Mittwoch, 31. Dezember 2008

Sockelverteidigung

Manchmal beneidet man sich nicht, wenn man einen von zwei Angeklagten verteidigt und der Verteidiger des anderen Angeklagten den Alleingang probt.
Unlängst flatterte mir eine Akte zur ergänzenden Einsichtnahme auf den Tisch. Gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung. Beide Angeklagten sind Heranwachsende, das vermeintliche Opfer und sämtliche Zeugen schildern die angebliche Tat derart unterschiedlich, dass man glauben möchte, es ginge um mindestens fünf unterschiedliche Sachverhalte.
Unter Würdigung der bisherigen Beweislage habe ich der Bewährungshilfe, die anfragte, ob man zum Täter-Opfer-Ausgleich bereit sei, mitgeteilt, dass hierzu keine Bereitschaft bestünde.
Der Akte entnehme ich nun, dass der Kollege für seinen Mandanten Bereitschaft bekundet hatte. Erfreulicherweise ist die Sache aber insgesamt daran gescheitert, dass das angebliche Opfer nicht bereit war, einen Termin zum gemeinsamen TOA-Gespräch wahrzunehmen.
Ich habe den Kollegen angerufen um zu fragen, was das soll. Er habe das Verfahren ohne Hauptverhandlung erledigen wollen. Einmal unabhängig davon, dass die meisten Gerichte nicht geneigt sind, Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzungen nach Eröffnung des Hauptverfahrens ohne Hauptverhandlung einzustellen, fürchte ich, dass der Alleingang des Kollegen auf dem Rücken meines Mandanten hätte ausgetragen werden sollen. Erfreulicherweise hat das ausgerechnet das mutmaßliche Opfer verhindert. Weniger erfreulich ist, dass wir demnächst gemeinsam verteidigen müssen. Zu hoffen bleibt, dass der Kollege sich bis dahin überlegt hat, dass eine Sockelverteidigung nicht nur für meinen Mandanten sinnvoll ist.

Dienstag, 30. Dezember 2008

Haftkoller

Ein Mandant, der wegen einiger nicht unerheblicher Delikte angeklagt ist und seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft sitzt, ließ mir bei einem meiner letzten JVA-Besuche für dieses Jahr von einem Mithäftling ausrichten, ich möge ihn ganz kurz besuchen, es habe mir was extrem Wichtiges zu sagen.
Was so extrem wichtig war, lässt sich wohl am Besten mit dem Terminus "Haftkoller" umschreiben. Mein Mandant berichtete mir Folgendes:
Ein "Kollege", der auf der gleichen Abteilung einsitze, habe gesagt, er könne gar nicht verstehen, warum er eigentlich noch einsitze und warum es mir nicht gelinge, ihn aus dieser misslichen Situation zu befreien. Der Anwalt, der ihn vertrete, Rechtsanwalt H. meine das auch und für ihn wäre es ein Leichtes, meinem Mandanten die Freiheit wieder zu schenken. Daraufhin habe er dem Anwalt H. eine Vollmacht unterschrieben. Er soll aber selber dafür sorgen, dass das Gericht meine Bestellung zur Pflichtverteidigerin aufhebt. Das wolle er aber nicht, denn eigentlich fühle er sich ja doch prima verteidigt und wisse, dass es dem Anwalt H. nur darum ginge, an das Mandat zu kommen. Und außerdem habe ihm ein anderer "Kollege" erzählt, der tauge nichts. Im Übrigen tue ihm alles furchtbar leid und er habe dem Gericht schon mitgeteilt, dass das Mandat zu Anwalt H. nicht mehr besteht.
Liebe Leser, ich hätte ja zu gerne gesehen, wie sich der Kollege H. eine blutige Nase geholt hätte bei der mündlichen Haftprüfung. Natürlich kennt er weder Fall noch Akte und natürlich braucht er Mandate. Ebenso natürlich verspricht er U-Häftlingen das Blaue vom Himmel herunter und trägt somit nicht nur zum Haftkoller, sondern auch zum allgemeinen Ärgernis bei.
Lieber Herr Kollege - man sieht sich. Demnächst. Immer zweimal. Oder beides.

Montag, 29. Dezember 2008

Amtsrichterin hat verlegt

Es geht doch. Kaum, dass ich der Richterin nochmals lang und breit geschrieben habe, dass es mir leider unmöglich ist, an zwei Verhandlungen gleichzeitig teilzunehmen, wobei die Strafsache schon seit Monaten terminiert ist und gleichzeitig angeregt habe, sie könne sich zur Überprüfung der Richtigkeit meiner Angaben auch gerne mit der Vorsitzenden der Strafkammer in Verbindung setzen, wurde der Termin einen Tag bevor er stattfinden sollte, dann doch aufgehoben. Ich nehme mal an, es war ihr dann doch ein wenig zu arg, eine Berufskollegin anzurufen, wobei ich bei diesem Telefonat gerne Mäuschen gewesen wäre.

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Die saisonal üblichen Wünsche...

...anstelle von Prozessberichten übersende ich heute allen Lesern meines Blogs.
Frohes Fest!

Dienstag, 23. Dezember 2008

"Die Polizei hat gesagt...

...dass da eh nix zu machen ist. Das Geld könnt ich mir sparen." Das sagten heute mehrere Zeugen in einem Anlagebetrugsverfahren auf die Frage, ob sie ihre jeweilige Forderung mal zivilrechtlich geltend gemacht hätten.
Ich habe nicht gefragt, warum sie sich hierauf verlassen haben, denn die Antwort kann ich mir denken: wenn einem "die Polizei" was sagt, dann stimmt das auch. Es muss einfach stimmen. Ich habe den Zeugen auch nicht gesagt, dass diejenigen, die einen Anwalt gefragt haben und mit der Beitreibung beauftragt haben, seit vielen Monaten Ratenzahlungen erhalten. Es gehört sich schließlich nicht, das Vertrauen der Bevölkerung in die zivilrechtliche Rechtsberatung der Polizei zu zerstören.

