Montag, 30. November 2009

Kein Anspruch auf grimmig dreinblickenden Richter

Der Kollege Vetter berichtete von einem Befangenheitsantrag gegen eine lächelnde Richterin, der folgerichtig zurück gewiesen wurde.

Mich erinnert das an einen Fall, der vor Jahren eine Strafkammer des Koblenzer Landgerichts beschäftigte. Ein Kollege hatte für seinen Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen einen Richter angebracht, weil dieser grinste während der Kollege einen Beweisantrag verlesen hatte.

Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. In der Begründung hiess es u.a., dass ein Angeklagter keinen Anspruch auf einen grimmig dreinblickenden Richter habe.

Freitag, 27. November 2009

Realkennzeichenanalyse? - Nie gehört

Missbrauchsprozess: als Zeugin wird eine Kriminalbeamtin gehört, die das Kind, das Missbrauchsvorwürfe gegen den Angeklagten erhebt, vernommen hat.

In einer Art Eindrucksvermerk hatte die Beamtin ihren Eindruck von dem Kind geschildert und festgehalten, dass dieses auf sie einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hätte. Die Glaubwürdigkeit mache sie am ganzen Verhalten des Kindes fest, eben an dem Eindruck, den dieses hinterlassen habe. Sie sei Kommissarin in einem Spezialdezernat und vernehme pro Woche im Schnitt 3 Missbrauchsopfer.

Auf die Frage, was ihr das Wort Realkennzeichenanalyse sage, lautete die Antwort "nichts".

Donnerstag, 26. November 2009

Frauenbesuch im Knast - reine Nervensache

Dies gilt zumindest für Bedienstete der JVA.

Heute Morgen. Ich stehe vor der Eingangstür der JVA, vor mir u.a. eine Dame in Kunstledermantel und Stöckelschuhen, die heftigst den Klingelschalter betätigt und mit der Hand gegen die Sicherheitsglasscheibe wummert. Die Beamtin (nicht taub!) grüßt sie freundlich durch die Gegensprechanlage und bittet sie, beim nächsten Mal nicht mehr mit ihrem Auto in den Sicherheitsbereich zu fahren, sondern direkt unterhalb desselben zu parken. Die Dame erwidert, sie habe gedacht, dass nur Lieferfahrzeuge nicht passieren dürften (Logisch, künftig werden die Lebensmittel bis vor den Sicherheitsbereicht mit dem LKW angeliefert und dann auf Sackkarren umgeladen). Dem sei nicht so, wie auch auf dem Schild (nicht zu übersehen) ersichtlich, antwortet die Beamtin ruhig. Es sei ja schon gut, sie wolle endlich rein, tönt es vor mir.

Während sie in ihrer Handtasche nach ihrem Personalausweis fahndet, führt sie Selbstgespräche, von denen sie glaubt, dass nur sie sie hört. Wie man sich hier behandeln lassen müsse, woher sie das wissen solle, Unverschämtheit usw.. Zwischendurch blickt sie sich immer wieder zu mir um, wohl auf Zustimmung wartend, die nicht kommt.

Zu wem sie denn wolle? Na, zu Herrn X! (X steht hier nicht für einen Prominenten, den jeder kennt und die Dame sieht auch nicht aus wie die A bis C Promis, die ich beim letzten Friseurbesuch in den dort ausliegenden Zeitschriften gesehen habe). Die Beamtin, die nicht riechen konnte, dass es sich bei der Dame um Frau X. handelt, die ihren Gatten besuchen möchte, erklärt in aller Seelenruhe die Handhabung der Schließfächer und schiebt der Dame den Schlüssel zu. Die schiebt leise schimpfend ab Richtung Schließfach.

Als sie wiederkommt stehe ich gerade am Eincheckschalter. Ich habe weder Handtasche noch Handy dabei, muss folglich an kein Schließfach und gebe nur meinen Anwaltsausweis ab bevor sich die Tür für mich öffnet. Das empfindet die Dame nun als das Allerletzte, schließlich sei sie vor mir dagewesen. Das ist dann auch das Letzte, was ich von ihrem Selbstgespräch mithöre. Wollen wir mal hoffen, dass sie nach dem Besuch bei ihrem Mann ein wenig entspannter war. Ich würde es ihr und der Beamtin wünschen.

Trennungsdramatischer Nebenkriegsschauplatz

Eine Mandantin war ganz aufgeregt. Sie hatte eine Vorladung der Polizei erhalten. Tatvorwurf: Nachstellen (Stalking). Geschädigter: ihr Ehemann, von dem sie getrennt lebt. Anzeigeerstatter: dito. Anwaltlicher Rat: der Vorladung nicht folgen, erstmal besorgen wir uns die Akte.
Anwaltlicher Gedanke: Trennungsdrama mit strafrechtlichem Nebenkriegsschauplatz.

