweis ab bevor sich die Tür für mich öffnet. Das empfindet die Dame nun als das Allerletzte, schließlich sei sie vor mir dagewesen. Das ist dann auch das Letzte, was ich von ihrem Selbstgespräch mithöre. Wollen wir mal hoffen, dass sie nach dem Besuch bei ihrem Mann ein wenig entspannter war. Ich würde es ihr und der Beamtin wünschen.

Trennungsdramatischer Nebenkriegsschauplatz

Eine Mandantin war ganz aufgeregt. Sie hatte eine Vorladung der Polizei erhalten. Tatvorwurf: Nachstellen (Stalking). Geschädigter: ihr Ehemann, von dem sie getrennt lebt. Anzeigeerstatter: dito. Anwaltlicher Rat: der Vorladung nicht folgen, erstmal besorgen wir uns die Akte.
Anwaltlicher Gedanke: Trennungsdrama mit strafrechtlichem Nebenkriegsschauplatz.

Als die Akte eintrudelt, wird klar, dass eine Abweichung vom Normalfall vorliegt: der Anzeigeerstatter berühmt sich, böse Briefe von seiner Gattin erhalten zu haben. Der Inhalt der Briefe lässt jedoch eher darauf schließen als stammten sie von einer männlichen Person, bei der es sich um eine seiner jetzigen Freundin nahestehende männliche Person handeln dürfte (Tenor: "Lass die Finger von meiner Frau und geh zu deiner zurück!"). Verfolgt werden will er auch, nämlich von einem silbernen Pkw. Seine Frau fährt einen blauen Pkw. Einen Schnurrbart wie der Mann im silbernen Pkw trägt sie übrigens auch nicht.

Ich bin frohen Mutes, dass die Ermittlungen gegen meine Mandantin alsbald eingestellt werden.

Mittwoch, 25. November 2009

Polizist auf Stöckelschuhen!

Köstlich, was sich die Japaner alles einfallen lassen!

Während wir in Deutschland es gerade mal geschafft haben, Polizisten von den waldgrünen Jacken, den spinatfarbenen Mützen und den schlammfarbenen Hosen, deren Schnitt aus jeder Figur das Schlimmste machte, zugunsten blauer Uniformen zu befreien, setzt man in Japan neuerdings auf männliche Spezialeinheiten in Highheels.

Ob das Modell Schule macht, bleibt abzuwarten.

Interessieren würde mich aber schon, ob die stöckelbeschuhten Polizisten in Japan eine Art "Lauftraining" (etwa durch Herrn Darnell) erhalten haben.

Kein Kommentar!

Jeder Verteidiger kennt sie, die Anfragen der Presse, und jeder geht anders damit um.

Ein Verfahren, in dem meinem Mandanten sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, wird von einem Vertreter der Presse verfolgt.
In einer Verhandlungspause fragt er mich, ob ich auch etwas sagen möchte (andere Prozessbeteiligte hatten offenbar schon Auskunft erteilt). Ich verneine. Ob ich denn später etwas sagen möchte. Erneute Verneinung.

Nächste Pause. Ob er richtig verstanden habe, dass ich auch später nichts sagen möchte.
Hat er.

Er scheint überrascht. Ich möchte kein Interview geben, ich will in keine Zeitung und ich will auch nicht ins Fernsehn. Ich will einfach nur verteidigen und davon in meinem Blog das berichten, was ich subjektiv für berichtenswert halte.

Fast hätten Sie ihn weichgekocht

So lautete meine Feststellung gegenüber einem Kriminalbeamten nach der Verkündung des Haftbefehls gegen einen von mir zum Schweigen verdonnerten Mandanten, der sichtlich mitgenommen war von der Situation.

Der Kriminale erwiderte, man kenne sich schon etwas länger und komme gut miteinander klar. Das war mir nicht entgangen. Als Verteidiger horcht man auf, wenn der Mandant von einem Beamten geduzt wird. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht um Freundschaft, sondern um Polizeiarbeit. Beschuldigte geraten bisweilen ins Plaudern, wenn man eine behagliche, verständnisschwangere Atmosphäre schafft.

Er hat seinen Job gemacht. Ich auch.

Dienstag, 24. November 2009

Glaubhaftigkeitsgutachten, eigene Sachkunde und Schöffen

Vor einigen Monaten hatte ich von einem Fall berichtet, in dem das Gericht meinem Antrag auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens stattgegeben hatte, obwohl die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift dargelegt hatte, dass und warum die erkennenden Kammer über hinreichende eigene Sachkunde zur Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugen verfüge.

Ein Kollege aus Nordrhein-Westfalen berichtet mir unlängst von einem Verfahren, in dem er verteidigt und welches ebenfalls einen sexuellen Missbrauch zum Gegenstand hat. Die dortige Kammer lehnte bislang die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ab. Begründung: eigene Sachkunde des Gerichts nach einer Vielzahl von Verfahren mit ähnlichem Tatvorwurf.
Der Kollege hat zu diesem Beschluss eine Erklärung dahingehend vorbereitet, dass die u.a. auch mit 2 Schöffen besetzte Kammer eigene Sachkunde nur in bezug auf die Berufsrichter haben könne, nachdem beide Schöffen am ersten Hauptverhandlungstag in der Sache als Schöffen vereidigt worden seien.

Montag, 23. November 2009

Kopfgrippe?

Der Zeuge sah - sagen wir mal - altersgemäß aus und er benahm sich auch so. Er war 17 und trug eine dieser Hosen, deren Bund irgendwo zwischen Kniekehle und oberem Oberschenkel endet, dazu Turnschuhe, die die Füße ein wenig klobig aussehen lassen mit Schnürsenkeln, die locker eingefädelt sind und jeden Schritt zur potentiellen Stolperfalle machen. Wahrscheinlich hob er deswegen die Füße beim Gehen auch nicht an, sondern schlurfte gleichsam mit leicht einwärts gekehrten Füßen zum Zeugentisch. Er kaute Kaugummi und seine Basecap saß mit dem Schirm nach hinten auf seinem Kopf.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen als ich ihn sah und wartete gespannt auf die Kommentare des Richters, der immer dann zur absoluten Hochform aufzulaufen pflegt, wenn hinten im Saal eine Schulklasse sitzt. Hinten saß eine Schulklasse und noch bevor der Zeuge den Tisch erreicht hatte, ging´s los:

"Haben Sie Kopfgrippe?"
"???"
"Dann nehmen Sie den Hut ab!"
(Zeuge nimmt die Basecap ab. Darunter sieht er aus wie es diese Stylingprudukte mit der Aufschrift "bedhead" anpreisen.)
"Und jetzt noch den Kaugummi raus, dann können wir loslegen."
(Zeuge schaut sich hilfesuchend nach einem Papierkorb um. Im Sitzungssaal gibt es keinen und er traut sich nicht, das Ding unter den Tisch zu kleben. Deshalb nimmt er ihn zwischen zwei Finger und knetet ihn durch.)

Die Fragen zu Name, Anschrift und Alter beantwortet er unfallfrei.

Dann: "Beruf?"
"Arbeitslos."
"Das ist kein Beruf."
"???"
"Haben Sie was gelernt?"
"Jo, in der Schule."
(Richter zieht die Augenbrauen hoch. Teile der Schulklasse glucksen vor sich hin.)
"Haben Sie mal eine Ausbildung gemacht oder angefangen?"
"Achso, jo nö."
"Was denn nun? Ja oder nein?"
"Nö."
"Das heisst "nein", nicht "nö". Gerichtssprache ist Deutsch."
"Jo." (Das Glucksen verwandelt sich in Kichern, die Gesichtsfarbe des Richters nimmt zu.)

Die Vernehmung zur Sache hat wenig Unterhaltungswert. Der Zeuge weiß so gut wie nichts mehr und auch dem Staatsanwalt gelingt es nicht, seine Erinnerung aus der Reserve zu locken.

Beim Verlassen des Raumes setzt er die Basecap wieder auf. Er hat vergessen, dass er noch den Kaugummi zwischen den Fingern hat. Der ziert nun die Basecap.

Freitag, 20. November 2009

Postbote? Ich auch nicht!

Der Kollege Melchior teilt über sein Blog mit, kein Postbote zu sein.

Der hiesigen Staatsanwaltschaft habe ich das noch nie mitteilen müssen, wohl aber dem ein oder anderen einsitzenden Mandanten auf die Frage, ob ich nicht einen an Freundin/Mutter/Ehefrau etc. gerichteten Brief "mitnehmen" könne.

Der Hinweis auf die andere Berufswahl wird in der Regel besser verstanden als langatmige Erläuterungen dazu, weshalb es auch einem Anwalt nicht erlaubt ist, Kassiber zu befördern.