Samstag, 20. Dezember 2008

Termin geplatzt - Mandantin zahlt Bußgeld

Manchmal fragt man sich, warum man beauftragt wurde. Meiner Mandantin wurde eine Geschwindigkeitsübertretung vorgeworfen. Es erging ein Bußgeldbescheid. Sie beauftragte mich, ich legte Einspruch ein und wies sie an, von sich aus nichts zu veranlassen, insbesondere, keine Zahlungen vorzunehmen.
Das Verfahren nahm seinen Gang, vorgestern sprach ich mit dem Vorsitzenden einen Termin ab für März kommenden Jahres. Gestern rief er an, um mitzuteilen, dass meine Mandantin das Bußgeld gezahlt habe und wollte wissen, ob der Termin jetzt aufgehoben werden könne.

Freitag, 19. Dezember 2008

Planungshoheiten einer Strafkammer

Es ist schon erstaunlich, wie manche Kammern meinen, Strafprozesse zu leiten. Der Vorsitzende und seine Beisitzer haben einen Plan zum Ablauf und wehe, der Verteidiger greift in diesen ein. So geschehen kürzlich bei einer großen Strafkammer.
Nachdem die letzte Zeugin, die auf der Liste stand, vernommen war, verkündete der Vorsitzende gut gelaunt, er schließe jetzt die Beweisaufnahme. Die Höflichkeit hätte es geboten, zumindest zu fragen, ob hiermit allseitiges Einverständnis besteht. Mein Einwurf hierauf wäre an Höflichkeit durchaus zu überbieten gewesen.
Circa zwei Stunden später verlas ich einige Beweisanträge, denen nun nachgegangen wird. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Gericht nur zu gerne schon "den Sack zugemacht" hätte und gar nicht erfreut darüber war, dass in seine Planungshoheit eingegriffen worden war.
Pardon, hohes Gericht, es wird wieder vorkommen.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Ich bin jetzt Moderatorin

Nein, in Wirklichkeit bin ich seit einigen Jahren auch Mediatorin. So steht es auch auf meiner Visitenkarte, die ich dem freundlichen Herrn der Anzeigenannahme einer lokalen Zeitung als Vorlage für eine zu schaltende Werbeanzeige überreichte. Einen Korrekturabzug sollte ich bekommen. Bekam ich nicht. Statt dessen die Anzeige, in der ich mich als "Rechtsanwältin und Moderatorin" anpreise. Ach ja, statt "weblog" schreibt man dort "weblock" und anstelle von farbig veröffentlicht man in schwarz-weiß.
Und noch was - das Ding ist schon gedruckt.
Es gibt Tage, da wünscht man sich, jemand anderes zu sein.

Amtsrichterin will nicht verlegen - Teil 2

Warum sollte es mir anders ergehen als den Kollegen? Mein Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Freilich hatte ich mich lang und breit in der Begründung dazu ausgelassen, dass ich durch ein Strafverfahren verhindert bin. Gleichzeitig mit dem Beschluss fragte die Richterin aber an, ob ich am selben Tag nicht gegen 12.00 Uhr zur Verfügung stehen könnte.
Woher soll ich das wissen? In Strafsachen wird meist ab 9.00 Uhr terminiert und dann ist open end. Sowas sollte auch einer Zivilrichterin bekannt sein. - Das wäre meine Lieblingsantwort gewesen. Ich habe es vornehmer ausgedrückt.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Dolmetscherin kriegt jetzt auch Mecker vom Staatsanwalt

Die Dolmetscherin im Bulgari-Verfahren wird langsam aber sicher zum Dauerbrenner.

Gestern vormittag tuschelte sie mit einer Angeklagten auf Bulgarisch. Es machte nicht den Eindruck, als handelte es sich um Übersetz(t)ertätigkeiten.

Der gegenübersitzende Oberstaatsanwalt sah sich die Sache eine Weile an und fragte dann zielstrebig, was da geredet würde. Kleinlaut musste die Dolmetscherin einräumen, dass sie nicht gedolmetscht, sondern private Dinge mit der Angeklagten besprochen hatte.

Das nahmen sowohl Staatsanwaltschaft wie auch Gericht zum Anlass, sie mit einigen deutlichen Worten darauf hinzuweisen, dass dies nicht ihre Aufgabe sei.

Von der Hybris, mit der sie ansonsten der Kritik der Verteidiger zu begegnen pflegte, war nichts mehr übrig geblieben. Der Kreis der Kritiker hat sich damit geschlossen. Nach Verteidigung und Nebenklage jetzt auch Staatsanwaltschaft und Gericht. Schön, wenn in einem streitigen Verfahren mal so viel Einigkeit herrscht.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Anlagebetrug - da müssen sie meine Frau fragen

Es geht nun schon seit mehr als einem Dutzend Verhandlungstage darum, ob die Angeklagten Anleger um deren Ersparnisse betrogen haben oder nicht. Die Staatsanwaltschaft wollte alle Zeugen hören. Heute ging es los.
Meist waren es Ehepaare, die berichten sollten, wer ihnen wann was als Anlagestartegie empfohlen hatte. Fast schon stereotyp kam von den Herren die Aussage: "Das weiß ich nicht. Da müssen Sie meine Frau fragen." In dem meisten Haushalten scheinen also die Damen die Finanzminister zu sein. Die Herren wiederum scheinen es ihren Frauen nicht übelgenommen zu haben, dass das Geld am Ende nicht mehr da war.
Alle waren übrigens noch miteinander verheiratet. Es gibt sie noch, die liebe Liebe.

Montag, 15. Dezember 2008

Suggestivfragen einer Pflegemutter

Im Rahmen eines Schwurgerichtsverfahrens geht es um den Vorwurf des versuchten Totschlags. Meinem Mandanten wird vorgeworfen, seine 2 Monate alte Tochter körperlich misshandelt zu haben.

