Montag, 28. September 2009

Wohnverhältnisse

Vor seiner Inhaftierung, so mein um gewählte Ausdrucksweise bemühter Mandant, habe er ein "Wohnverhältnis" gehabt.

"Und wie hieß dieses Wohnverhältnis?", wollte die Vorsitzende wissen und erwartete als Antwort wohl irgendwas zwischen Chantal und Jaqueline.

"Das hat das Amt bezahlt mit Wohngeld", so mein Mandant.

Freitag, 25. September 2009

Mit dem Gesicht gebremst

Gestern beim Landgericht. Einer der Angeklagten hatte schlimme Gesichtsverletzung. Mitleidig fragte ihn die Vorsitzende, was denn passiert und ob er verhandlungsfähig sei. Er habe am Vortag einen Unfall mit dem Fahrrad gehabt, habe aber keine Probleme, der Verhandlung zu folgen, erklärte der Angeklagte.

Kurze Zeit später liegt dem Gericht ein Fax der Polizei vor: der verbeulte Angeklagte wird beschuldigt, am Vortag ein Fahrrad gestohlen zu haben.

Gar nicht mehr mitleidig kündigte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer (2 Jahre Jugendstrafe mit Bewährung für einen Raub) an, er bringe ihn in den Knast, wenn an der Sache mit dem Fahrrad etwas dran sei.

Mittwoch, 16. September 2009

Wie lange muss mein Sohn denn noch sitzen?

Dies wollte heute eine besorgte Mutter wissen, deren Sohn sich seit ein paar Wochen in Untersuchungshaft befindet.

Leider hat mich mein Mandant nicht gegenüber der Frau Mama von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden. Das ersparte es mir, seiner Mutter zu erklären, dass ich nicht hellsehen kann und ihr den Frust darüber, dass dem so ist.

Dienstag, 15. September 2009

Der Terminsnachweis und die Faxpanne

Ich hatte beim Amtsgericht N. um Terminsverlegung ersucht wegen einer Terminskollision. Ein üblicher Vorgang, der häufiger vorkommt.

Der Richter beim Amtsgericht N. (nein, wir kennen uns nicht persönlich) glaubt mir offenbar nicht und will es ganz genau wissen. Er schreibt mir, ich möge die Ladung des Amtsgerichts A. vorlegen zum Nachweis der Kollision. Ich ärgere mich, schließlich habe ich noch nie nachgefragt, warum mancher Vorsitzender Termine aus "dienstlichen Gründen" aufhebt und werde es auch in Zukunft nicht tun, da ich soviel Vertrauen habe, dass ein Gericht nicht aus einer Laune heraus Termine aufhebt. Nachdem ich den Richter telefonisch nicht erreiche, kritzele ich auf das Schreiben:

"Refax an oben - Ladung anonymisiert als Anlage zum Nachweis, dass ich mir keine Termine ausdenke. Weitere Glaubhaftmachung wird NICHT erfolgen!!!!"

Diese Verfügung wird prompt von meiner Mitarbeiterin ausgeführt, die das Original samt anonymisierter Ladung rausfaxt.
Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, dass sie ein Fax versendete à la "zur Kenntnisnahme", aber inzwischen finde ich diese Variante gar nicht so verkehrt.

Freitag, 11. September 2009

Das Urteil und die Auflage

Ein Mandant wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Als Bewährungsauflage wurde ihm u.a. eine Geldbuße auferlegt, ersatzweise Sozialstunden.

Im (nicht rechtskräftigen) Urteil steht freilich nichts von den Auflagen, weshalb er nun der Meinung ist, das Gericht habe die schlicht vergessen. Meine Versuche, ihm zu erklären, dass es bei einer Bewährungsstrafe auch einen gleichnamigen Beschluss gibt, aus dem sich die Auflagen ergeben, sind gescheitert. Er habe die Sache mit seinem Sachbearbeiter bei der Führerscheinstelle besprochen und der habe gemeint, dass sich Auflagen immer aus dem Urteil ergeben würden. Ich habe ihm anheim gestellt, sich anderweitig verteidigen zu lassen. Gegen derart geballte Kompetenz zu argumentieren, ist mir zu aufwändig.

Donnerstag, 10. September 2009

Das Protokoll und der Wiedererkennungswert

Man sollte meinen, dass Protokollführer, die in der ersten Instanz beim Amtsgericht Dasjenige protokollieren, was Zeugen aussagen, gut und aufmerksam zuhören.