Donnerstag, 19. November 2009

Spaß mit dem Gas

Es ist die Zeit der Jahresverbrauchsabrechnungen.

Vergangenes Jahr teilte mir mein Gasanbieter mit, es bestünde ein Guthaben zu meinen Gunsten (immerhin 964 €) und ich möge bitte eine Bankverbindung mitteilen, auf die das Guthaben überwiesen werden solle. Dem komme ich nach. Per Fax übrigens, so dass ich wieder mal über einen OK-Vermerk verfüge...

Gestern erhalte ich die Abrechnung für das laufende Jahr, wieder endend mit einem Guthaben, diesmal noch höher als auf der letzten Abrechnung. Diesmal will man aber keine Bankverbindung wissen, sondern teilt mit, dass man es auf die Bankverbindung (...) überweisen werde.

Ich rufe an und frage, wie sich das Guthaben errechne und ob es sein könne, dass das Guthaben aus dem vergangenen Jahr nicht überwiesen worden sei. Ja, dem sei so, antwortet die freundliche Dame vom Kundenservice. Ich hätte meine Bankverbindung nicht mitgeteilt, so dass man nicht habe überweisen können. Woher man denn diesmal meine Bankverbindung wisse, wenn ich sie angeblich nicht mitgeteilt hätte, frage ich. Schweigen. Ich kontere noch mit dem OK-Vermerk auf meinem Sendebericht, wohl wissend, dass man darüber streiten kann, ob damit auch der Eingang bewiesen wird. Am anderen Ende ruft die Dame sich den Vorgang nochmal auf und stellt fest, dass das Fax eingegangen ist. Na also. Warum man nicht überwiesen habe, wisse sie auch nicht und wie es mit Verzugszinsen aussehe, könne sie mir auch nicht sagen. Wieso mein Guthaben angesichts dieser Umstände erst Anfang Dezember überwiesen werde, entziehe sich ebenfalls ihrer Kenntnis.

Mittwoch, 18. November 2009

Sterilium vs. Schweinegrippe

Ich bin soeben zurück von einem Besuch in der JVA.

Im leichten Handgepäck hatte ich eine kleine Flasche Sterilium. Zum Händedesinfizieren, sozusagen wider die Schweinegrippe und sonstige Viren.

Einer der Mandanten, die ich besucht habe, war überrascht als ich mir die Hände desinfizierte. Er hätte seine doch heute Morgen schon gewaschen. Nein, ich habe nicht nachgefragt, wo er in der Zwischenzeit überall hingefasst hat.

Dienstag, 17. November 2009

"Kaufen Sie sich nen Fummel"

Ich mag sie, die Verhandlungstermine bei der "Blechkammer" (= Kammer beim LG, die sich mit Verkehrsunfallschäden befasst). Das Verhandlungsklima ist gut, das Gericht stets bestens vorbereitet und die Vergleichsvorschläge, die es bei auch umfangreichen Sachverhalten zur Diskussion stellt, durchweg akzeptabel.

Nach ca. einstündiger Erörterung wurde ein Vergleich gefunden und dieser protokolliert. Meine Mandantin schaute irrtiert als die Vorsitzende die Kostenregelung abdiktierte und fragte sich in diesem Moment wohl, wieviel sie davon würde zahlen müssen. Noch bevor ich dazu kam, auch nur den Mund aufzumachen um ihr zu erklären, dass mit der hinter ihr stehenden Rechtsschutzversicherung abgerechnet würde, hatte die Vorsitzende ihr das bereits erklärt und:
"Der Vergleichsbetrag ist ganz allein für Sie. Davon müssen Sie Ihrem Mann nichts abgeben, den können Sie genießen oder Sie kaufen sich nen Fummel - wie Sie wollen."

Hätte ich nicht besser erklären können.

Montag, 16. November 2009

Do you speak Isha - Teil 2

Vergangene Woche ging´s weiter im "Schleuserverfahren" mit der alten TKÜ, aber einem neuen Dolmetscher. Zur Erinnerung: Dolmetscher Nr. 1 sprach nur gebrochen Englisch, Dolmetscher Nr. 2 machte das deutlich besser, verstand aber den auf den TKÜ gesprochenen Isha-Dialekt nicht.

Dolmetscher Nr. 3 gab an, den Isha-Dialekt zu verstehen, allerdings funktionierte die Verständigung mit den Angeklagten in diesem Dialekt nicht. Ob das stimmte oder nicht, vermochte von den Prozessbeteiligten niemand sicher zu beurteilen. Was aber offenkundig war: sein Englisch war noch schlechter als das von seinem Kollegen Nr. 1.

Er radebrechte vor sich hin, übersetzte manchmal ganze Passagen von Beschlüssen nicht, übersetzte nie Wortlaut, sondern umschrieb mit einfachen Worten, was er meinte, in den ihm überlassenen Schriftstücken gelesen zu haben. Hinzu kam, dass er ständig aufgefordert werden musste, überhaupt zu übersetzen. Schwer zu ertragen. Hinzu kam noch, dass man als Verteidiger, so man wollte, dass der eigene Mandant versteht, was gesprochen wird, zwischendrin immer mal für diesen auf Englisch übersetzen musste, was ja Aufgabe des Dolmetschers gewesen wäre, aber... zumindest ist mit bei der Gelegenheit aufgefallen, dass mein Englisch bei weitem nicht mehr so ist wie seinerzeit als ich noch zur Schule ging und wie "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz", "Befangenheitsantrag" oder "Durchsuchungsbeschluss" auf Englisch heisst, habe ich mangels Wörterbuch in der Sitzung nicht nachschlagen können.

Mein Kollege und ich stellten in der Folge Anträge mit dem Ziel, dem Treiben des Dolmetschers ein Ende zu machen. Das Gericht lehnte zwei dieser Anträge ab, die Entscheidung über einen dritten Antrag steht noch aus.

Nachdem es die beiden ersten Anträge, u.a. einen Befangenheitsantrag der Angeklagten gegen den Dolmetscher ablehnt hatte, beantragte ich eine erneute Unterbrechung.

"Wie lange?", wollte der Vorsitzende wissen.
"10 Minuten."
"Und wie lange soll die Unterbrechung danach sein?"

(Untechnische Erklärung für Nichtjuristen: wenn ein Verteidiger erwägt, mit seinem Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu besprechen, beantragt er eine Unterbrechung, in der er mit dem Mandanten erörtert, ob dieser das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen will oder nicht. Dann wird wieder in die Hauptverhandlung eingetreten, aber auch nur zur Beantragung einer weiteren Frist um den Antrag auszuarbeiten. Hier dachte der Vorsitzende wohl, wir wollten einen Befangenheitsantrag mit unseren Mandanten erörtern.)

Wir haben keinen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt. Die Zitronen hierfür hängen zu hoch, als dass das wirklich Sinn gemacht hätte und außerdem: das Verhandlungsklima ist trotz gegensätzlicher Auffassungen über die Dolmetscherfrage gut.

Damit hatte es für diesen Prozesstag sein Bewenden. Eine Entscheidung über diesen Antrag wird das Gericht im nächsten Termin verkünden.

Freitag, 13. November 2009

Gericht verschlampt Fax und weist auf Verjährung hin

Ich weiß es noch als sei es gestern gewesen: Am 31.12.08 war es die letzte "Amtshandlung" meiner Sekretärin, eine Klage zu einem Amtsgericht in Hessen zu faxen um die Verjährung des Anspruchs durch Anhängigkeit zu unterbrechen. Gesagt, getan, rasch noch den Sendebericht kontrolliert und fertig. Das Original der Klage nebst Anlagen schickte sie im neuen Jahr hinterher.

Im weiteren Verlauf erwiderte die Beklagtenseite auf die Klage, ich replizierte und dann - erreicht mich ein Schreiben des Gerichts: ein Fax in dieser Sache am 31.12.08 sei nicht eingegangen, die Klage selbst sei im Original im neuen Jahr eingegangen und damit sei der Anspruch verjährt. Ich möge mitteilen, ob die Klage zurückgenommen werde.

Statt die Klage zurückzunehmen übersende ich den Faxbericht und das Faxjournal. Das, so das Gericht, beweise jedoch nur, dass ich ein Schreiben weggefaxt hätte, nicht aber, dass dieses Schreiben auch eingegangen sei. Problem bei der Sache: der Kläger muss den Eingang des Faxes bei Gericht beweisen und nicht bloß dessen Versendung. So steht es auch im Kommentar. Sicher, es gibt hiervon abweichende Meinungen, aber die sind leider rar.

Mir kommt die Idee, bei Gericht nachzufragen, ob man dort noch das Faxjournal vom 31.12.08 archiviert habe. Die Dame von der Geschäftsstelle ist so nett, sich der Sache anzunehmen und eine halbe Stunde später bekomme ich ein Fax: es ist das Faxjournal des Gerichts, aus dem hervorgeht, dass am 31.12.08 ein Fax meiner Kanzlei bei Gericht eingegangen ist. Na also. Damit dürfte auch der Zugang bewiesen sein und ich atme auf.