Als die Akte eintrudelt, wird klar, dass eine Abweichung vom Normalfall vorliegt: der Anzeigeerstatter berühmt sich, böse Briefe von seiner Gattin erhalten zu haben. Der Inhalt der Briefe lässt jedoch eher darauf schließen als stammten sie von einer männlichen Person, bei der es sich um eine seiner jetzigen Freundin nahestehende männliche Person handeln dürfte (Tenor: "Lass die Finger von meiner Frau und geh zu deiner zurück!"). Verfolgt werden will er auch, nämlich von einem silbernen Pkw. Seine Frau fährt einen blauen Pkw. Einen Schnurrbart wie der Mann im silbernen Pkw trägt sie übrigens auch nicht.

Ich bin frohen Mutes, dass die Ermittlungen gegen meine Mandantin alsbald eingestellt werden.

Mittwoch, 25. November 2009

Polizist auf Stöckelschuhen!

Köstlich, was sich die Japaner alles einfallen lassen!

Während wir in Deutschland es gerade mal geschafft haben, Polizisten von den waldgrünen Jacken, den spinatfarbenen Mützen und den schlammfarbenen Hosen, deren Schnitt aus jeder Figur das Schlimmste machte, zugunsten blauer Uniformen zu befreien, setzt man in Japan neuerdings auf männliche Spezialeinheiten in Highheels.

Ob das Modell Schule macht, bleibt abzuwarten.

Interessieren würde mich aber schon, ob die stöckelbeschuhten Polizisten in Japan eine Art "Lauftraining" (etwa durch Herrn Darnell) erhalten haben.

Kein Kommentar!

Jeder Verteidiger kennt sie, die Anfragen der Presse, und jeder geht anders damit um.

Ein Verfahren, in dem meinem Mandanten sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, wird von einem Vertreter der Presse verfolgt.
In einer Verhandlungspause fragt er mich, ob ich auch etwas sagen möchte (andere Prozessbeteiligte hatten offenbar schon Auskunft erteilt). Ich verneine. Ob ich denn später etwas sagen möchte. Erneute Verneinung.

Nächste Pause. Ob er richtig verstanden habe, dass ich auch später nichts sagen möchte.
Hat er.

Er scheint überrascht. Ich möchte kein Interview geben, ich will in keine Zeitung und ich will auch nicht ins Fernsehn. Ich will einfach nur verteidigen und davon in meinem Blog das berichten, was ich subjektiv für berichtenswert halte.

Fast hätten Sie ihn weichgekocht

So lautete meine Feststellung gegenüber einem Kriminalbeamten nach der Verkündung des Haftbefehls gegen einen von mir zum Schweigen verdonnerten Mandanten, der sichtlich mitgenommen war von der Situation.

Der Kriminale erwiderte, man kenne sich schon etwas länger und komme gut miteinander klar. Das war mir nicht entgangen. Als Verteidiger horcht man auf, wenn der Mandant von einem Beamten geduzt wird. Hierbei handelt es sich in der Regel nicht um Freundschaft, sondern um Polizeiarbeit. Beschuldigte geraten bisweilen ins Plaudern, wenn man eine behagliche, verständnisschwangere Atmosphäre schafft.

Er hat seinen Job gemacht. Ich auch.

Dienstag, 24. November 2009

Glaubhaftigkeitsgutachten, eigene Sachkunde und Schöffen

Vor einigen Monaten hatte ich von einem Fall berichtet, in dem das Gericht meinem Antrag auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens stattgegeben hatte, obwohl die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift dargelegt hatte, dass und warum die erkennenden Kammer über hinreichende eigene Sachkunde zur Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Zeugen verfüge.

Ein Kollege aus Nordrhein-Westfalen berichtet mir unlängst von einem Verfahren, in dem er verteidigt und welches ebenfalls einen sexuellen Missbrauch zum Gegenstand hat. Die dortige Kammer lehnte bislang die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens ab. Begründung: eigene Sachkunde des Gerichts nach einer Vielzahl von Verfahren mit ähnlichem Tatvorwurf.
Der Kollege hat zu diesem Beschluss eine Erklärung dahingehend vorbereitet, dass die u.a. auch mit 2 Schöffen besetzte Kammer eigene Sachkunde nur in bezug auf die Berufsrichter haben könne, nachdem beide Schöffen am ersten Hauptverhandlungstag in der Sache als Schöffen vereidigt worden seien.

Montag, 23. November 2009

Kopfgrippe?