Wenn dann aber aus einem "Christian" ein "Christof" wird, aus einem 60-jährigen Zeugen ein 53-jähriger Zeuge gemacht wird und der Angeklagte mal ein Türke und mal ein Turkmene sein soll, fragt man sich als geneigter Leser der Protokolle, woran es liegen mag, dass derartige Fehler auftreten. Vergleicht man dann noch die Protokolle der einzelnen Zeugenaussagen mit den eigenen (wesentlich ausführlicheren) Mitschriften, überlegt man, ob man nicht in einer ganz anderen Hauptverhandlung saß. Liest man dann aber weiter die Urteilsgründe, in denen die einvernommenen Zeugen zum Teil völlig anders zitiert werden als es aus dem Protokoll hervorgeht, ist man wieder beruhigt, weil zumindest der Richter auch in einer ganz anderen Hauptverhandlung gesessen zu haben scheint.

Mittwoch, 9. September 2009

Kinder, Kanzlei und Contenance

Zugegeben, ich habe es lieber, wenn Mandanten zu Bespechungen ihre Kinder anderweitig unterbringen und ich weiß auch, warum es mir lieber ist, wenn die lieben Kleinen nicht dabei sind. Hier eine (nicht abschließende) Liste der Gründe:

1. Die Schüssel mit den Gummibärchen ist nicht binnen einer Viertelstunde leer, wobei sich nur Teile des Inhalts im Magen Desjenigen befinden, der sie sich vorgenommen hat. Der Rest befindet sich - in meist feuchter Form wegen der besseren Haftung - auf dem Fußboden, dem Tisch oder in einem Blumentopf.

2. Die Modellautos, die dazu dienen, Unfallabläufe zu erklären, haben nach der Besprechung noch alle Räder.

3. Der Satz :"Nun sei doch bitte mal kurz still, die Tante und ich haben was zu besprechen" entfällt.

4. Ebenso der Satz: "Wenn du jetzt nicht still sitzt, gehen wir gleich nicht zu Mc D."

5. Gleichfalls unerwähnt bleibt: "Tut mir leid, er/sie hat ADS."

6. Alle Gardinen hängen noch.

Erfreulicherweise gibt es Ausnahmen, die einem Bilder malen, länger als 3 Minuten stillsitzen können und sogar schon "Bitte" und "Danke" beherrschen.

Alte Bekannte

Den Angeklagten, so ein Polizeibeamter heute in der Sitzung, kenne er schon länger. Seit er 1993 versetzt worden sei, habe er immer mal wieder mit ihm zu tun gehabt, man könne also sagen, dass man sich dienstlich schon recht lange kenne.

Die Frage des Staatsanwaltes danach, ob es sich bei der Person in dem Videofilm, die nur ab der Brust abwärts zu erkennen war, um den Angeklagten handeln könne, vermochte er aber nicht zu beantworten. Die Person sei zwar offenbar männlich und schlank, aber diese Beschreibung treffe auf viele Leute zu und er sei kein Sachverständiger.

Ich hatte kurze Zeit den Eindruck, dass das nicht die erhoffte Antwort war, aber jetzt bin ich fast sicher, mich getäuscht zu haben, denn jede andere Antwort wäre angesichts der Qualität des Films mehr als mutig gewesen.

Dienstag, 8. September 2009

Bitte weisen Sie Ihre Ehe nach

Die Korrespondenz mit dem Rechtsschutzversicherer einer Mandantin treibt seltsame Blüten. Zunächst sollte umfassend begründet werden, worin man einen Anspruch sieht. Nachdem dies geschehen war, folgte nun ein Schreiben, wonach folgende Fragen beantwortet werden sollten:

1. Handelt es sich bei Frau X um die Ehefrau von Herrn X (Herr X ist Versicherungsnehmer, seine Frau und seine Kinder sind mitversichert)?
2. Falls ja, wie lange besteht die Ehe schon?
3. Leben die Eheleute zusammen?
4. Falls ja, wie lange schon? Bitte weisen Sie die Angaben nach durch Bestätigung des Einwohnermeldeamts.

Liebe X-Versicherung, ich leite dieses Schreiben jetzt an meine Partei weiter und hoffe, dass sie in der geeigneten Form antworten wird.

Montag, 7. September 2009

Man muss schon wissen, dass man was spürt

So oder ähnlich könnte man ein Urteil des OLG Koblenz umschreiben, dass auf meine Rechtsbeschwerde hin ein Urteil des Amtsgerichts M. aufgehoben hat.

Meinem Mandanten war vorgeworfen worden, unter Einfluss von Cannabis fahrlässig ein Fahrzeug geführt zu haben. Die THC Konzentration im Blut lag bei 1,8 ng/ml und damit in einem Bereicht, der zwar objektiv ausreicht, um den Tatbestand als erfüllt anzusehen, jedoch muss ein Richter auch begründen, dass der Täter um die Möglichkeit der fortbestehenden Wirkung des Rauschmittels gewusst hat oder diese hätte wissen können oder müssen. Dem Urteil des Amtsgerichts fehlte es an einer tragfähigen Begründung für dieses subjektive Fehlverhalten.