Wie auch immer mein Fax bei dem Gericht verschütt gegangen ist - das Faxjournal hat man aufgehoben und ich habe dafür gesorgt, dass eine Kopie hiervon zur Akte gelangt ist. Natürlich per Fax.

Demnächst ist Verhandlungstermin in der Sache. Ich werde mir -egal wie das Gericht über die Frage der Verjährung entscheidet- erlauben, mich dann nochmal bei der Dame von der Geschäftsstelle zu bedanken, ohne deren Hilfe ich meine Versicherung hätte anrufen können.

Donnerstag, 12. November 2009

Sie sind ja nüchtern!

Gestern begann im ansonsten eher beschaulichen Rheinland die fünfte Jahreszeit - der Karneval. Vielerorten fanden Sitzungen (so heisst das nicht nur bei Gericht, wenn man sich trifft, sondern auch im Karneval) statt, bei denen mehr oder minder sinnfreie Vorträge zum Besten gegeben, Liedchen geträllert und x-fach "helau" gebrüllt wurde. Soweit, so gut und wer´s mag - bitteschön.

Ich persönlich mag Karneval nicht und gäbe es eine Abstimmung, ob man ihn abschaffen sollte, würde ich dafür votieren. Doch die rotnasige Jahreszeit hat auch ihr Gutes: bislang zwei neue Strafsachen aus dem Bereich Straßenverkehr, Untergruppe Trunkenheitsdelikt. Einer der Mandanten bemerkte erleichtert, er sei froh, mich zu erreichen und nüchtern sei ich scheinbar auch. Ob ich denn nicht bei einer Sitzung gewesen sei. Nein, war ich nicht.

Auch Anwälte, die Karneval nicht mögen, haben ihre guten Seiten: sie sind auch am Tag nach einem karnevalistischen Großereignis nüchtern - q.e.d.

Mittwoch, 11. November 2009

Enke - Pressekonferenz

http://www.n-tv.de/mediathek/videos/sport/Pressekonferenz-in-Hannover-article585501.html

Ich weiß nicht, was die Motivation hierfür war. Vielleicht will man durch die "Flucht nach vorne" Spekulationen Einhalt gebieten. Die allerdings recht detaillierte Offenbarung der Krankengeschichte wirkt auf mich befremdlich.

Gedanken zur fünften Jahreszeit auf Hessisch

Es ist soweit. Bevor ich mich gleich auf den Weg mache zu einem Gerichtstermin noch schnell eine Büttenrede auf Hessisch, die ich hier gefunden habe:

(Narhalla-Marsch)
"Alaaf und Helau! - Seid ihr bereit?
Willkommen zur Beklopptenzeit!
Mer kenne des aus Akte X, doch Mulder rufe hilft da nix,
des kommt durch Strahle aus dem All,
und plötzlisch ist dann Karneval!
(Tusch)

Uff einen Schlach werd'n alle dämlisch,
denn das befiehlt das Datum nämlisch!
Es ist die Zeit der tollen Tage,
so eine Art Idiotenplage,
eine Verschwörung, blöd zu werden,
die jährlich um sich greift auf Erden.
Ei' wahre Ausgeburt der Hölle,
und Ausgangspunkt davon ist Kölle!
(Tusch)

Denn dort gibt's nisch nur RTL,
das Fernseh-Einheitsbrei-Kartell,
sondern aach jede Menge Jecken,
die sisch auf Nasen Pappe stecken,
in Teufelssekten sich gruppieren
danach zum Elferrat formieren
und dann muss selbst das dööfste Schwein
dort auf Kommando fröhlisch sein.
(Tusch)

Auf einmal tun in allen Ländern
die Leude sisch ganz schlimm verändern
Sie geh'n sisch hemmungslos besaufe
und fremde Mensche Freibier kaufe
schmeiße sisch Bonbons an die Schädel,
betatsche Jungens und aach Mädel
und tun eim jede, den sie sehen,
ganz fuschtbar uff de Eier gehen!
Sie tun nur noch in Reime spreche
und sind so witzisch, man könnt' breche,
bewege sisch in Polonäsen,
als trügen sie Gehirnprothesen,
man möschte ihnen - im Vertrauen -
am liebsten in die Fresse hauen!
(Tusch und Konfetti-Kanone)

Doch was soll man dagege mache?
Soll man vielleicht noch drüber lache?
Es hilft kein Schreie und kein Schimpfe,
man kann sisch nich mal gegen impfe,
die Macht der Doofen ist zu staak,
als dass man sisch zu wehr'n vermag!
(kein Tusch)

Am besten ist, man bleibt zu Haus
und sperrt den Wahnsinn aanfach aus.
Man schließt sich ein paar Tage ein
und lässt die Blöden blöde sein!
Der Trick ist, dass man sich verpisst
bis widder Aschermittwoch ist!
Und steht ein Zombie vor der Tür,
mit so 'nem Pappnasengeschwür,
und sagt statt "Hallo" nur "Helau",
dann dreh sie um, die dumme Sau,
und tritt ihr kräftisch in den Arsch
und ruf dabei: Narrhalla-Marsch!"
(Tusch, Narhalla-Marsch mit schnellem Weglaufen)

Dienstag, 10. November 2009

Richterliche Milde und eine enttäuschte Schulklasse

Die richterliche Milde durfte heute Morgen meine Mandantin erfahren. Laut Anklage soll sie jahrelang mit einem Mann zusammengelebt, ohne dies den Behörden, die für die Zahlung von Wohngeld etc. verantwortlich waren, mitgeteilt zu haben. Ein recht klassischer Fall von Leistungsbetrug also. Eine einschlägige Vorstrafe brachte sie mit.

Im Rahmen einer Verständigung wurde meiner Mandantin für den Fall der geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von maximal 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, in Aussicht gestellt. Die Anklage wurde auf einen Tatzeitraum von einigen Monaten begrenzt und der Sachbearbeiter der ARGE musste nur noch kurz als Zeuge gehört werden.

Die Verurteilung zu 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, mit der Auflage, den der ARGE entstandenen Schaden in monatlichen Raten à 100 Euro zurückzuzahlen, stellte ein durchaus mildes Urteil dar.

Im Sitzungssaal befand sich übrigens eine Schulklasse. Schüler, die "Gericht" nur aus dem nachmittäglichen TV-Programm kennen, schauen üblicherweise ganz enttäuscht drein, wenn sich die Prozessbeteiligten nicht anschnauzen, keine Überraschungszeugen auftauchen und der Angeklagte auch nicht aussieht als komme er gerade aus einem Szenelokal. Das war hier nicht anders. Meine Mandantin war hingegen positiv überrascht davon, dass es nicht zuging wie bei Fernsehrichters.

Montag, 9. November 2009

In eigener Sache: Vortrag im Arbeitsrecht

Da behaupte noch einer, Strafverteidiger seien Fachidioten oder - freundlicher ausgedrückt - einseitig begabt. Stimmt alles nicht.

Morgen ab 14 Uhr halte ich im BIZ in Bad Kreuznach einen Vortrag zum Thema: Arbeitsrecht von A bis Z - was Frau wissen sollte.

Hintergrund: Ich habe den Vortragstermin sozusagen von einer Kollegin, mit der ich mal einige Zeit zusammengearbeitet habe, "geerbt". Erfreulicherweise konnte ich dieses Erbe rechtzeitig genug antreten um mich in die Materie einzuarbeiten.

Das Einzige, was mich grübeln lässt, ist die Ankündigung des Veranstalters, dass für Kinder ab 3 Jahren eine Betreuung zur Verfügung steht. Nur: was mit denen unter 3 Jahren?

Ich muss an einen früheren Ausbilder denken, der zu sagen pflegte: "Strafverteidiger bleiben cool, auch wenn´s heiss wird."

In diesem Sinne: Kinder, ich komme.

Sonntag, 8. November 2009

Fleischbeschau

Die wird es sicherlich heute werden. Wer schon immer mal wissen wollte, was ich mache, wenn ich nicht verteidige oder im Büro sitze und blogge: in Rheinbach bei Bonn findet heute die NAC Internationale Westdeutsche Meisterschaft im Bodybuilding statt.

Der Eintritt ist erfreulicherweise auch Leuten gestattet, die mindestens doppelt so viel Körperfett haben wie fünf von den Jungs und Mädels, die dort auf der Bühne stehen. Ich darf also auch rein.

Astrid, Olli und Remi - ich drück euch die Daumen!!