Der Zeuge sah - sagen wir mal - altersgemäß aus und er benahm sich auch so. Er war 17 und trug eine dieser Hosen, deren Bund irgendwo zwischen Kniekehle und oberem Oberschenkel endet, dazu Turnschuhe, die die Füße ein wenig klobig aussehen lassen mit Schnürsenkeln, die locker eingefädelt sind und jeden Schritt zur potentiellen Stolperfalle machen. Wahrscheinlich hob er deswegen die Füße beim Gehen auch nicht an, sondern schlurfte gleichsam mit leicht einwärts gekehrten Füßen zum Zeugentisch. Er kaute Kaugummi und seine Basecap saß mit dem Schirm nach hinten auf seinem Kopf.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen als ich ihn sah und wartete gespannt auf die Kommentare des Richters, der immer dann zur absoluten Hochform aufzulaufen pflegt, wenn hinten im Saal eine Schulklasse sitzt. Hinten saß eine Schulklasse und noch bevor der Zeuge den Tisch erreicht hatte, ging´s los:

"Haben Sie Kopfgrippe?"
"???"
"Dann nehmen Sie den Hut ab!"
(Zeuge nimmt die Basecap ab. Darunter sieht er aus wie es diese Stylingprudukte mit der Aufschrift "bedhead" anpreisen.)
"Und jetzt noch den Kaugummi raus, dann können wir loslegen."
(Zeuge schaut sich hilfesuchend nach einem Papierkorb um. Im Sitzungssaal gibt es keinen und er traut sich nicht, das Ding unter den Tisch zu kleben. Deshalb nimmt er ihn zwischen zwei Finger und knetet ihn durch.)

Die Fragen zu Name, Anschrift und Alter beantwortet er unfallfrei.

Dann: "Beruf?"
"Arbeitslos."
"Das ist kein Beruf."
"???"
"Haben Sie was gelernt?"
"Jo, in der Schule."
(Richter zieht die Augenbrauen hoch. Teile der Schulklasse glucksen vor sich hin.)
"Haben Sie mal eine Ausbildung gemacht oder angefangen?"
"Achso, jo nö."
"Was denn nun? Ja oder nein?"
"Nö."
"Das heisst "nein", nicht "nö". Gerichtssprache ist Deutsch."
"Jo." (Das Glucksen verwandelt sich in Kichern, die Gesichtsfarbe des Richters nimmt zu.)

Die Vernehmung zur Sache hat wenig Unterhaltungswert. Der Zeuge weiß so gut wie nichts mehr und auch dem Staatsanwalt gelingt es nicht, seine Erinnerung aus der Reserve zu locken.

Beim Verlassen des Raumes setzt er die Basecap wieder auf. Er hat vergessen, dass er noch den Kaugummi zwischen den Fingern hat. Der ziert nun die Basecap.

Freitag, 20. November 2009

Postbote? Ich auch nicht!

Der Kollege Melchior teilt über sein Blog mit, kein Postbote zu sein.

Der hiesigen Staatsanwaltschaft habe ich das noch nie mitteilen müssen, wohl aber dem ein oder anderen einsitzenden Mandanten auf die Frage, ob ich nicht einen an Freundin/Mutter/Ehefrau etc. gerichteten Brief "mitnehmen" könne.

Der Hinweis auf die andere Berufswahl wird in der Regel besser verstanden als langatmige Erläuterungen dazu, weshalb es auch einem Anwalt nicht erlaubt ist, Kassiber zu befördern.

Donnerstag, 19. November 2009

Spaß mit dem Gas

Es ist die Zeit der Jahresverbrauchsabrechnungen.

Vergangenes Jahr teilte mir mein Gasanbieter mit, es bestünde ein Guthaben zu meinen Gunsten (immerhin 964 €) und ich möge bitte eine Bankverbindung mitteilen, auf die das Guthaben überwiesen werden solle. Dem komme ich nach. Per Fax übrigens, so dass ich wieder mal über einen OK-Vermerk verfüge...

Gestern erhalte ich die Abrechnung für das laufende Jahr, wieder endend mit einem Guthaben, diesmal noch höher als auf der letzten Abrechnung. Diesmal will man aber keine Bankverbindung wissen, sondern teilt mit, dass man es auf die Bankverbindung (...) überweisen werde.