Hierzu berichtet die Rheinzeitung heute:

"Siebenjähriger sagt vor Gericht aus
Westerwald/Koblenz Weil der wegen versuchten Totschlags angeklagte Vater nach wie vor schweigt, musste jetzt der siebenjährige Bruder des Opfers vor Gericht aussagen. Der 46-Jährige soll seine kleine Tochter schwer verletzt haben. Im Beisein des Angeklagten wollte der siebenjährige Junge jedoch nicht sprechen.
Er habe zuviel Angst vor ihm, sagte er seiner Betreuerin. Der Koblenzer Schwurgerichtskammer lag viel an der Aussage des Jungen und ließ den 46-Jährigen während der Vernehmung des Kindes aus dem Saal führen. Dann sprach der Siebenjährige über das, was er an jenem Frühlingstag dieses Jahres gesehen hatte.
Angeklagt ist der Vater der kleinen Nina. Er soll das damals wenige Wochen alte Kind kräftig geschüttelt und mit voller Wucht mehrmals auf dem Steinfließenboden der Küche geschleudert haben. Grund: Es schrie. Nina erlitt Schädelbrüche, eine irreparable Hirnverletzung und wird voraussichtlich immer ein Pflegefall bleiben.
Zeuge des Geschehens war der siebenjährige Bruder des Säuglings. Er ist nicht der Sohn des Angeklagten. „Weil sie nicht trinken wollte und so schrie, hat er sie hinten gepackt und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen“, berichtetete der Junge. Das habe der Angeklagte viermal getan. Dann habe Nina keine Luft mehr gekriegt, und er habe sie am Bauch massiert wie es die Ärzte im Fernsehen tun. Die zweijährige Schwester habe das alles auch gesehen, während die Mutter im Nebenzimmer schlief."

Was nicht in der Zeitung steht:
Es war nicht das erste Mal, dass der Junge befragt worden war. Seine Pflegemutter hatte ihn auch schon befragt. Sie hatte ihn mehrfach befragt. Sie hatte ihn suggestiv befragt. Die Sachverständige, die sich zur Frage der Glaubwürdigkeit des Jungen äusserte, gelangte zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Einflussnahme der Pflegemutter auf den Jungen nicht mehr zuverlässig feststellbar sei, ob dessen Aussage einen realen Erlebnishintergrund habe oder nicht.

Freitag, 12. Dezember 2008

Staatsanwalts Wünsche zum Advent

In Koblenz macht man sich bereit für die BUGA 2011. Getreu dem Motto "Unsere Stadt soll grüner werden" ist man eifrig dabei, erstmal Bäume zu fällen um später Blumen pflanzen zu können, die Verkehrsführung wurde umgeleitet mit dem Erfolg , dass man sein Auto nun in den Hauptverkehrszeiten noch etwas länger von innen geniessen kann und dergleichen Unfug mehr.
Vor dem Koblenzer Gerichtsgebäude ist schweres Gerät im Einsatz. Es sieht so aus als sollte ein Parkplatz in ein Blumenbeet umgestaltet werden.
Heute Morgen vibrierte und dröhnte es in Saal 48 gewaltig. Es hörte sich an, als ob gleich eine Planierraupe die Fensterfront durchbrechen wollte. Während die Vorsitzende noch überlegte, den Saal zu wechseln, meinte der Staatsanwalt in Richtung der Verteidigerbank : "Wenn hier gleich alles einbricht, hoffe ich, dass es da drüben bei Ihnen anfängt." Besten Dank für so viel Mitgefühl. ;-)
Eingebrochen ist indes nichts, außer vielleicht die Miene eines Angeklagten, der überrascht schien als der einvernommene Polizeibeamte seine Einlassung, er habe ihn unter Druck gesetzt, nicht bestätigte.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Laptopverbot im Holzklotz-Fall

Für Rechtsanwälte in Strafverfahren gehört ein Laptop inzwischen zur Standardausrüstung, was gut so ist, denn in manchen Umfangsverfahren wäre es gar nicht möglich, sämtliche Aktenbände ohne Sackkarre in den Sitzungssaal zu transportieren.

Im sog. Holzkoltz-Fall hatte ein prozessbeobachtender Journalist beantragt, ihm die Benutzung eines Laptops zu gestatten. Das Landgericht hatte diesen Antrag zurückgewiesen und so zog der Journalist zum Bundesverfassungsgericht. Dieses bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.12.2008:
"Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts lehnte einen Antrag eines Journalisten im sog. Holzklotzfall auf Erlass einereinstweiligen Anordnung ab, ein sitzungspolizeiliches Verbot desVorsitzenden der 5. Strafkammer des Landgerichts Oldenburg aufzuheben,wonach die Benutzung von Laptops und Notebooks im Sitzungssaal nicht zugelassen wird. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist durch den Ausschluss von Laptops nicht zu befürchten, denn dadurch wird die Berichterstattung nicht nachhaltig erschwert. Weder wird der Zugang der Medienorgane zur Gerichtsverhandlung eingeschränkt, noch hängt die Presseberichterstattung inhaltlich oder sonst entscheidend davon ab, dass Laptops zugelassen werden. Zwar stellt die Untersagung derBenutzung eines Laptops in einer Hauptverhandlung, insbesondere auch unter Berücksichtigung des erheblichen öffentlichen Interesses an diesem Strafverfahren, keine nur marginale Einschränkung der Tätigkeitvon Journalisten dar. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass moderne Laptops teils über Kameras und Mikrofone verfügen, deren - § 169 Satz 2GVG zuwider laufende - Verwendung während der mündlichen Verhandlungsich kaum kontrollieren ließe."

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Nebenklage fordert: Der junge Mann bleibt hier!