Samstag, 7. November 2009

Halloween und die Nachwirkungen

Ausgerutscht sei die 8-jährige, so ihr Anwalt in einem wütenden Schreiben an meine Mandantin, Frau A.. Im Treppenhaus vor deren Wohnung. Dort habe nämlich Toilettenpapier gelegen. Zugegeben, Toilettenpapier gehört für gewöhnlich nicht ins Treppenhaus, aber es trug sich zu am 31.10.. Bevor die kürbisgesichtigte Halloweenwelle von USA zu uns überschwappte war der 31.10. schlicht der Reformationstag. Heute, wette ich, kennt nicht mal ein Drittel der an diesem Tag u.a. mit Klorollen bewaffneten Kinder, die Bedeutung des Reformationstages, aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zum ausgerutschten Kind, für dessen Prellungen meine Mandantin als Hauseigentümerin haften soll: die habe dafür Sorge tragen müssen, dass in ihrem Hausflur kein Klopapier herumliege und da sie das nicht getan habe, soll sie nun zahlen. Das Kind war übrigens selbst in Süßes-oder-Saures-Halloween-Mission unterwegs.

Wir warten nun ab, ob das Ganze in eine Klage mündet und schütteln bis dahin einfach nur den Kopf.

Ich persönlich warte übrigens noch darauf, eine Anzeige wegen Körperverletzung und/oder Beleidigung zu kassieren. Nach dem 5. Klingeln am 31.10. (die Süßigkeitenvorräte waren schon nach dem 2. Klingeln vollständig aufgebraucht, es war kurz nach 21 Uhr), fanden es ein paar Halloweenscherzkekse besonders originell, die Klingel einzuklemmen, was mich dazu veranlasst hatte, dem Treiben stimmgewaltig ein Ende zu machen. Das Süße war aus, ich dafür aber stinksauer.

Freitag, 6. November 2009

Das teure Prinzip

Es gehe ihm auch ums Prinzip, verkündete Herr X. eingangs der Besprechung. Sein Nachbar habe ihm den "Stinkefinger" gezeigt.

In Anbetracht des derart kapitalen Vorwurfes und eingedenk nachmittäglicher Gerichtssendungen, in denen man mit derlei Delinquenten stets kurzen Prozess mache, wolle er hiergegen mit aller juristischen Härte vorgehen.

Sicher, die Beleidigung gehört zu den nebenklagefähigen Delikten. Doch vor die Nebenklage hat der Gesetzgeber nun mal die Anklage gestellt und die Wahrscheinlichkeit, dass wegen des Effenberg´schen Fingerzeigs ein Staatsanwalt Anklage erhebt, tendiert gegen Null.

Sicher, man kann vor dem Zivilgericht auch auf Unterlassung klagen, damit sich solche Frechheiten nicht wieder passiert, aber die Gerichts- und Anwaltskosten, die eine solche Klage verursacht, muss man als Kläger erstmal vorschiessen so man nicht rechtsschutzversichert ist.

Und sicher, ganz günstig wird die Sache nicht, wenn möglicherweise beim Gegner nichts zu holen ist, aber ob dem so ist, weiß man immer erst hinterher.

Gar nicht mehr so sicher, ob er die Sache denn tatsächlich durchziehen möhte, war sich Herr X. am Ende der Besprechung.

Donnerstag, 5. November 2009

Das Picknick im Auto - Teil 3

Ich hatte schon mehrfach über das Picknick im Auto berichtet.

Nachdem der Gutachter auch in seinem Ergänzungsgutachten klare Worte gefunden hat war ich eigentlich davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Klage aus Gründen der Schadensbegrenzung zurück nimmt.

Nichts Dergleichen ist geschehen. Im Gegenteil: der Kollege, der die Klägerin vertritt, hat einen wutschnaubenden Schriftsatz an das Zivilgericht verfasst, in dem er auch sein eigenes Unverständnis (und nicht nur das seiner Partei) darüber zum Ausdruck bringt, dass seine Partei darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen ist, auf die sie ihren Anspruch stützt. Das ist zwar ein ganz alter Hut und man lernt das in der ersten Vorlesng über Zivilprozessrecht, aber offensichtlich hat sich das noch nicht überall herumgesprochen. Anstatt aber mal konkret darzulegen, wie die Colaflasche angeblich geflogen sein soll um die Beschädigungen an der Windschutzscheibe, dem Wageninneren und der Kleidung der Klägerin zu verursachen, wirft er meiner Partei "destruktive Prozessführung" vor: wir würden ja immer nur bestreiten.

Das ist zutreffend. In der zweiten Vorlesung über Zivilprozessrecht lernt man, dass sich das Maß des Bestreitens nach dem Maß des klägerischen Vortrags richtet. Nichts Anderes machen wir und warten im Übrigen gespannt darauf, ob sich die Klägerin nun, da es auf das Ende des Prozesses zugeht, auf eine der bislang vorgetragenen Versionen festlegt. Mit diesem Vortrag wäre sie zwar präkludiert (3. Vorlesung ZPO), aber das macht angesichts des Ergebnisses des Gutachtens nun wirklich nichts mehr aus.

Dienstag, 3. November 2009

Der unerreichbare Kollege

Zu gerne würde ich der Aufforderung des in Spanien ansässigen Kollegen ja nachkommen und ihm eine Stellungnahme zu seinem Schreiben, das er an meinen Mandanten gerichtet hat, schicken.

Problem: er hat ausweislich seines Briefkopfes kein Fax, unter der angegebenen Telefonnummer verkündet eine Dame in spanischer Sprache, der Anschluss sei nicht erreichbar, Post kommt zurück und auf Emails antwortet er nicht. Keine Homepage, kein Weblog, nicht mal die Suchmaschine findet ihn.

Ob er tatsächlich existiert? Zumindest hat er für seine Partei eine Klage bei einem deutschen Gericht eingereicht. Wie er wohl mit dem Gericht und seinen Mandanten korrespondiert?

Montag, 2. November 2009

Zeugenvernehmung - 21 Uhr

Die Woche beginnt mit dem Anruf eines erstaunten Mandanten, der wissen möchte, ob er einer Ladung der Polizei zur Zeugenvernehmung folgen muss.

Ich kläre ihn auf. Nein, er muss nicht zur Polizei, auch nicht als Zeuge. Allerdings muss er damit rechnen, von der Staatsanwaltschaft geladen zu werden und dort muss er dann hin.

Der Mandant ist erfreut. Es sei nicht so, dass er nicht mitwirken wolle bei der Aufklärung von Straftaten (hier: Verkehrsunfall mit verletzter Person), aber abends um 21 Uhr ziehe er sein Sofa dem Polizeirevier vor. Ich hake nach: 21 Uhr? Ja, und er habe nachgefragt, es sei kein Tippfehler. Er faxt mir zum Beweis die Ladung. Ich kann ihn gut verstehen und versichere ihm, dass Staatsanwälte zwar oftmals auch bis nach 16 Uhr arbeiten, aber Zeugenvernehmungen um 21 Uhr äusserst selten sind.

Samstag, 31. Oktober 2009

Dann sind eben beide schuld!

Verkehrsunfallanzeigen sind manchmal ein wahre Fundgrube für Anekdoten.
Herr A war mit seinem Pkw rückwärts aus seiner Grundstückseinfahrt gefahren, auf der Straße fuhr Herr B. Herr A fuhr gegen den Pkw des Herrn B.

Die Polizisten vor Ort taten ihre Pflicht und befragten beide Unfallbeteiligte. Die schoben sich wechselseitig die Schuld zu. Herr B meinte, Herr A hätte - wenn er denn schon hinten keine Augen habe - sich von einem Dritten aus der Einfahrt herauswinken lassen müssen und Herr A war der Meinung, dass Herr B ihn schließlich hätte weiträumig umfahren können.

Der Abschlussvermerk des vermutlich genervten Polizeibeamten hat ein bisschen was von Kindergarten, Kuchenförmchen und Kabbelei: "Da kein Unfallbeteiligter eine Schuld einsah, wurde aus diesem Grund beiden Beteiligten ein Vorwurf gemacht."

Ätschibätschi.

Freitag, 30. Oktober 2009

Die übliche Beiordnung akzeptiere ich nicht

Ein Mandant, den ich seit Jahren vertrete, wurde von einem Richter angeschrieben, dass beabsichtigt sei, ihm einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Im Regelfall werde dafür ein ortsansässiger Anwalt ausgewählt. Falls er einen bestimmten Anwalt beigeordnet bekommen wolle, erhalte er Gelegenheit zur Stellungnahme, wobei ein auswärtiger Anwalt in der Regel nur beigeordnet werde, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe.

Einmal unabhängig davon, dass es das Recht eines jeden Beschuldigten ist, seinen Verteidiger frei zu wählen, muss sich ein Gericht schon ein wenig mehr einfallen lassen, wenn es darum geht, den Wunsch eines Angeschuldigten auf Beiordnung eines bestimmten Verteidigers ablehnen zu wollen als dessen "Auswärtigkeit".