Ich rufe an und frage, wie sich das Guthaben errechne und ob es sein könne, dass das Guthaben aus dem vergangenen Jahr nicht überwiesen worden sei. Ja, dem sei so, antwortet die freundliche Dame vom Kundenservice. Ich hätte meine Bankverbindung nicht mitgeteilt, so dass man nicht habe überweisen können. Woher man denn diesmal meine Bankverbindung wisse, wenn ich sie angeblich nicht mitgeteilt hätte, frage ich. Schweigen. Ich kontere noch mit dem OK-Vermerk auf meinem Sendebericht, wohl wissend, dass man darüber streiten kann, ob damit auch der Eingang bewiesen wird. Am anderen Ende ruft die Dame sich den Vorgang nochmal auf und stellt fest, dass das Fax eingegangen ist. Na also. Warum man nicht überwiesen habe, wisse sie auch nicht und wie es mit Verzugszinsen aussehe, könne sie mir auch nicht sagen. Wieso mein Guthaben angesichts dieser Umstände erst Anfang Dezember überwiesen werde, entziehe sich ebenfalls ihrer Kenntnis.

Mittwoch, 18. November 2009

Sterilium vs. Schweinegrippe

Ich bin soeben zurück von einem Besuch in der JVA.

Im leichten Handgepäck hatte ich eine kleine Flasche Sterilium. Zum Händedesinfizieren, sozusagen wider die Schweinegrippe und sonstige Viren.

Einer der Mandanten, die ich besucht habe, war überrascht als ich mir die Hände desinfizierte. Er hätte seine doch heute Morgen schon gewaschen. Nein, ich habe nicht nachgefragt, wo er in der Zwischenzeit überall hingefasst hat.

Dienstag, 17. November 2009

"Kaufen Sie sich nen Fummel"

Ich mag sie, die Verhandlungstermine bei der "Blechkammer" (= Kammer beim LG, die sich mit Verkehrsunfallschäden befasst). Das Verhandlungsklima ist gut, das Gericht stets bestens vorbereitet und die Vergleichsvorschläge, die es bei auch umfangreichen Sachverhalten zur Diskussion stellt, durchweg akzeptabel.

Nach ca. einstündiger Erörterung wurde ein Vergleich gefunden und dieser protokolliert. Meine Mandantin schaute irrtiert als die Vorsitzende die Kostenregelung abdiktierte und fragte sich in diesem Moment wohl, wieviel sie davon würde zahlen müssen. Noch bevor ich dazu kam, auch nur den Mund aufzumachen um ihr zu erklären, dass mit der hinter ihr stehenden Rechtsschutzversicherung abgerechnet würde, hatte die Vorsitzende ihr das bereits erklärt und:
"Der Vergleichsbetrag ist ganz allein für Sie. Davon müssen Sie Ihrem Mann nichts abgeben, den können Sie genießen oder Sie kaufen sich nen Fummel - wie Sie wollen."

Hätte ich nicht besser erklären können.

Montag, 16. November 2009

Do you speak Isha - Teil 2

Vergangene Woche ging´s weiter im "Schleuserverfahren" mit der alten TKÜ, aber einem neuen Dolmetscher. Zur Erinnerung: Dolmetscher Nr. 1 sprach nur gebrochen Englisch, Dolmetscher Nr. 2 machte das deutlich besser, verstand aber den auf den TKÜ gesprochenen Isha-Dialekt nicht.

Dolmetscher Nr. 3 gab an, den Isha-Dialekt zu verstehen, allerdings funktionierte die Verständigung mit den Angeklagten in diesem Dialekt nicht. Ob das stimmte oder nicht, vermochte von den Prozessbeteiligten niemand sicher zu beurteilen. Was aber offenkundig war: sein Englisch war noch schlechter als das von seinem Kollegen Nr. 1.

Er radebrechte vor sich hin, übersetzte manchmal ganze Passagen von Beschlüssen nicht, übersetzte nie Wortlaut, sondern umschrieb mit einfachen Worten, was er meinte, in den ihm überlassenen Schriftstücken gelesen zu haben. Hinzu kam, dass er ständig aufgefordert werden musste, überhaupt zu übersetzen. Schwer zu ertragen. Hinzu kam noch, dass man als Verteidiger, so man wollte, dass der eigene Mandant versteht, was gesprochen wird, zwischendrin immer mal für diesen auf Englisch übersetzen musste, was ja Aufgabe des Dolmetschers gewesen wäre, aber... zumindest ist mit bei der Gelegenheit aufgefallen, dass mein Englisch bei weitem nicht mehr so ist wie seinerzeit als ich noch zur Schule ging und wie "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz", "Befangenheitsantrag" oder "Durchsuchungsbeschluss" auf Englisch heisst, habe ich mangels Wörterbuch in der Sitzung nicht nachschlagen können.

Mein Kollege und ich stellten in der Folge Anträge mit dem Ziel, dem Treiben des Dolmetschers ein Ende zu machen. Das Gericht lehnte zwei dieser Anträge ab, die Entscheidung über einen dritten Antrag steht noch aus.

Nachdem es die beiden ersten Anträge, u.a. einen Befangenheitsantrag der Angeklagten gegen den Dolmetscher ablehnt hatte, beantragte ich eine erneute Unterbrechung.