Die Übersetz(t)erin im Bulgari Verfahren, in den Kreisen der Verteidigung aufgrund ihrer hybriden Art besser als Frau Dr. Wichtig bekannt, musste heute eine weitere Schlappe hinnehmen.
Sie unternahm einen erneuten Anlauf, mit ihrem Kollegen, der seit Tagen die bulgarische Zeugin dolmetscht, während sie zwischen zwei Angeklagten auf der Anklagebank sitzt, die ihre Dienste nur gelegentlich benötigen, den Platz zu tauschen.
Noch bevor irgendeiner der Verteidiger auch nur einen Mucks von sich geben könnte, bellte die Vertreterin der Nebenklage, deren Mandantin die besagte Bulgarin ist, ins Mikrofon: "Nee, nee, nee, den jungen Mann lassen sie mal schön hier sitzen!"
Die Art und Weise wie sie das sagte, liess keinen Zweifel daran offen, dass für den Fall des Tauschens ein zumindest mittelprächtiges Gewitter über die Beteiligten hereingerauscht wäre.
Amüsiert musste ich zur Kenntnis nehmen, dass man sich trotzdem man konträre Positionen vertritt, zumindest in der Dolmetscherfrage einig war.

Dienstag, 9. Dezember 2008

Dolmetscher ist unpässlich

Das Verfahren läuft seit einigen Wochen. Es geht um versuchten Totschlag. Mein Mandant ist Ausländer und spricht nicht hinreichend Deutsch, so dass für die Hauptverhandlung ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss.
Selbiger ist jung, er ist nett, er ist freundlich und hat offensichtlich den Schuss nicht gehört.
Heute Morgen (Verhandlung ist heute ab Mittag) erreicht mich eine Email mit dem Inhalt, er könne den heutigen Termin aus "persönlichen Umständen" nicht wahrnehmen.
Worin diese persönlichen Umstände bestehen, hat er nicht näher ausgeführt. Krank scheint er nicht zu sein, denn aus diesem Grund (Erkältung) hatte er mich schonmal hängenlassen als ich ihn für einen JVA-Termin eingeplant hatte.
Vielleicht muss er ja heute Weihnachtsgeschenke einkaufen gehen.
Wer jetzt denkt, er hätte seine persönlichen Verhinderungsumstände auch der Kammer mitgeteilt, irrt. Das habe ich übernommen und warte nun gespannt, ob es gelingt, bis zur Hauptverhandlung einen Ersatzdolmetscher zu erreichen.
Meine persönliche rote Liste betreffend Dolmetscher ist jedenfalls seit heute um einen Namen länger geworden.

Montag, 8. Dezember 2008

Plädoyerdurcheinander

Heute Mittag bei einem Amtsgericht in der hessischen Provinz staunte ich nicht schlecht als nach durchgeführter Beweisaufnahme der Richter zunächst meiner auch als Verteidigerin tätigen Kollegin das Wort erteilte. Die schaute irritiert in Richtung des Staatsanwalts, der sich nicht rührte, dann irritiert in meine Richtung (Achselzucken) und legte dann los.
Dann erhielt ich das Wort und begann mein Plädoyer, das nach 2 Minuten vom Geläut meines Handies unterbrochen (meine Sekretärin rief an um mir das Aktenzeichen der vorherigen Verurteilung meines Mandanten mitzuteilen, damit die Bildung einer Gesamtstrafe möglich war), dann fortgesetzt wurde. Hernach hatten die Angeklagten das letzte Wort.
Dann erst fiel dem Richter auf, dass der Staatsanwalt noch nichts gesagt und beantragt hatte und meinte augenzwinkernd in Richtung der Verteidigerbank, dass auch beim Amtsgericht B. dieselbe StPO gelte wie in Koblenz. Der Staatsanwalt, der sich als Referendar herausstellte, stotterte dann sein Plädoyer (wahrscheinlich war er froh, dass man ihn zunächst vergessen hatte), Verteidigung und Angeklagte bezogen sich auf ihre vorherigen Ausführungen und heraus kam ein Urteil, das man als sehr wohlwollend bezeichnen kann.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Amtsrichterin will nicht verlegen

In einer Zivilsache haben die gegnerischen Kollegen um Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten mit der Begründung, zwei der insgesamt drei Kollegen seien ortsabwesend, der dritte Kollege habe am gleichen Tag bereits anderweitige Termine wahrzunehmen.
Die Richterin weist den Antrag zurück mit der Begründung, erhebliche Gründe für die Verlegung seien nicht glaubhaft gemacht worden. Sie verweist auf § 227 ZPO, der vorsieht, dass derartige Gründe auf Verlangen glaubhaft zu machen sind. Verlangt hatte sie es aber gerade nicht. War sie am Ende davon ausgegangen, die Kollegen würden sich gleichsam im vorauseilenden Gehorsam darüber ausbreiten, wer von ihnen wann, wo und in welcher Sache unterwegs ist?
Freitagmittag rief dann die Geschäftsstelle der Richterin hier an und teilte mit, dass der Termin verlegt sei. An diesem Termin bin ich verhindert und schon ganz gespannt darauf, wie mit meinem Antrag verfahren werden wird.

Samstag, 6. Dezember 2008

Nicht gesund aber bequem

Hauptverhandlung in einem Strafprozess. Es geht u.a. um verfälschte Rezepte über ein Wachstumshormonpräparat.

Mein Mandant gab im Rahmen seiner Einlassung an, das Arzneimittel genommen zu haben, weil er sich davon einen Gewichtsverlust versprochen habe.

Der Staatsanwalt meinte hierauf, dass es zum Abnehmen auch andere Methoden gäbe. Die "FdH- Methode" beispielsweise würde bei ihm stets sehr funktionieren. Auf dergleichen Erfolge konnten weder mein Mandant, noch ich selbst, noch einer der Mitverteidiger verweisen. Bevor die Diskussion darüber, welcher der Prozessbeteiligten mit welcher Methode die besten Abnehmerfolge erzielt hat, richtig in Gang kommen konnte, meinte der Staatsanwalt, die von meinem Mandanten gewählte Methode sei doch nicht gesund. Darauf mein Mandant: "Gesund nicht, aber bequem."