Mein Mandant hatte übrigens während der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht.

Die Sache wird nun erneut verhandelt.

Donnerstag, 3. September 2009

Der galoppierende Amtsschimmel

Es ist schon erstaunlich, welche Fristen manche Behörden setzen. Eine Kreisverwaltung (Führerscheinstelle) verlängert eine Frist zur Äußerung nach § 28 I VwVfG, nachdem ich mich für den Mandanten bestellt und Akteneinsicht angefordert habe, um exakt fünf Tage, wobei mir das Schreiben erst zwei Tage vor Fristablauf zugeht. Die Akte wurde übrigens nicht übersandt, sondern nur diejenigen Teile, die der Sachbearbeiter für wesentlich hält.

Mal abgesehen davon, dass mir keine Verwaltung bekannt ist, die selbst auch nur annähernd so schnell ihre Akten bearbeitet wie das offensichtlich von Anwälten verlangt wird, frage ich mich, was den Sachbearbeiter davon abgehalten haben mag, die komplette Akte zur Einsichtnahme zu übersenden.

Mittwoch, 2. September 2009

Kollabierender Kläger

Gestern beim Amtsgericht D. (es war mir in guter Erinnerung, weil vor Jahren mal eine Vorsitzende einen kaugummikauenden Zeugen kurzerhand aus dem Sitzungssaal - nun sagen wir - gebeten hatte) herrschte Aufruhr. Ein Kläger, der mit seinem Anwalt kurz den Sitzungssaal verlassen hatte um einen vorgeschlagenen Vergleich zu besprechen, kollabierte plötzlich. Er hatte Glück. Das Amtsgericht D. liegt in der Nähe eines Krankenhauses, sein Anwalt hatte mal 6 Jahre als Rettungssanitäter gearbeitet und die Vorsitzende (s.o.) verständigte rasch einen Rettungswagen. Der Kläger kam zwar wieder auf die Beine, aber der Prozess wurde ohne ihn fortgesetzt.
Seine Freundin mutmaßte, dass die Aufregung um den Prozess zuviel für ihn gewesen sei. Es ging wohl um einen Verkehrsunfall und die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Als Jurist ist man überrascht, dass eine Zivilklage jemanden so aufregen kann, dass man Szenen erlebt, die man sonst nur aus den nachmittäglichen Gerichtssendungen kennt. Wie mag sich manch ein Mandant fühlen, bei dem es um eine Strafsache geht? Nein, ich will´s lieber gar nicht wissen.

Dienstag, 1. September 2009

Von Führerscheinen und Vertretungszuständigkeiten

Im April wurde der Führerschein meines Mandanten durch die Polizei sichergestellt, kurze Zeit später erging ein Strafbefehl gegen ihn, mit dem die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen wurde, vor Ablauf von 5 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Business as usual möchte man meinen.

Da die Verwaltungsbehörden einen Vorgang wie den der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sorgfältig vorbereiten und prüfen müssen und auch niemand anderes dafür zuständig ist, wird normalerweise der Vorgang nach Rechtskraft der Verwaltungsbehörde mitgeteilt und der Führerschein dorthin übersandt. Es gibt aber auch Abweichungen vom Normalfall und mit so einem habe ich es gerade zu tun. Die Verwaltungsbehörde kennt weder den Fall noch hat sie den Führerschein. Die Polizei hat die Sache samt sichergestelltem Führerschein schon vor vielen Monaten an die Staatsanwaltschaft abgegeben und diese dann an das zuständige Amtsgericht, das den Strafbefehl erlassen und die Akte wieder zurück an die Staatsanwaltschaft gegeben hat. Hier verliert sich nun ein wenig die Spur, nicht die der Akte, sondern die des Führerscheins. Wahrscheinlich ist er noch in der Akte. Die Akte wiederum müsste bei einem Beamten der Strafvollstreckung liegen, der jedoch noch im Urlaub ist und dessen Vertretung die Akte nicht kennt. Die Vertretung wiederum ist ab morgen im Urlaub, legt aber ihrer Vertretung einen roten Zettel hin, damit sowohl die Mitteilung wie auch der Führerschein an die Verwaltung rausgehen können. Das jedenfalls ist das Ergebnis von Telefonaten mit sechs unterschiedlichen Personen (immerhin allesamt gut gelaunt) am heutigen Vormittag.

Gleich werde ich meinen Mandanten anrufen, dem ich zugesagt hatte, herauszufinden, wo sein Führerschein ist, und kleinlaut einräumen, dass ich es nicht geschafft habe. Aber ich werde dranbleiben und entschuldige mich schon mal im Voraus bei all den Leuten, denen ich ab morgen wieder auf den Zeiger gehen werde im Dienste der guten Sache...