"Wie lange?", wollte der Vorsitzende wissen.
"10 Minuten."
"Und wie lange soll die Unterbrechung danach sein?"

(Untechnische Erklärung für Nichtjuristen: wenn ein Verteidiger erwägt, mit seinem Mandanten einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu besprechen, beantragt er eine Unterbrechung, in der er mit dem Mandanten erörtert, ob dieser das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen will oder nicht. Dann wird wieder in die Hauptverhandlung eingetreten, aber auch nur zur Beantragung einer weiteren Frist um den Antrag auszuarbeiten. Hier dachte der Vorsitzende wohl, wir wollten einen Befangenheitsantrag mit unseren Mandanten erörtern.)

Wir haben keinen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt. Die Zitronen hierfür hängen zu hoch, als dass das wirklich Sinn gemacht hätte und außerdem: das Verhandlungsklima ist trotz gegensätzlicher Auffassungen über die Dolmetscherfrage gut.

Damit hatte es für diesen Prozesstag sein Bewenden. Eine Entscheidung über diesen Antrag wird das Gericht im nächsten Termin verkünden.

Freitag, 13. November 2009

Gericht verschlampt Fax und weist auf Verjährung hin

Ich weiß es noch als sei es gestern gewesen: Am 31.12.08 war es die letzte "Amtshandlung" meiner Sekretärin, eine Klage zu einem Amtsgericht in Hessen zu faxen um die Verjährung des Anspruchs durch Anhängigkeit zu unterbrechen. Gesagt, getan, rasch noch den Sendebericht kontrolliert und fertig. Das Original der Klage nebst Anlagen schickte sie im neuen Jahr hinterher.

Im weiteren Verlauf erwiderte die Beklagtenseite auf die Klage, ich replizierte und dann - erreicht mich ein Schreiben des Gerichts: ein Fax in dieser Sache am 31.12.08 sei nicht eingegangen, die Klage selbst sei im Original im neuen Jahr eingegangen und damit sei der Anspruch verjährt. Ich möge mitteilen, ob die Klage zurückgenommen werde.

Statt die Klage zurückzunehmen übersende ich den Faxbericht und das Faxjournal. Das, so das Gericht, beweise jedoch nur, dass ich ein Schreiben weggefaxt hätte, nicht aber, dass dieses Schreiben auch eingegangen sei. Problem bei der Sache: der Kläger muss den Eingang des Faxes bei Gericht beweisen und nicht bloß dessen Versendung. So steht es auch im Kommentar. Sicher, es gibt hiervon abweichende Meinungen, aber die sind leider rar.

Mir kommt die Idee, bei Gericht nachzufragen, ob man dort noch das Faxjournal vom 31.12.08 archiviert habe. Die Dame von der Geschäftsstelle ist so nett, sich der Sache anzunehmen und eine halbe Stunde später bekomme ich ein Fax: es ist das Faxjournal des Gerichts, aus dem hervorgeht, dass am 31.12.08 ein Fax meiner Kanzlei bei Gericht eingegangen ist. Na also. Damit dürfte auch der Zugang bewiesen sein und ich atme auf.

Wie auch immer mein Fax bei dem Gericht verschütt gegangen ist - das Faxjournal hat man aufgehoben und ich habe dafür gesorgt, dass eine Kopie hiervon zur Akte gelangt ist. Natürlich per Fax.

Demnächst ist Verhandlungstermin in der Sache. Ich werde mir -egal wie das Gericht über die Frage der Verjährung entscheidet- erlauben, mich dann nochmal bei der Dame von der Geschäftsstelle zu bedanken, ohne deren Hilfe ich meine Versicherung hätte anrufen können.

Donnerstag, 12. November 2009

Sie sind ja nüchtern!

Gestern begann im ansonsten eher beschaulichen Rheinland die fünfte Jahreszeit - der Karneval. Vielerorten fanden Sitzungen (so heisst das nicht nur bei Gericht, wenn man sich trifft, sondern auch im Karneval) statt, bei denen mehr oder minder sinnfreie Vorträge zum Besten gegeben, Liedchen geträllert und x-fach "helau" gebrüllt wurde. Soweit, so gut und wer´s mag - bitteschön.

Ich persönlich mag Karneval nicht und gäbe es eine Abstimmung, ob man ihn abschaffen sollte, würde ich dafür votieren. Doch die rotnasige Jahreszeit hat auch ihr Gutes: bislang zwei neue Strafsachen aus dem Bereich Straßenverkehr, Untergruppe Trunkenheitsdelikt. Einer der Mandanten bemerkte erleichtert, er sei froh, mich zu erreichen und nüchtern sei ich scheinbar auch. Ob ich denn nicht bei einer Sitzung gewesen sei. Nein, war ich nicht.