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Bordellinhaberin ruft Polizei zu Hilfe

Man bekommt schon einiges geboten im Bulgari-Verfahren. Ein Polizeibeamter, dem vieles "nischt erinnerlisch" ist, wusste heute davon zu berichten, dass eine Bordellinhaberin sich bei seinem Kommissariat gemeldet habe um mitzuteilen, dass mehrere junge Frauen, die als Prostituierte in ihrem Bordell gearbeitet hatten, abreisen wollten. Man sei deshalb ausgerückt und habe die Frauen zunächst ins Polizeipräsidium verbracht und anschließend in ein Hotel, da man sie am nächsten Tag vernehmen wollte, was auch geschehen sei. Vor Ort hätten sich die Prostituierten dann beklagt, von der Bordellbetreiberin um Dirnenlohn geprellt worden zu sein.
Soso, und um die Polizei hiervon in Kenntnis zu setzen, hatte die Chefin wohl in vorauseilendem Gehorsam eigens dort angerufen? Oder galt etwa der Anruf dem einfachen und kostengünstigen Abtransport von Prostituierten, der für sich genommen nicht in den originären Zuständigkeitsbereich der Kripo fällt?
Rein zufällig handelte es sich bei den Frauen um Zeuginnen, die Belastendes über die Angeklagten auszusagen wussten und bei der Bordellbetreiberin um eine Dame, von dem dem Zeugen auf Befragen dann erinnerlich war, dass sie schon einmal mit der Polizei kooperiert hatte.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Richter droht mit Kahlschlag

Der Prozess läuft seit vielen Monaten. Eine Wirtschaftsstrafsache. Beide Angeklagte haben die Anklage zum Teil eingeräumt. Heute liess sich einer der Angeklagten weiter ein. Der Vorsitzende fragte hinsichtlich der Einlassung des Mitangeklagten meinen Mandanten, ob er ebenfalls noch Erklärungen abgeben wolle. Schaden könne es nicht, denn "das er geschoren wird, ist klar; die Frage ist nur, wie weit er geschoren wird".
Angesichts der mehr als schütteren Haarpracht meines Mandanten liess sich mein Kollege Verteidiger zu der Bemerkung hinreissen, es sei ja nicht mehr viel zum Scheren da. Im Hinblick auf seinen Mandanten, der noch nicht so sehr in die Mauser gekommen war, vermochte ich nur zurückzugeben, dass bei diesem ja mehr verblieben sei.
Alle Beteiligten nahmen die Sache mit Humor; jedenfalls mit mehr Humor als die Beweisanträge der Staatsanwaltschaft, die danach verlesen wurden.

Montag, 1. Dezember 2008

Verteidiger als Restaurantkritiker?

Auch gute Restaurants haben mal einen schwarzen Tag. Heute war ein solcher. Vier Verteidiger (nein, nicht DIE) gingen zusammen essen und jeder hatte was auszusetzen. Einem wurde das Besteck verkehrtherum hingelegt, der nächste hatte alkoholfreies Bier bestellt und solches mit Umdrehungen bekommen, die Suppe der Kollegin war etwas lau und mein Gemüse war al kukidente (man hätte es mühelos auf der Felge lutschen können) zerkocht. Bedingt durch diese Pannen liess ich die Bemerkung fallen, dass man bei Restaurantsendungen für sowas auf die Nominierungsliste kommt. Offensichtlich wurde diese Bemerkung von einer Kellnerin aufgeschnappt, die sich im Anschluss mit großer Freundlichkeit und noch größerer Sorgfalt um uns bemühte. Mein Essen musste ich nicht bezahlen. Das sei ja das Mindeste, meinte die Kellnerin. Und so fiel das Trinkgeld trotz mittelmäßigen Essens großzügig aus. Sollte die Kellnerin diesen Beitrag lesen: nein, wir waren keine Restaurantkritiker, obwohl uns der Job sicher auch Spaß machen könnte - allerdings nur in Verhandlungspausen.

Menschenhandelsprozess - protokollfester Polizist

Ja, wir haben im Koblenzer Bulgari-Verfahren mit Spannung gewartet, ob die Zeugin aus Bulgarien, die für heute geladen war, den Weg gefunden hat. Und - wurden enttäuscht. Sie war nicht erschienen.
Stattdessen wurde ein Polizeibeamter vernommen, der wohl zumindest den Sonntag damit zugebracht haben dürfte, die seinerzeit von ihm durchgeführten Vernehmungen nahezu auswendig zu lernen. Als Verteidiger kann man sich bei derart protokollfesten Zeugen eigentlich entspannt zurücklehnen. Der Überraschungseffekt, der vielen Zeugenaussagen innewohnt, die sich Monate später an ganz andere und zum Teil noch schlimmere Dinge zu erinnern meinen als sie ursprünglich angegeben hatten, bleibt aus.