Mein Mandant schrieb dem Gericht, er werde die sonst übliche Beiordnung von Rechtsanwalt X. auf keinen Fall akzeptieren. Vielmehr bestehe er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhälnisses auf meiner Beiordnung. Dass ich nicht zu den ortsansässigen Anwälten gehöre, könne keine Rolle spielen.

Das Gericht ist dem nachgekommen. Rechtsanwalt X. eilt übrigens der Ruf voraus, dass er seit Jahrzehnten Plädoyers hält, die einander so sehr gleichen sollen, dass die Gerichtswachtmeister den Text schon auswendig wüssten.

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Wasserschaden - Anwalts Liebling

Den Kollegen Seidlitz hat´s also auch erwischt wie die Kollegen vom Markenserviceblog zu berichten wissen, denen Ähnliches widerfahren ist.

Für alle Neubetroffenen hier mal ein Roundup des Wasserschadens in meiner Kanzlei:

Es ist noch kein halbes Jahr her seit das vom Wasserschaden betroffene Sekretariat ins Wartezimmer evakuiert wurde, weil Trocknungsgeräte aufgestellt wurden, deren liebliche Geräusche fortan für viele Wochen unsere Arbeit versüßten. Unterbrochen wurde das dumpfe Dröhnen nur von dem schweren Gerät, mit dem zwischendurch mal der Putz von der Wand geschlagen wurde, nachdem man festgestellt hatte, dass die Wand wohl doch nicht nur oberflächlich feucht ist.

Während also vorwiegend die Trocknungsgeräte vor sich hinbrummten, mussten natürlich die Fenster im betroffenen Raum geschlossen bleiben, da - so der kundige Mann vom Trocknungsdienst - ein besonderes Raumklima aufgebaut werden musste, damit es mit der Trocknung rasch voranschreitet. Das besondere Raumklima roch bedauerlicherweise nicht nach Veilchen, sondern eher nach nassen Socken, die wochenlang in der Waschmaschine gelegen haben.

Vor ungefähr 6 Wochen wurden die Trocknungeräte abgebaut mit dem Bemerken, die Wand sei nun trocken. Dem Geruch nach war sie es nicht, dem Ansehen nach auch nicht, aber ich bin ja kein Fachmann. Der Verputzertrupp rückte an und auch gleich wieder ab, weil - meine Verwunderung hielt sich in Grenzen - die Wand noch immer nass war.

Folglich rückten wieder die Herren vom Trockenlegungskommando an und erneut brummte es einige Wochen dumpf vor sich hin. Zum Klima vergleiche oben.

Jetzt ist seit 2 Wochen Ruhe eingekehrt. Die Wand ist angeblich wieder trocken und wartet darauf, verputzt zu werden. Danach muss der gesamte Raum nur noch abtapeziert, neu tapeziert und gestrichen werden, damit das Sekretariat wieder umziehen kann.

Nach positiven Prognosen ist es noch in diesem Jahr so weit.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Das Amtsgericht Koblenz und der Herr Melitta

Ich hatte schon über sie berichtet, die manchmal schwer verständlichen Schreiben von Mandanten, die manchmal mehrfach lesen muss um sie zu verstehen.

Beim Durchblättern einer Akte stelle ich gerade fest, dass das Amtsgericht Koblenz, das sich in der Karmeliterstraße 14 befindet, auch dann postalisch erreicht werden kann, wenn man Briefe an die "Karl Melitta Str. 44" richtet.

Ähnlich dem weißen Neger Wumbaba handelt es sich wohl auch beim Herrn Melitta um ein Hörversehen. Kaffeefilter kennt schließlich jeder, aber bei Ordensbrüdern wird´s schon mal eng.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Do you speak Isha?

Also ich spreche ihn nicht, den nigerianischen Dialekt Isha.
Mein Mandant, angeklagt im Schleuserverfahren beim Schöffengericht Koblenz, soll Isha sprechen, ebenso der Mitangeklagte.

Nachdem im ersten Anlauf des Verfahrens schon ein Dolmetscher, der sich berühmte, der englischen Sprache mächtig zu sein, nicht Wort gehalten und folglich ausgetauscht worden war, ward für den zweiten Versuch ein Dolmetscher geladen worden, der angeblich auch in der Lage sein sollte, bei der Übersetzung der TKÜ zu helfen.

Hierzu war ein Herr von der Kripo mit schwerem Gerät (Computer mit Windows 3.11 - jaja, das Ermittlungsverfahren ist schon etwas älter) angereist, der die Telefonate vorspielen sollte. Es dauerte kaum 5 Minuten, da war das erste Telefonat schon gefunden und wurde gestartet. Soviel kann ich sagen: es unterhielten sich zwei Personen, die der Stimmlage nach Männer waren. Was sie sagten, konnte niemand sagen, auch nicht der Dolmetscher.

Der verstand nämlich die Sprache nicht, in der sich die Personen unterhielten. Zumindest konnte er sagen, dass es sich um Isha handelt, eine der ungefähr 450 Sprachen, die man in Nigeria spricht. Freilich gibt es von jeder der 450 Sprachen noch Untergruppen, den deutschen Dialekten ähnlich. Ich bin zuversichtlich, dass sich in den kommenden Monaten und Jahren ein Dolmetscher findet, der nicht nur Isha versteht, sondern auch den Isha-Dialekt, der auf den Bändern zu hören sein soll.

Montag, 26. Oktober 2009

Verhüten Sie?

Es ist schon erstaunlich, welche Fragen sich manch ein Mieter von der Ehefrau seines Vermieters bieten lassen muss. Die hatte nämlich mitbekommen, dass der Mieter Damenbesuch hatte und im Anschluss daran interessierte sie offenbar brennend, ob Nachwuchs geplant sei.
Angesichts der Tatsache, dass die Dame sogar den Müll der Mieter kontrolliert, wundert diese Frage allerdings wenig. Noch weniger, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sie keine Hemmungen hat, sich in der Wohnung des Mieters umzusehen wenn dieser nicht da ist.

Was das Ganze mit Strafrecht zu tun hat?
Ganz einfach: dem duldsamen Mieter reisst langsam der Geduldsfaden und ich bin beauftragt, das Verhalten der Ehefrau des Vermieters auf seine strafrechtliche Relevanz hin zu überprüfen.

Es gibt Dinge vor denen man sich qua Verhütung schützen kann und es gibt Dinge, vor denen man sich hüten sollte. Kontrollierende Vermieterehefrauen gehören dazu.

Sonntag, 25. Oktober 2009

Nein, ich habe keine P.......karte

Ungefähr genauso nervig wie die Vorlage von Terminsladungen zum Nachweis einer Terminskollision ist der Einkauf in der Drogerie. Nicht, dass es nicht schön wäre, Lippenstifte auszusuchen und an Duschgels zu schnuppern, aber die unabwendbare Frage an der Kasse, ob ich eine P.......karte besitze, macht das Vergnügen schnell vergessen.

Nein, ich habe keine P.......karte und ich will auch keine.
Nein, ich sammle keine Punkte, weder in der Drogerie noch an der Tankstelle und auch nicht im Baumarkt.
Nein, ich möchte nicht, dass irgendeine Gesellschaft mein Einkaufsverhalten registriert.

Ja, ich bin für Datenschutz und frage mich jedesmal, wie blauäugig man sein kann, Punkte zu sammeln, damit man irgendwann mal eine beschichtete Bratpfanne für 50 Cent günstiger erwerben kann, die man im Zweifel sowieso nicht gebraucht hätte.

Samstag, 24. Oktober 2009

Tatsächliche Verdunkelungsgefahr

Kürzlich beim Haftrichter. Es geht um Körperverletzungsdelikte, der Mandant wird in Handschellen vorgeführt. Er nimmt neben mir Platz. An der Türseite des Raumes (genannt die "Verfolgerseite") stehen einige Stühle. Auf ihnen sitzen der Staatsanwalt und zwei Polizeibeamte, die die Tür sichern.

Der Mandant wird abgeschnallt, der Termin beginnt. Gegen Ende stellt der Staatsanwalt keinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls und der Richter diktiert der Protokollführerin: "Staatsanwalt A. stellt keinen Antrag. Haftgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht keine Fluchtgefahr und auch keine Verdunkelungsgefahr". Der Richter hat das Wort "Verdunkelungsgefahr" noch nicht ganz ausgesprochen und - wir sitzen alle Mann im Dunkeln. Einer der Polizeibeamten war versehentlich mit dem Rücken gegen den Lichtschalter gekommen.
Damit hatte die Gefahr der tatsächlichen Verdunkelung zumindest für einen Moment bestanden.