Auch Anwälte, die Karneval nicht mögen, haben ihre guten Seiten: sie sind auch am Tag nach einem karnevalistischen Großereignis nüchtern - q.e.d.

Mittwoch, 11. November 2009

Enke - Pressekonferenz

http://www.n-tv.de/mediathek/videos/sport/Pressekonferenz-in-Hannover-article585501.html

Ich weiß nicht, was die Motivation hierfür war. Vielleicht will man durch die "Flucht nach vorne" Spekulationen Einhalt gebieten. Die allerdings recht detaillierte Offenbarung der Krankengeschichte wirkt auf mich befremdlich.

Gedanken zur fünften Jahreszeit auf Hessisch

Es ist soweit. Bevor ich mich gleich auf den Weg mache zu einem Gerichtstermin noch schnell eine Büttenrede auf Hessisch, die ich hier gefunden habe:

(Narhalla-Marsch)
"Alaaf und Helau! - Seid ihr bereit?
Willkommen zur Beklopptenzeit!
Mer kenne des aus Akte X, doch Mulder rufe hilft da nix,
des kommt durch Strahle aus dem All,
und plötzlisch ist dann Karneval!
(Tusch)

Uff einen Schlach werd'n alle dämlisch,
denn das befiehlt das Datum nämlisch!
Es ist die Zeit der tollen Tage,
so eine Art Idiotenplage,
eine Verschwörung, blöd zu werden,
die jährlich um sich greift auf Erden.
Ei' wahre Ausgeburt der Hölle,
und Ausgangspunkt davon ist Kölle!
(Tusch)

Denn dort gibt's nisch nur RTL,
das Fernseh-Einheitsbrei-Kartell,
sondern aach jede Menge Jecken,
die sisch auf Nasen Pappe stecken,
in Teufelssekten sich gruppieren
danach zum Elferrat formieren
und dann muss selbst das dööfste Schwein
dort auf Kommando fröhlisch sein.
(Tusch)

Auf einmal tun in allen Ländern
die Leude sisch ganz schlimm verändern
Sie geh'n sisch hemmungslos besaufe
und fremde Mensche Freibier kaufe
schmeiße sisch Bonbons an die Schädel,
betatsche Jungens und aach Mädel
und tun eim jede, den sie sehen,
ganz fuschtbar uff de Eier gehen!
Sie tun nur noch in Reime spreche
und sind so witzisch, man könnt' breche,
bewege sisch in Polonäsen,
als trügen sie Gehirnprothesen,
man möschte ihnen - im Vertrauen -
am liebsten in die Fresse hauen!
(Tusch und Konfetti-Kanone)

Doch was soll man dagege mache?
Soll man vielleicht noch drüber lache?
Es hilft kein Schreie und kein Schimpfe,
man kann sisch nich mal gegen impfe,
die Macht der Doofen ist zu staak,
als dass man sisch zu wehr'n vermag!
(kein Tusch)

Am besten ist, man bleibt zu Haus
und sperrt den Wahnsinn aanfach aus.
Man schließt sich ein paar Tage ein
und lässt die Blöden blöde sein!
Der Trick ist, dass man sich verpisst
bis widder Aschermittwoch ist!
Und steht ein Zombie vor der Tür,
mit so 'nem Pappnasengeschwür,
und sagt statt "Hallo" nur "Helau",
dann dreh sie um, die dumme Sau,
und tritt ihr kräftisch in den Arsch
und ruf dabei: Narrhalla-Marsch!"
(Tusch, Narhalla-Marsch mit schnellem Weglaufen)

Dienstag, 10. November 2009

Richterliche Milde und eine enttäuschte Schulklasse

Die richterliche Milde durfte heute Morgen meine Mandantin erfahren. Laut Anklage soll sie jahrelang mit einem Mann zusammengelebt, ohne dies den Behörden, die für die Zahlung von Wohngeld etc. verantwortlich waren, mitgeteilt zu haben. Ein recht klassischer Fall von Leistungsbetrug also. Eine einschlägige Vorstrafe brachte sie mit.

Im Rahmen einer Verständigung wurde meiner Mandantin für den Fall der geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von maximal 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, in Aussicht gestellt. Die Anklage wurde auf einen Tatzeitraum von einigen Monaten begrenzt und der Sachbearbeiter der ARGE musste nur noch kurz als Zeuge gehört werden.

Die Verurteilung zu 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, mit der Auflage, den der ARGE entstandenen Schaden in monatlichen Raten à 100 Euro zurückzuzahlen, stellte ein durchaus mildes Urteil dar.