Freitag, 28. November 2008

Der Fall Marco W. oder: prosaische Ergüsse eines Unverteidigten

Eine überregionale Tageszeitung veröffentlichte heute Auszüge aus dem Buch des ehemals in der Türkei inhaftierten Marco W.. Titel: Marco packt aus.
Eine Video gibts dazu auch, zu sehen auf der Homepage der Zeitung. Darin sieht man Marco W. in weißem Hemd, Jeans und Brille und hört, wie er erklärt, dass er das Buch geschrieben habe um die Erlebnisse im türkischen Knast zu verarbeiten. Er erklärt weiter, er sei unschuldig, das britische Mädchen habe ihm auf Nachfragen gesagt, sie sei älter. Dann sei da noch dieses grüne Bändchen, das alle Personen über 16 hatten um Alkohol trinken zu dürfen. Zudem frage man auch nachts um 1 Uhr in der Disco nicht nach dem Ausweis.
Ich habe großes Verständnis für die Verteidiger des Buchautoren, die das Mandat niedergelegt haben (Quelle: die zeit). Einen Mandant, der ohne Rücksprache mit mir ein Buch herausbringt, das sich mit dem Tatvorwurf befasst, wollte ich auch nicht haben. Ich stelle mir gerade vor, wie es später sein könnte im Rahmen des Prozesses, wenn er mit seinen prosaischen Ergüssen konfrontiert wird. Mir würde beispielsweise die Frage auf der Zunge liegen, weshalb er denn überhaupt nach dem Alter fragte. Oder vielleicht, ob er vor 22 Uhr nach einem Ausweis gefragt hätte.
Sicher hat der Junge schlimme Dinge erlebt und sicher ist es nicht leicht, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Ich bezweifle aber, dass die gewählte Form die richtige ist dafür. Zu wünschen ist ihm, dass er nun Berater findet, die versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und zu denen das Vertrauen groß genug ist, etwaige weitere Veröffentlichungen mit ihnen zu besprechen.

Donnerstag, 27. November 2008

Angebot jenseits von Gut und Böse

Mein Mandant war wegen Körperverletzung angezeigt worden. Im Ermittlungsverfahren wendete sich das Blatt und schließlich fand sich das angebliche Opfer auf der Anklagebank wieder wegen Körperverletzung zum Nachteil meines Mandanten. Dumm gelaufen für den Anzeigeerstatter. Noch dümmer für ihn lief es weiter. Er wurde verurteilt zu einer Bewährungsstrafe, fing sich die Kosten der Nebenklage (rund 1800 Euro) und ist derzeit Hauptdarsteller im zivilprozessualen Drama auf Schmerzensgeld.
Eben rief er bei mir an und bot an, die Kosten der Nebenklage in monatlichen Raten à 40 Euro ab Januar 2009 zurückzuzahlen. Dieses Angebot habe ich abgelehnt. Rechnet man die Zinsen drauf, zahlt er schlappe fünf Jahre ab, was für den Gläubiger nicht zumutbar ist. Statt dessen schicke ich lieber den Gerichtsvollzieher los. Der Schuldner betreibt eine Firma. Vielleicht erhöht er ja sein Angebot bevor es so richtig dumm für ihn weiter läuft.

Mittwoch, 26. November 2008

Fehlendes Augenmaß - Staatsanwaltschaft nimmt Berufung zurück

Soeben hatte ich Gelegenheit, die Staatsanwältin, die diese Berufungsbegründung verfasst hat, live zu erleben.
Zur Erinnerung: mein Mandant befand sich schon in einer stationären Therapie als das Urteil erster Instanz gefällt wurde und die Amtsrichterin hatte einen mehr als positiven Eindruck von ihm, weshalb sie ihm trotz einschlägigen Bewährungsversagens die Freiheitsstrafe nochmals zur Bewährung aussetzte. Das war im Februar. Seit ich kopfschüttelnd die Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft gelesen hatte, die darauf abzielte, meinen Mandanten stationär im Knast statt weiter in der Therapie unterzubringen, versorgte ich das Berufungsgericht regelmäßig mit Therapieberichten und Berichten über negative Screeningergebnisse. Mein Mandant machte auch heute wieder einen guten Eindruck auf das Gericht. Begleitet wurde er von einer Mitarbeiterin der Einrichtung, die als Zeugin über den Therapieverlauf gehört wurde. Übereinstimmend war man der Auffassung, dass sich der positive Eindruck manifestiert hat. Die Staatsanwaltschaft nahm auf Anregung des Gerichts ihre Berufung zurück und obwohl mir nach wie vor der Kamm schwillt wenn ich die Berufungsbegründung lese, die meinem Mandanten nahezu ein halbes Jahr im Nacken saß, freut mich natürlich dieser Meinungsumschwung. Das fehlende Augenmaß musste also nicht erst durch ein Berufungsurteil korrigiert werden.

Dienstag, 25. November 2008

Nebenklägerisches Vergnügen - der Provinzposse gutes Ende

Die Verhandlung mit den vier Angeklagten und mir in der ungewohnten Nebenklagevertreterrolle wurde heute fortgesetzt. Alles war wie schon im letzten Termin: wieder wurden Zeugen vernommen, wieder wurde ihnen ein ganzer Schwung Fragen seitens der Verteidigung gestellt, die erfreulicherweise das Vorbringen der Nebenkläger untermauerten und wieder hatte ich das Gefühl, gut unterhalten zu werden.
So zum Beispiel als einer der behandelnden Ärzte eines Nebenklägers als Zeuge vernommen wurde. Der Arzt kam in Begleitung seiner im Kinderwagen sitzenden kleinen Tochter. Er befand sich (ganz emanzipierter Vater) in Elternzeit. Der Vorsitzende forderte ihn auf, dem Kleinkind das Fläschchen aus der Hand zu nehmen, was zwar als Scherz gemeint war, aber trotzdem befolgt wurde und gab seiner Hoffnung Ausdruck, das Kind werde kein Trauma erleiden durch die Beiwohnung einer Gerichtsverhandlung in derart jungen Jahren.
Nach seiner Vernehmung, die die angezweifelten Verletzungen des Nebenklägers bestätigte, zog man sich ins Beratungszimmer zurück und siehe da - ein Verteidiger zeigte sich kompromissbereit und versuchte, Schadensbegrenzung zu betreiben. Ihm gelang es auch, die restlichen Kollegen davon zu überzeugen, dass ein Freispruch in unerreichbare Ferne gerückt war. Die weitere Beweisaufnahme konnten wir uns sparen. Die Angeklagten wurden zu milden Bewährungsstrafen verurteilt und zur Abgeltung aller zivilrechtlichen Ansprüche der Nebenkläger haben wir einen Schmerzensgeldvergleich gezimmert, der nun ein zivilrechtliches Verfahren obsolet macht.
So schön es auch war: Verteidigen gefällt mir trotzdem besser als die Vertretung der Nebenklage.