Freitag, 23. Oktober 2009

Der Ausflug ins Familienrecht - Kollege im Zeittunnel

Ein Mandant schickt mir zwei ihm zugestellte Schriftstücke zu mit der Bitte, mich der Sache anzunehmen. Eines trägt die Überschrift: "Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe" ein anderes "Klage". Es geht um Unterhalt und damit um Familienrecht.

Das neue Familienrecht ist seit dem 01.09.2009 in Kraft und hat auch zu Änderungen in den Begrifflichkeiten geführt. Hat ein Mandant nicht genügend Geld, beantragt man seit 01.09.2009 Verfahrenskostenhilfe (vorher: Prozesskostenhilfe); Kläger gibts auch nicht mehr, die heissen jetzt Antragsteller.

Wie der Kollege heisst, der diese Begriffe noch nicht kennt, verrate ich nicht. Was ich aber verrate, ist, dass er immerhin den Titel "Fachanwalt für Familienrecht" führt. Alle Achtung.

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Wartezone für Überraschungszeugen

So weist man auf sie hin, die Wartezone für Überraschungszeugen, jedenfalls in Koblenz:

Es sind schon drollige Gestalten, die man nachmittäglich im TV bewundern kann, wenn Schwur-, Straf-, und Familiengerichte mal wieder verhandeln.
Mir sind bislang als Zeugen nur Damen wie die im Bild ganz rechts begegnet, was zum Teil aber auch drollig war.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Der stimmlose Mediator

Ein Mediator berichtet in seinem Blog über Stimmprobleme und weist darauf hin, dass Mediation ohne Stimme nur schwer machbar sei.

Recht hat er. Ich selbst habe vor vielen Jahren eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht und kann mich noch gut daran erinnern, dass egal welches Rollenspiel unsere Gruppe gerade absolvieren durfte, alles immer sehr wortreich ablief, was mir persönlich bisweilen ziemlich auf den Zeiger ging.

Vielleicht eröffnen sich dem Kollegen Mediator völlig neue Welten, wie etwa die der "stillen" Mediation beispielsweise durch Beschriften von Kärtchen. Das hätte zwar den Nachteil, dass die Verfahren etwas länger dauern, aber möglicherweise auch den Vorteil, dass manche Parteien, die dazu neigen, alles zu zerreden, hierdurch aufs Wesentliche diszipliniert würden.

Daddies Girl

Manchmal ist schon die Vernehmung zur Person eines Zeugen sehr aufschlussreich.

Richter: "Welchen Familienstand haben Sie?"
Zeugin: "Ledig."
Richter: "Was machen Sie beruflich?"
Zeugin: "Ich ... äääh ... nix."
Richter: "Haben Sie einen Beruf erlernt?"
Zeugin: "Nö."
Richter: "Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?"
Zeugin: "Mein Vater zahlt das."
Na denn. Mit grade mal 26 muss man ja nun wirklich nichts überstürzen und solange Papi zahlt...

Dienstag, 20. Oktober 2009

Vielen Dank...

... für die Blumen!
Eine liebe Mandantin hat meine Orchideensammlung bereichert.

Terminsabstimmung im Allgäu

Der Richter aus dem Allgäu kam meiner Mitarbeiterin zuvor. Er rief an um mitzuteilen, dass der für morgen angesetzte Termin im Allgäu aufgehoben wird. Bei gleicher Gelegenheit hat er telefonisch einen Termin mit mir abgestimmt und - sogar einen auf einen Montag bestimmt, so dass ich Sonntag schon anreisen kann.

Anders als dieser Richter wollte er keinen Nachweis sehen um sich davon zu überzeugen, dass ich morgen tatsächlich schon einen anderen Termin habe. Dieser Richter beim Amtsgericht N. hat übrigens vergangene Woche wieder die Ladung eines Kollisionstermins sehen wollen und natürlich auch bekommen. Leider sind bislang sämtliche Versuche, ihn telefonisch zu erreichen, gescheitert. Sicher gibt es triftige Gründe, weshalb das so ist. Ich habe ihm daher schriftlich sämtliche Tage, an denen er Sitzung und ich noch keinen Termin habe, mitgeteilt in der Hoffnung, dass es hilft - mir und ihm. Es kann doch nicht angenehm sein, wenn man stetig Misstrauen hegt.

Auf Verdacht ins Allgäu?

Morgen steht ein Hauptverhandlungstermin im Allgäu an, dessen Aufhebung wegen einer Terminskollision ich unmittelbar nach Erhalt der Ladung beantragt hatte. Das ist nun fast 2 Wochen her und seither bin ich ohne Nachricht. Ein Anruf bei der Geschäftsstelle führte leider nicht zum gewünschten Ergebnis. Der Beamte war zwar sehr freundlich, aber er hatte weder die Akte vorliegen noch konnte er den Richter erreichen.

Vielleicht hat meine Mitarbeiterin heute mehr Glück, damit ich meinem Mandanten nicht raten muss, auf Verdacht hin ohne mich ins Allgäu zu reisen, damit ihm zumindest ein Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO erspart bleibt.

Montag, 19. Oktober 2009

Polizei Koblenz - voll korrekt

Wenn man als Verteidiger in der Nacht bei Polizeiinspektionen anruft, weil man wissen möchte, ob der Mandant, dessen Familie behauptet, er sei soeben festgenommen worden, tatsächlich im Polizeigewahrsam ist, kann es schon mal passieren, dass man nach einigem Hin und Her mit mürrischer Stimme die gewünschte Information bekommt. Dabei kann man doch nichts dafür, dass es Nachtdienste gibt und außerdem sollte es doch tröstlich sein, dass Strafverteidiger auch schon mal Nachtschicht haben.

In Koblenz ist das anders. Nach kurzem Check, ob ich wirklich ich bin, wurde mir gar nicht mürrisch, sondern sehr freundlich von einem Beamten weiter geholfen. Genauso freundlich war auch sein Kollege, der mich einige Stunden später (unaufgefordert!) anrief um mich über den Zeitpunkt der Vorführung beim Haftrichter zu informieren.

Mein Mandant wusste Ähnliches zu berichten. Die Beamten seien "voll korrekt" gewesen.

So! Das musste mal gesagt werden.

Freitag, 16. Oktober 2009

Das Picknick im Auto - Teil 2

Ich hatte vor Monaten berichtet über ein Picknick in einem Auto, bei dem u.a. eine Colaflasche so ungünstig geflogen sein soll, dass sie nicht nur die Windschutzscheibe, sondern auch die Kleidung der Beifahrerin nahezu vollständig zerstört hat.

Das vom Gericht eingeholte Gutachten zur Frage des Flugs der Colaflasche kam vor ein paar Wochen und endete mit dem für die Gegenseite ernüchternden Ergebnis, dass die Flasche keinesfalls die Windschutzscheibe zerstört haben kann.

Hiergegen wetterte dann die Gegenseite, wobei unterschiedlichste Handlungsabläufe geschildert wurden (Colaflasche in rechter Hand, in linker Hand, abgestützt, nicht abgestützt, Sitzposition eher vorne auf dem Sitz oder eher hinten, Emporschnellen der Hand nach oben etc.) und nun liegt das Ergänzungsgutachten vor.

Der Gutachter stellt zunächst klar, dass es nicht seine Aufgabe ist, sich mögliche Aktionen der Klägerin auszudenken, die dann zum gewünschten Ergebnis führen. Im Folgenden setzt er sich dann aber mit allen geschilderten Möglichkeiten auseinander, was zu keinem anderen Ergebnis führt. Die Klägerin hätte die Colaflasche schon gegen die Scheibe werfen müssen, damit die Schäden an der Windschutzscheibe plausibel wären. Das hat - zumindest bislang - noch nicht einmal die Klägerin selbst behauptet.

Es bleibt also spannend. Der Streitwert der Sache beträgt nicht mal 700 Euro, die Kosten des Rechtsstreits belaufen sich nach der Einholung von Gutachten und Ergänzungsgutachten schon jetzt auf ein Vielfaches.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Der akrisieve Bulisist

Manche Mandanten beschweren sich darüber, dass anwaltliche Schreiben bisweilen schwer verständlich sind ("Ich muss das immer dreimal lesen bevor ich weiß, worum es geht").

Manchen Schreiben, die man von Mandanten erhält, sind allerdings auch nicht so einfach zu lesen. "Der Bulisist hat mich gans akrisiev angeprüllt", weiß ein Mandant in einem Brief zu berichten.

Das musste ich auch erst dreimal lesen.