Im Sitzungssaal befand sich übrigens eine Schulklasse. Schüler, die "Gericht" nur aus dem nachmittäglichen TV-Programm kennen, schauen üblicherweise ganz enttäuscht drein, wenn sich die Prozessbeteiligten nicht anschnauzen, keine Überraschungszeugen auftauchen und der Angeklagte auch nicht aussieht als komme er gerade aus einem Szenelokal. Das war hier nicht anders. Meine Mandantin war hingegen positiv überrascht davon, dass es nicht zuging wie bei Fernsehrichters.

Montag, 9. November 2009

In eigener Sache: Vortrag im Arbeitsrecht

Da behaupte noch einer, Strafverteidiger seien Fachidioten oder - freundlicher ausgedrückt - einseitig begabt. Stimmt alles nicht.

Morgen ab 14 Uhr halte ich im BIZ in Bad Kreuznach einen Vortrag zum Thema: Arbeitsrecht von A bis Z - was Frau wissen sollte.

Hintergrund: Ich habe den Vortragstermin sozusagen von einer Kollegin, mit der ich mal einige Zeit zusammengearbeitet habe, "geerbt". Erfreulicherweise konnte ich dieses Erbe rechtzeitig genug antreten um mich in die Materie einzuarbeiten.

Das Einzige, was mich grübeln lässt, ist die Ankündigung des Veranstalters, dass für Kinder ab 3 Jahren eine Betreuung zur Verfügung steht. Nur: was mit denen unter 3 Jahren?

Ich muss an einen früheren Ausbilder denken, der zu sagen pflegte: "Strafverteidiger bleiben cool, auch wenn´s heiss wird."

In diesem Sinne: Kinder, ich komme.

Sonntag, 8. November 2009

Fleischbeschau

Die wird es sicherlich heute werden. Wer schon immer mal wissen wollte, was ich mache, wenn ich nicht verteidige oder im Büro sitze und blogge: in Rheinbach bei Bonn findet heute die NAC Internationale Westdeutsche Meisterschaft im Bodybuilding statt.

Der Eintritt ist erfreulicherweise auch Leuten gestattet, die mindestens doppelt so viel Körperfett haben wie fünf von den Jungs und Mädels, die dort auf der Bühne stehen. Ich darf also auch rein.

Astrid, Olli und Remi - ich drück euch die Daumen!!

Samstag, 7. November 2009

Halloween und die Nachwirkungen

Ausgerutscht sei die 8-jährige, so ihr Anwalt in einem wütenden Schreiben an meine Mandantin, Frau A.. Im Treppenhaus vor deren Wohnung. Dort habe nämlich Toilettenpapier gelegen. Zugegeben, Toilettenpapier gehört für gewöhnlich nicht ins Treppenhaus, aber es trug sich zu am 31.10.. Bevor die kürbisgesichtigte Halloweenwelle von USA zu uns überschwappte war der 31.10. schlicht der Reformationstag. Heute, wette ich, kennt nicht mal ein Drittel der an diesem Tag u.a. mit Klorollen bewaffneten Kinder, die Bedeutung des Reformationstages, aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zum ausgerutschten Kind, für dessen Prellungen meine Mandantin als Hauseigentümerin haften soll: die habe dafür Sorge tragen müssen, dass in ihrem Hausflur kein Klopapier herumliege und da sie das nicht getan habe, soll sie nun zahlen. Das Kind war übrigens selbst in Süßes-oder-Saures-Halloween-Mission unterwegs.

Wir warten nun ab, ob das Ganze in eine Klage mündet und schütteln bis dahin einfach nur den Kopf.

Ich persönlich warte übrigens noch darauf, eine Anzeige wegen Körperverletzung und/oder Beleidigung zu kassieren. Nach dem 5. Klingeln am 31.10. (die Süßigkeitenvorräte waren schon nach dem 2. Klingeln vollständig aufgebraucht, es war kurz nach 21 Uhr), fanden es ein paar Halloweenscherzkekse besonders originell, die Klingel einzuklemmen, was mich dazu veranlasst hatte, dem Treiben stimmgewaltig ein Ende zu machen. Das Süße war aus, ich dafür aber stinksauer.

Freitag, 6. November 2009

Das teure Prinzip

Es gehe ihm auch ums Prinzip, verkündete Herr X. eingangs der Besprechung. Sein Nachbar habe ihm den "Stinkefinger" gezeigt.

In Anbetracht des derart kapitalen Vorwurfes und eingedenk nachmittäglicher Gerichtssendungen, in denen man mit derlei Delinquenten stets kurzen Prozess mache, wolle er hiergegen mit aller juristischen Härte vorgehen.