Montag, 24. November 2008

Prostitution und Putzen

Der Strafprozess dient zweifelsohne dem Erkenntnisgewinn. Eine Zeugin behauptete unlängst, man habe sie kurz nach ihrer Einreise nach Deutschland zur Prostitution gezwungen. Sie habe das schrecklich gefunden und hätte lieber als Putzfrau gearbeitet. Welcher Tätigkeit sie denn nun nachgehe, wollten die Verfahrensbeteiligten wissen. Immer noch der Prostitution, antwortete die Zeugin. Die Erklärung, warum denn nicht als Putzfrau, lieferte sie auf Nachfragen gleich mit: sie spreche nicht ausreichend Deutsch um als Putzfrau zu arbeiten.
Zugegeben, im Bereich der Prostitution spielt sich sicher vieles im nonverbalen Bereich ab, allerdings sind mir keine Bodenbeläge bekannt, die der besonderen verbalen Zuwendung - noch dazu in deutscher Sprache - bedürfen.

Freitag, 21. November 2008

Zermürbende Beweisanträge

Schon zum zweiten Mal waren meine Kollegin und ich heute bei einem beschaulichen Amtsgericht in der Nähe von Trier. Unseren Mandanten war gemeinschaftlicher Betrug vorgeworfen worden. Im Vorgespräch standen Geldstrafen zur Diskussion. Von einem solchen Deal hatten wir unseren Mandanten abgearten. Nachdem wir gegen Ende der letzten Sitzung weitere Beweisanträge gestellt hatten, wurde uns angeboten, das Verfahren gegen einen der Angeklagten nach § 153 a StPO einzustellen und nur den anderen zu verurteilen. Auch dieses Angebot lehnten wir ab, so dass wir uns heute wieder trafen um einen weiteren Zeugen zu hören. Es handelte sich um einen Vertreter einer Krankenkasse, dessen Erinnerung nicht mehr ganz taufrisch war. Auffrischen konnte er sie auch nicht, weil sich die betreffende Akte in Berlin befand, wo sie verfilmt werden sollte. Trotzdem war seine Aussage geeignet, uns die Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Wir stellten daher weitere Beweisanträge (die wir schon für die letzte Sitzung vorbereitet hatten, aber noch nicht verpulvern wollten) und die Vorsitzende holte ihren Terminkalender. Es galt, zwei Verteidiger und zwei Angeklagte innerhalb von drei Wochen unter einen Hut zu bringen. Ein gemeinsamer Termin fand sich nicht. Die Möglichkeiten wurden erörtert: aussetzen und irgendwann wieder ganz von vorne beginnen oder vielleicht doch einstellen. Wir einigten uns auf eine Einstellung nach § 153 StPO.
Entgegen dem Wunsch unserer Mandanten hatten wir die Beweisanträge nicht schon im vorangegangenen Termin en bloc gestellt. Jetzt wissen sie, warum.

Donnerstag, 20. November 2008

Knallharte Belehrung

Eben lese ich in einem polizeilichen Vernehmungsprotokoll (vernommen wurde ein 24-jähriger wegen Verdachts des Einbruchsdiebstahls, die Vernehmung wurde geführt von einem KOK bei einer Kreispolizeibehörde):
"Vorhalt: Ich kann mir das so wie du das erzählst nicht vorstellen. Ich habe dich eben belehrt und dir den § 46 StGB erläutert. Überlege noch einmal genau!"
Wir wollen mal großzügig darüber hinwegsehen, dass die beiden Protagonisten nicht miteinander die Schulbank gedrückt haben, so dass für die distanzlose Duzerei eigentlich kein Anlass bestand und stattdessen annehmen, dass eine besonders kuschlige und vertraute Vernehmungsatmosphäre geschaffen werden sollte. Ebenfalls vernachlässigbar ist der Umstand, was sich ein Polizist so alles nicht vorstellen kann, da Phantasie ja bekanntlich etwas sehr Individuelles ist. Dass aber ein Polizeibeamter - offenbar um sich wichtig zu machen - munter mit Paragarphen um sich schmeisst in der Annahme, der nicht juristisch vorgebildete Beschuldigte werde das ohnehin nicht verstehen, ist ein starkes Stück, das noch zusätzlich dadurch verstärkt wird, dass er im Ermittlungsstadium schon munter über die Grundsätze der Strafzumessung parliert. Der hybride KOK scheint also den Schuldigen bereits vor Abschluss der Ermittlungen ausgemacht zu haben. War da nicht mal was, das sich Unschuldsvermutung nennt? Wie dem auch sei: es gibt Zeugen, auf deren Befragung in der Hauptverhandlung man sich als Verteidiger immer besonders freut. Dieser gehört dazu.