Wahllichtbildvorlage oder: die Frau mit der Brille

Frau A. wird ein Diebstahl vorgeworfen. Bei der Polizei wird sie erkennungsdienstlich behandelt, d.h., es werden u.a. Lichtbilder von ihr angefertigt.
Das Anfertigen von Lichtbildern dient häufig der Vorlage an Zeugen im Wege der sog. Wahllichtbildvorlage. Der Zeuge bekommt mehrere Fotos von Personen vorgelegt, die sich ähneln und wird dann gefragt, ob er eine Person als Täter wiedererkennt.

In Nr. 18 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) klingt das so:
Soll durch eine Gegenüberstellung geklärt werden, ob der Beschuldigte der Täter ist, so ist dem
Zeugen nicht nur der Beschuldigte, sondern zugleich auch eine Reihe anderer Personen gleichen
Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung gegenüberzustellen, und zwar in
einer Form, die nicht erkennen lässt, wer von den Gegenübergestellten der Beschuldigte ist
(Wahlgegenüberstellung). Entsprechendes gilt bei der Vorlage von Lichtbildern. Die Einzelheiten sind aktenkundig zu machen.

Frau A. trägt eine Brille, die sie auch bei der erkennungsdienstlichen Behandlung trug. Die Zeugin berichtete in ihrer Vernehmung, also noch bevor ihr die Bilder gezeigt wurden, davon, dass die Täterin eine Brille trug. Die Wahllichtbildvorlage wird im Anschluss an die Vernehmung durchgeführt. Der Zeugin werden 8 Fotos gezeigt, eines davon zeigt Frau A.. Sie ist die einzige Person, die eine Brille trägt. Prompt wird Frau A. als Täterin identifiziert, was nicht weiter verwundert.

Die beste Richtlinie taugt nichts wenn sie nicht korrekt umgesetzt wird.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Hat mal jemand Handschuhe?

Diese Frage stellte unlängst ein Richter, der in der Hauptverhandlung ein Asservat aus der Plastikhülle nehmen und dabei verhindern wollte, dass seine Fingerabdrücke auf dem Schriftstück auftauchen.
Hintergrund: die Polizei hatte das Schreiben eingetütet und auf die Hülle "Spurenträger" geschrieben. Untersucht hatte man das Schriftstück im weiteren Verlauf jedoch nicht.

Zufällig hatte keiner der Verfahrensbeteiligten gerade Plastikhandschuhe parat. Mein Vorschlag, einen von mir mitgeführten Frühstücksbeutel zu nehmen, aus dem ich für diesen Zweck sogar den Inhalt entfernt hätte, fand leider keinen Anklang, löste aber im Zuschauerraum Heiterkeitsreaktionen aus. Ein als Zeuge anwesender Polizeibeamter bot an, beim Präsidium anzurufen und dort Handschuhe anzufordern. Auch abgelehnt. Schließlich besorgte die Staatsanwältin Einweghandschuhe bei der Asservatenkammer und die Verhandlung wurde fortgesetzt.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Schöffe unterbricht Sitzung um zu telefonieren

Während die Vernehmung eines Zeugen im Gange ist, hört man, wie im Beratungszimmer ein Handy klingelt. Dann sieht man wie sich einer der Schöffen wortlos erhebt und im Beratungszimmer verschwindet. Der Vorsitzende unterbricht die Sitzung und stellt fest, dass sei ihm auch noch nicht passiert. Es vergehen einige Minuten bis der Schöffe - wieder wortlos - wieder auftaucht und Platz nimmt. Das Mobiltelefon hat er diesesmal dabei um - zwischenzeitlich wird die Sitzung fortgesetzt - darauf herumzutippen.

Zugunsten des Schöffen wollen wir mal davon ausgehen, dass er nicht wusste, was er da angestellt hatte. Das Gericht muss während der Dauer der Hauptverhandlung immer ordnungsgemäß besetzt sein, was impliziert, dass alle Verfahrensbeteiligten anwesend sind und sich nicht nach Belieben entfernen dürfen. Eine nicht ordnungsgemäße Besetzung kann mit der Revision gerügt werden. Ich vermute, der Vorsitzende hat den Schöffen zwischenzeitlich auf diesen Umstand hingewiesen und ihm erklärt, dass die Anordnung von Unterbrechungen Sache des Vorsitzenden ist.

Montag, 12. Oktober 2009

Schleuserverfahren - Pässe, Ähnlichkeiten und Ungereimtheiten

Um es kurz zu machen: der Dolmetscher war jedenfalls besser als der im letzten Termin. Schlechter wäre zwar auch kaum gegangen, aber soweit meine Kenntnisse des Schulenglischen reichten, konnte ich seinen Übersetzungen folgen.

In der Sache selbst wurde u.a. ein Asservat - ein ausländischer Pass - in Augenschein genommen, der angeblich einen der Angeklagten zeigen sollte. Das Foto des Angeklagten soll nachträglich in den Pass kopiert worden sein. Die Inaugenscheinnahme ergab: das Foto zeigt einen Mann, der mit dem Angeklagten bis auf Haut- und Augenfarbe praktisch keine Ähnlichkeit aufweist. Man war sich schnell einig, dass es der Einschaltung eines Gutachters zur Frage der Identität wohl nicht bedarf.

Beim nächsten Mal soll es weitergehen mit dem Anhören der durchgeführten Telekommunikationsüberwachung. Es klang bereits an, dass es technisch schwierig werden könnte, die "passenden" Stellen auf Anhieb zu finden. Wie erfreulich, dass nicht nur "passende" Stellen gehört werden müssen, sondern die gesamte TKÜ (die Maßnahme dauerte vier Monate).
Ein Widerspruch gegen die Verwertung der Erkenntnisse aus den TKÜ wurde seitens der Verteidigung bereits angekündigt.

Schleuserverfahren - 2. Anlauf

Das sommerliche Dolmetscherdebakel wird heute hoffentlich keine Fortsetzung erfahren. Es geht weiter im Schleuserverfahren, dass Anfang Juli ausgesetzt worden war, u.a. wegen des Dolmetschers, dessen Englisch schlechter war als das der übrigen Verfahrensbeteiligten.

Der Dolmetscher war mir übrigens unlängst in einem Verfahren vor der Strafkammer begegnet, in dem er einem Zeugen dolmetschte. Seine Leistungen hatten sich seit Juli nicht verbessert. Der Vorsitzende sah sich auch hier genötigt, dem Treiben Einhalt zu gebieten als offenkundig wurde, dass der Dolmetscher die Belehrung nach § 55 StPO schlicht falsch übersetzte.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Terminsabstimmung

Ich habe schon oft geschimpft über Richter, die für Terminskollisionen von Verteidigern wenig Verständnis haben oder gar die Vorlage von Ladungen fordern.

Dass es auch anderes geht, beweist mein Heimatgericht. Exakt zwei Telefonate und ein kurzes Schreiben waren erforderlich um das Schöffengericht zu veranlassen, einen Termin um 2 Stunden nach hinten zu verschieben, damit ich zuvor beim Landgericht verhandeln kann, das zwar eigentlich einen ganzen Tag vorgesehen hatte, nun aber einen Fortsetzungstermin mit mir abgestimmt hat.

Wenn´s doch immer so einfach wäre.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Kurzer Prozess

Mein gestriger Termin bei einem Amtsgericht in Bayern hätte kürzer kaum sein können.

Das Gericht hatte keine Zeugen geladen. Ein Deal kam nicht zustande und das Verfahren wurde ausgesetzt. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft zeigte sich fassungslos darüber, dass mein Mandant kein Geständnis ablegen wollte. Ich kann die Haltung meines Mandanten indes gut verstehen. Er steht unter laufender Bewährung, die ihm vorgeworfene Tat ist einschlägig und bei einem Geständnis würde eine Gesamtstrafe gebildet, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wann also kämpfen wenn nicht in einem Fall wie diesem?

Ob es noch in diesem Jahr weitergeht oder erst im kommenden Jahr, steht noch nicht fest.

Montag, 5. Oktober 2009

Ab in den Süden...

... heisst es heute.

Eine Verteidigung in Bayern steht auf dem Programm.

Nach einer leidvollen Erfahrung vor einigen Jahren in einer Hauptverhandlung bei einem Amtsgericht im Allgäu, wo ich in der Hauptverhandlung maximal die Hälfte des Gesprochenen verstand, habe ich hier vergangenen Woche schon einmal mit dem Richter telefoniert. Er sprach Hochdeutsch mit süddeutschem Akzent. Sehr angenehm. Bleibt zu hoffen, dass es die Hauptverhandlung auch werden wird.

Freitag, 2. Oktober 2009

Und trotzdem - Verurteilung

Ich hatte an dieser Stelle von einem Kollegen berichtet, dessen Strafrechtskenntnisse eine Strafkammer in Zweifel gezogen hatte und der nicht unerhebliche Probleme hatte, Beweisanträge zu stellen.