Sicher, die Beleidigung gehört zu den nebenklagefähigen Delikten. Doch vor die Nebenklage hat der Gesetzgeber nun mal die Anklage gestellt und die Wahrscheinlichkeit, dass wegen des Effenberg´schen Fingerzeigs ein Staatsanwalt Anklage erhebt, tendiert gegen Null.

Sicher, man kann vor dem Zivilgericht auch auf Unterlassung klagen, damit sich solche Frechheiten nicht wieder passiert, aber die Gerichts- und Anwaltskosten, die eine solche Klage verursacht, muss man als Kläger erstmal vorschiessen so man nicht rechtsschutzversichert ist.

Und sicher, ganz günstig wird die Sache nicht, wenn möglicherweise beim Gegner nichts zu holen ist, aber ob dem so ist, weiß man immer erst hinterher.

Gar nicht mehr so sicher, ob er die Sache denn tatsächlich durchziehen möhte, war sich Herr X. am Ende der Besprechung.

Donnerstag, 5. November 2009

Das Picknick im Auto - Teil 3

Ich hatte schon mehrfach über das Picknick im Auto berichtet.

Nachdem der Gutachter auch in seinem Ergänzungsgutachten klare Worte gefunden hat war ich eigentlich davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Klage aus Gründen der Schadensbegrenzung zurück nimmt.

Nichts Dergleichen ist geschehen. Im Gegenteil: der Kollege, der die Klägerin vertritt, hat einen wutschnaubenden Schriftsatz an das Zivilgericht verfasst, in dem er auch sein eigenes Unverständnis (und nicht nur das seiner Partei) darüber zum Ausdruck bringt, dass seine Partei darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen ist, auf die sie ihren Anspruch stützt. Das ist zwar ein ganz alter Hut und man lernt das in der ersten Vorlesng über Zivilprozessrecht, aber offensichtlich hat sich das noch nicht überall herumgesprochen. Anstatt aber mal konkret darzulegen, wie die Colaflasche angeblich geflogen sein soll um die Beschädigungen an der Windschutzscheibe, dem Wageninneren und der Kleidung der Klägerin zu verursachen, wirft er meiner Partei "destruktive Prozessführung" vor: wir würden ja immer nur bestreiten.

Das ist zutreffend. In der zweiten Vorlesung über Zivilprozessrecht lernt man, dass sich das Maß des Bestreitens nach dem Maß des klägerischen Vortrags richtet. Nichts Anderes machen wir und warten im Übrigen gespannt darauf, ob sich die Klägerin nun, da es auf das Ende des Prozesses zugeht, auf eine der bislang vorgetragenen Versionen festlegt. Mit diesem Vortrag wäre sie zwar präkludiert (3. Vorlesung ZPO), aber das macht angesichts des Ergebnisses des Gutachtens nun wirklich nichts mehr aus.

Dienstag, 3. November 2009

Der unerreichbare Kollege

Zu gerne würde ich der Aufforderung des in Spanien ansässigen Kollegen ja nachkommen und ihm eine Stellungnahme zu seinem Schreiben, das er an meinen Mandanten gerichtet hat, schicken.

Problem: er hat ausweislich seines Briefkopfes kein Fax, unter der angegebenen Telefonnummer verkündet eine Dame in spanischer Sprache, der Anschluss sei nicht erreichbar, Post kommt zurück und auf Emails antwortet er nicht. Keine Homepage, kein Weblog, nicht mal die Suchmaschine findet ihn.

Ob er tatsächlich existiert? Zumindest hat er für seine Partei eine Klage bei einem deutschen Gericht eingereicht. Wie er wohl mit dem Gericht und seinen Mandanten korrespondiert?

Montag, 2. November 2009

Zeugenvernehmung - 21 Uhr

Die Woche beginnt mit dem Anruf eines erstaunten Mandanten, der wissen möchte, ob er einer Ladung der Polizei zur Zeugenvernehmung folgen muss.

Ich kläre ihn auf. Nein, er muss nicht zur Polizei, auch nicht als Zeuge. Allerdings muss er damit rechnen, von der Staatsanwaltschaft geladen zu werden und dort muss er dann hin.

Der Mandant ist erfreut. Es sei nicht so, dass er nicht mitwirken wolle bei der Aufklärung von Straftaten (hier: Verkehrsunfall mit verletzter Person), aber abends um 21 Uhr ziehe er sein Sofa dem Polizeirevier vor. Ich hake nach: 21 Uhr? Ja, und er habe nachgefragt, es sei kein Tippfehler. Er faxt mir zum Beweis die Ladung. Ich kann ihn gut verstehen und versichere ihm, dass Staatsanwälte zwar oftmals auch bis nach 16 Uhr arbeiten, aber Zeugenvernehmungen um 21 Uhr äusserst selten sind.