Donnerstag, 12. September 2013

Aktionsbüro Mittelrhein: Kugelschreiberbeschlagnahme

Im Rahmen des ABM-Verfahrens finden regelmäßig Eingangskontrollen beim Landgericht Koblenz statt. Ziel dieser Kontrollen ist es, die ins Gerichtsgebäude eintretenden Personen u.a. auf gefährliche Gegenstände zu durchsuchen, so dass beispielsweise mitgeführte Taschen und Rucksäcke Kontrollen unterzogen werden.

Am heutigen Morgen wurde bei meinem Mandanten im Zuge einer solchen Kontrolle ein Plastikkugelschreiber „beschlagnahmt“, der dazu dient, auf dem Touchpad des Laptops zu schreiben.

Die Begründung der eifrigen Beamtin für die Beschlagnahme des Kugelschreibers lautete, dass die Mine spitz und das Teil damit gefährlich sei. Tatsächlich ist die Mine, die komplett aus Plastik besteht, abgerundet und damit weniger spitz als die eines normalen Kugelschreibers. Alles Zetern meines Mandanten half nichts, das Teil wurde nicht mehr hergegeben und sogar in einer Plastikhülle versiegelt. Weitere Schreibgeräte fielen der Kontrolle übrigens nicht zum Opfer.

Der formaljuristisch korrekte Weg, dieses Verhalten zu monieren, besteht darin, eine Eingabe bei der Verwaltung des Landgerichts zu tätigen, was meinem Mandanten zumindest heute sein Schreibgerät nicht wiedergebracht hätte. Folglich musste ich den beklagenswerten Zustand bei der hierfür unzuständigen Strafkammer benörgeln.

Diese zeigte sich überrascht von der Vorgehensweise der Ordnungshüterin und wies souverän einen im Saal befindlichen Wachtmeister an, das Ding in den Sitzungssaal zu schaffen. Es dauerte keine 5 Minuten und der Schreiber war wieder da, wo er hingehörte.

Donnerstag, 5. September 2013

Aktionsbüro Mittelrhein - von Nasenspitzen und Beamern

Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen. Einer Zeugin sollten Videoaufnahmen gezeigt werden und sie sollte dazu aussagen.

Da es bei Zeugen immer darauf ankommt, ob deren Aussage glaubhaft ist, müssen die Prozessbeteiligten in die Lage versetzt werden, dies zu beurteilen, unter anderem dadurch, dass sie den Zeugen während der Dauer seiner Aussage beobachten können. In nicht wenigen Seminaren für Strafverteidiger geht es demnach um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen und in diesem Zusammenhang auch um die Frage, ob man einem lügenden Zeugen seinen Hang zum nonchalanten Umgang mit der Wahrheit pinocchiogleich an der Nasenspitze ansehen kann. Das wiederum erfordert freien Blick auf des Zeugen Nasenspitze.

Anders als manch anderer Zeuge war diese Zeugin im Gefolge von bewaffneten Personenschützern und Zeugenbeistand erschienen, so dass neben ihr 4 weitere Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld Platz nahmen. Damit die Zeugin während ihrer Aussage auch bis in die letzte der 6 Reihen gesehen werden kann, wird sie mittels Beamer auf eine Leinwand oberhalb des Richtertischs übertragen. Dergleichen Beamer sollte nun aber dazu dienen, das Video zu zeigen. An sich keine große Sache, wenn gleichzeitig gewährleistet ist, dass man die Zeugin ebenfalls sehen kann. Dem war aber nicht so und so hörten wir trotz entsprechender Proteste die Stimme der Zeugin aus dem Off derweil das Video lief.

Die Kammer war der Meinung, dass die für die Zeugin getroffenen Sicherheitsmaßnahmen einer Änderung der Sitzordnung entgegenstünden. Es war nämlich beantragt worden -wie zuvor mit anderen Zeugen geschehen- die Zeugin erhöht zu platzieren.

Die Entscheidung der Kammer lässt sich mit höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht vereinbaren. Mehr als einmal haben sich Obergerichte dazu geräuspert, dass alle Prozessbeteiligten den Zeugen während seiner Aussage sehen können müssen.

Gerne hätte ich die Rechtsprechung um die Entscheidung bereichert, dass diese Grundsätze auch bei besonders gefährdeten Zeugen gelten, aber dazu wird es nicht kommen, da die Kammer meinem erneuten Antrag, entweder die Zeugin nebst ihrem Gefolge erhöht zu platzieren oder aber die Leinwand so aufzuteilen, dass man einen geteilten Bildschirm hat, stattgegeben hat.

Das Gericht nutzte die Mittagspause dazu, eine zweite Leinwand und einen zweiten Beamer zu beschaffen, so dass fortan Zeugin und Video geschaut werden konnten. Das ist streng genommen sogar mehr als ich beantragt hatte und es zeigt, dass die Kammer sich -wenn schon nicht mein Genörgel- so aber doch die herrschende Rechtsprechung zu Herzen genommen hat.

Der für den Fall der Abweisung weiterführende Antrag, für dessen Vorbereitung ich die Mittagspause genutzt hatte, musste nicht gestellt werden.

Mittwoch, 4. September 2013

Zeugentypen. Heute: der Anarchist

Der Anarchist ist anders als der Klassenclown wenig mitteilsam und er sieht auch anders aus. Nicht nur anders als der Klassenclown, sondern auch anders als große Teile der inländischen Bevölkerung.

Seine Frisur gibt Auskunft darüber, dass Filzen nicht nur bei Angehörigen der alternativen Szene verbeheimatet ist und sein Kleidungsstil entspricht dem, den ich - wäre ich Richter - zum Anlass nehmen würde, den Zeugen nach Hause zu schicken, damit er sich dem Anlass entsprechend kleidet. Alleine aus praktischen Erwägungen heraus wäre es jedoch wenig probat, den Zeugen "nach Hause" zu schicken, da er über einen festen Wohnsitz nicht verfügt.

Er nimmt Platz, wobei er mit dem Hinterteil so nah Richtung Stuhlkante rückt, dass er droht, vom Stuhl zu rutschen und unwillkürlich denkt man an ein nasses Handtuch nach dem 2. Schleudergang.
Sein Blick ist betont gelangweilt, er selbst genervt, weil er als Anarchist keinen Zweifel daran lässt, dass er viel lieber entspannen würde als sich den Fragen des Gerichts und sonstiger Prozessbeteiligter zu stellen. Fragen werden daher gerne so kurz wie möglich beantwortet, gerne auch nuschelnd und in den seltensten Fällen erinnert er sich an Vorgänge, die länger als eine Woche zurückliegen.

Immerhin lässt er die Zuhörer wissen, dass Anarchie eine Utopie ist, was ihn nicht davon abbringt, sie für den Idealzustand menschlichen Zusammenlebens zu halten.

Finanzpolitisch ist er schwer auf Zack. Steuern gehören abgeschafft. Er selbst ist da übrigens auf einem guten Weg, denn da er keinen Beruf erlernt hat und auch noch nie gearbeitet hat, hat er noch nie Steuern gezahlt, was ihn freilich nicht davon abhält, aus Steuermitteln ALG zu beziehen.
Wenn er nicht gerade keine Steuern zahlt, geht er gerne auf Demos, vorzugsweise "für Asylanten".

Als Verteidiger (und Steuerzahler) ist man erleichtert, wenn seine Vernehmung abgeschlossen ist. So viel "Null Bock" verteilt auf relativ wenig Lebendgewicht ist wirklich schwer verdaulich.