Wir erinnern uns: der Kollege sah zugunsten seines Mandanten bereits den objektiven Tatbestand nicht als verwirklicht an. Zumindest aber sei der subjektive Tatbestand, also der Vorsatz, nicht gegeben. Da sich die Argumentation mit dem Vorsatz in der Praxis immer als recht schwierig erweist (für Nichtjuristen: Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen der Tat; freilich wünschen sich auch viele Täter im Nachhinein, dass das Geschehene nicht geschehen sei, was aber nichts daran ändert, dass sie sich zum Zeitpunkt des Geschehens hierüber zumindest ein paar Gedanken zu wenig gemacht haben), hatten andere Prozessbeteiligte so ihre Zweifel, ob er mit dieser Strategie durchdringen würde.

Inzwischen wurde sein Mandant zu einer Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung (Bewährungsauflage u.a. 10000 Euro an die Staatskasse) verurteilt. Soweit das vorläufige Ergebnis eines Umfangsverfahrens, aus dem mein Mandant vorzeitig mit einem milden Urteil abgetrennt worden war.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Schweigepflicht und Einkommensfragen

Ein Mandant beauftragte mich mit ihrer Verteidigung. Er brachte eine "Bekannte" zur Besprechung mit und staunte, als ich ihn eingangs darum bat, mir eine Schweigepflichtsentbindungserklärung in Bezug auf seine Begleiterin zu unterschreiben. Das habe er bisher noch bei keinem Anwalt machen müssen und überhaupt sei das ja ziemlich überflüssig, da er seine Bekannte schließlich mitgebracht habe. Ich bestehe auf der Formalie, er unterschreibt. Wie üblich frage ich ihn nach seinem Lebenslauf, seinem beruflichen Werdegang und - seinem Einkommen.

Er zuckt, wirft einen verstohlenen Blick auf seine Begleiterin und ich ahne, dass er just in diesem Moment die Tragweite seiner soeben unterzeichneten Erklärung erkennt.

Freilich kann er diese Frage so ad hoc nicht beantworten und wir telefonieren deswegen demnächst noch mal. Zur nächsten Besprechung kommt er bestimmt alleine, da bin ich mir ziemlich sicher.

Montag, 28. September 2009

Wohnverhältnisse

Vor seiner Inhaftierung, so mein um gewählte Ausdrucksweise bemühter Mandant, habe er ein "Wohnverhältnis" gehabt.

"Und wie hieß dieses Wohnverhältnis?", wollte die Vorsitzende wissen und erwartete als Antwort wohl irgendwas zwischen Chantal und Jaqueline.

"Das hat das Amt bezahlt mit Wohngeld", so mein Mandant.

Freitag, 25. September 2009

Mit dem Gesicht gebremst

Gestern beim Landgericht. Einer der Angeklagten hatte schlimme Gesichtsverletzung. Mitleidig fragte ihn die Vorsitzende, was denn passiert und ob er verhandlungsfähig sei. Er habe am Vortag einen Unfall mit dem Fahrrad gehabt, habe aber keine Probleme, der Verhandlung zu folgen, erklärte der Angeklagte.

Kurze Zeit später liegt dem Gericht ein Fax der Polizei vor: der verbeulte Angeklagte wird beschuldigt, am Vortag ein Fahrrad gestohlen zu haben.

Gar nicht mehr mitleidig kündigte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer (2 Jahre Jugendstrafe mit Bewährung für einen Raub) an, er bringe ihn in den Knast, wenn an der Sache mit dem Fahrrad etwas dran sei.

Mittwoch, 16. September 2009

Wie lange muss mein Sohn denn noch sitzen?

Dies wollte heute eine besorgte Mutter wissen, deren Sohn sich seit ein paar Wochen in Untersuchungshaft befindet.

Leider hat mich mein Mandant nicht gegenüber der Frau Mama von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden. Das ersparte es mir, seiner Mutter zu erklären, dass ich nicht hellsehen kann und ihr den Frust darüber, dass dem so ist.

Dienstag, 15. September 2009

Der Terminsnachweis und die Faxpanne

Ich hatte beim Amtsgericht N. um Terminsverlegung ersucht wegen einer Terminskollision. Ein üblicher Vorgang, der häufiger vorkommt.

Der Richter beim Amtsgericht N. (nein, wir kennen uns nicht persönlich) glaubt mir offenbar nicht und will es ganz genau wissen. Er schreibt mir, ich möge die Ladung des Amtsgerichts A. vorlegen zum Nachweis der Kollision. Ich ärgere mich, schließlich habe ich noch nie nachgefragt, warum mancher Vorsitzender Termine aus "dienstlichen Gründen" aufhebt und werde es auch in Zukunft nicht tun, da ich soviel Vertrauen habe, dass ein Gericht nicht aus einer Laune heraus Termine aufhebt. Nachdem ich den Richter telefonisch nicht erreiche, kritzele ich auf das Schreiben:

"Refax an oben - Ladung anonymisiert als Anlage zum Nachweis, dass ich mir keine Termine ausdenke. Weitere Glaubhaftmachung wird NICHT erfolgen!!!!"

Diese Verfügung wird prompt von meiner Mitarbeiterin ausgeführt, die das Original samt anonymisierter Ladung rausfaxt.
Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, dass sie ein Fax versendete à la "zur Kenntnisnahme", aber inzwischen finde ich diese Variante gar nicht so verkehrt.

Freitag, 11. September 2009

Das Urteil und die Auflage

Ein Mandant wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als Bewährungsauflage wurde ihm u.a. eine Geldbuße auferlegt, ersatzweise Sozialstunden.

Im (nicht rechtskräftigen) Urteil steht freilich nichts von den Auflagen, weshalb er nun der Meinung ist, das Gericht habe die schlicht vergessen. Meine Versuche, ihm zu erklären, dass es bei einer Bewährungsstrafe auch einen gleichnamigen Beschluss gibt, aus dem sich die Auflagen ergeben, sind gescheitert. Er habe die Sache mit seinem Sachbearbeiter bei der Führerscheinstelle besprochen und der habe gemeint, dass sich Auflagen immer aus dem Urteil ergeben würden. Ich habe ihm anheim gestellt, sich anderweitig verteidigen zu lassen. Gegen derart geballte Kompetenz zu argumentieren, ist mir zu aufwändig.

Donnerstag, 10. September 2009

Das Protokoll und der Wiedererkennungswert

Man sollte meinen, dass Protokollführer, die in der ersten Instanz beim Amtsgericht Dasjenige protokollieren, was Zeugen aussagen, gut und aufmerksam zuhören.

Wenn dann aber aus einem "Christian" ein "Christof" wird, aus einem 60-jährigen Zeugen ein 53-jähriger Zeuge gemacht wird und der Angeklagte mal ein Türke und mal ein Turkmene sein soll, fragt man sich als geneigter Leser der Protokolle, woran es liegen mag, dass derartige Fehler auftreten. Vergleicht man dann noch die Protokolle der einzelnen Zeugenaussagen mit den eigenen (wesentlich ausführlicheren) Mitschriften, überlegt man, ob man nicht in einer ganz anderen Hauptverhandlung saß. Liest man dann aber weiter die Urteilsgründe, in denen die einvernommenen Zeugen zum Teil völlig anders zitiert werden als es aus dem Protokoll hervorgeht, ist man wieder beruhigt, weil zumindest der Richter auch in einer ganz anderen Hauptverhandlung gesessen zu haben scheint.

Mittwoch, 9. September 2009

Kinder, Kanzlei und Contenance

Zugegeben, ich habe es lieber, wenn Mandanten zu Bespechungen ihre Kinder anderweitig unterbringen und ich weiß auch, warum es mir lieber ist, wenn die lieben Kleinen nicht dabei sind. Hier eine (nicht abschließende) Liste der Gründe:

1. Die Schüssel mit den Gummibärchen ist nicht binnen einer Viertelstunde leer, wobei sich nur Teile des Inhalts im Magen Desjenigen befinden, der sie sich vorgenommen hat. Der Rest befindet sich - in meist feuchter Form wegen der besseren Haftung - auf dem Fußboden, dem Tisch oder in einem Blumentopf.

2. Die Modellautos, die dazu dienen, Unfallabläufe zu erklären, haben nach der Besprechung noch alle Räder.

3. Der Satz :"Nun sei doch bitte mal kurz still, die Tante und ich haben was zu besprechen" entfällt.

4. Ebenso der Satz: "Wenn du jetzt nicht still sitzt, gehen wir gleich nicht zu Mc D."

5. Gleichfalls unerwähnt bleibt: "Tut mir leid, er/sie hat ADS."

6. Alle Gardinen hängen noch.

Erfreulicherweise gibt es Ausnahmen, die einem Bilder malen, länger als 3 Minuten stillsitzen können und sogar schon "Bitte" und "Danke" beherrschen.