Mittwoch, 19. November 2008

Mea culpa - Wartepflichten eines Verteidigers

Nun weiß ich endlich, wer daran schuld ist, dass mein Mandant gleich zweimal in Folge die Nerven verloren und die Berufungen zurückgenommen hat: ich!
Und das kam so:
Um einen weiteren Tatvorwurf mit ihm zu besprechen war ich unlängst in der JVA. Mein Mandat war zu diesem Zeitpunkt allerdings unpässlich und liess mir ausrichten, er stünde unter der Dusche. Nachdem er sein Pflegeprogramm in für mich erträglicher Zeit nicht abgeschlossen hatte, fuhr ich unverrichteter Dinge zurück ins Büro. Die Sache eilte schließlich nicht und dass ich gegen die beiden amtsrichterlichen Urteile Berufung eingelegt hatte, war mit ihm besprochen und die Abschriften der Rechtsmittelschriften hatte ich ihm auch schon übersandt.
Ebenfalls habe ich sofort schriftlich bei ihm nachgefragt, weshalb er ohne Rücksprache mit mir die Berufungen zurückgenommen habe. Mein Mandant antwortet mir nun sinngemäß, ich sei an allem schuld, da ich ihn nicht besucht hätte. Er hätte soviele Fragen gehabt, die der Erörterung bedurft hätten und ich hätte mich nicht sehen lassen. Deshalb hätte er ohne mich mit vielen unbeantworteten Fragen entscheiden müssen. So!
Offenbar war es ihm weder möglich, mich über den Sozialdienst anzurufen (bei dringenden Fragen an den Verteidiger geht das schon mal) noch konnte er sich des Postweges bedienen.
Fazit: einer - so hoffe ich - Mindermeinung zufolge sollte der Verteidiger brav zuwarten bis ihn der Mandant frisch geduscht und gefönt zur Audienz empfängt um nicht zu riskieren, dass mit diesem die Nerven durchgehen.

Zeugin gibt Rätsel auf

Soeben berichtet ein Zeugin im Bulgari Verfahren beim Landgericht Koblenz, sie habe bevor sie nach Deutschland gekommen sei, in Spanien als Erntehelferin gearbeitet. Was die denn geerntet habe, wollte die Vorsitzende wissen. Hierauf berichtete die Zeugin, sie wisse es nicht genau. Es habe sich um eine rote, längliche Frucht gehandelt, aus der kleine, schwarze, wohlschmeckende Kugeln herausgekommen seien. Diese Frucht sei an einem Strauch gewachsen, nicht an einem Baum. Keiner der Prozessbeteiligten vermochte bislang diese Frucht näher zu bezeichnen. Sollten sich Biologen oder anderweitig (frucht)kundige unter den Lesern befinden, ist nicht nur die südliche Achse des Bösen dankbar für Hinweise.

Dienstag, 18. November 2008

Unerreichbarer Zeuge

Das Amtsgericht W. hatte wohl in weiser Voraussicht gehandelt als es vor einigen Wochen einen Kronzeugen, der von den Segnungen des § 31 BtmG reichlich Gebrauch gemacht hatte, richterlich vernahm. Heute fehlte der Zeuge, wobei nicht klar war, ob er sich noch immer im Zeugenschutzprogramm des LKA befindet. In die USA soll er verzogen sein. Genauere Erkenntnisse ließen sich auf die Schnelle nicht erlangen, so dass nicht von einer Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen werden konnte. Was dann kam, hatte ich schon erwartet: die Vorsitzende fragte, ob alle Beteiligten einverstanden seien mit der Verlesung der richterlichen Vernehmung. Ich glaube, sie hatte auch meine Antwort erwartet. Ich war natürlich nicht einverstanden; der Zeuge hatte meinen Mandanten erheblich belastet, so dass ich ihn gerne persönlich vernehmen möchte. Nächstes Mal gehts mit der Ehefrau des Zeugen weiter, die noch in Deutschland lebt und vielleicht weiß, wo genau sich ihr Gatte aufhält.

Montag, 17. November 2008

Bockige Opferzeugin

Im Bulgari Verfahren vor dem Landgericht Koblenz ging es heute mit Opferzeugin Nr. 1. Wir erinnern uns: die übersetzte Dolmetscherin, deren Austausch gegen einen anderen Dolmetscher, die Bekundungen der Zeugin, sich kaum erinnern zu können und die "Übergabeverhandlungen" einer Prozessbeteiligten vor der Tür des Gerichtssaales.
Heute hat die Verteidigung noch vor der Einvernahme der Zeugin mit einem bunten Strauß an Beweisanträgen aufgewartet, die u.a. die Glaubwürdigkeit der Zeugin zum Gegenstand haben.
Die Zeugin stellte eingangs dem Gericht die Frage, wie lange ihre Vernehmung noch dauern würde. Sie wolle zurück in ihr Heimatland zu ihren Kindern und wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Als das Gericht ihr zu verstehen gab, dass am heutigen Tage wahrscheinlich nicht mit dem Abschluss ihrer Vernehmung zu rechnen sei und die Verteidigung Beweisanträge gestellt habe, die es erforderlich machen könnten, sie auch zu den dort erwähnten Themen anzuhören, bockte die Zeugin. Dieses Verhalten war vermutlich von der Hoffnung getragen, man werde keine weiteren Fragen mehr an sie richten. Ein Zahn, der ihr schnell gezogen wurde mit dem Ergebnis, dass der Zeugin manche Antworten doch wieder einfielen. Die Vernehmung wird am Mittwoch fortgesetzt werden.

Sonntag, 16. November 2008

Die Achse des Bösen

Jetzt bin ich noch nicht einmal einen Monat mit meinem Blog am Start und schon werde ich von anderen Bloggern in einem Beitrag mit dem Titel "Die Achse des Bösen" erwähnt. Besagte Achse wird repräsentiert von insgesamt fünf Strafverteidigern (Siebers, Hoenig, Dieler, Feltus und Rueber), so dass keine Verwechslungsgefahr mit den Vier Strafverteidigern besteht.
Damit zieht sich die Achse vom Rheinland über Niedersachsen bis in die Hauptstadt und das finde ich richtig gut.

Samstag, 15. November 2008

Nerven verloren - Antwort ans Gericht

Ich habe mich für folgende Version entschieden:

"In der Strafsache

g e g e n

G.

2020 Js XXXX/06.2b Ls

nehme ich Bezug auf das dortige Fax vom 13.11.2008. Ich bin bemüht, kurzfristig in Erfahrung zu bringen, ob es sich bei der von meinem Mandanten ohne Rücksprache mit mir abgegebenen Erklärung um eine solche nach § 118 BGB handelt. Unmittelbar im Anschluss werde ich auf die Sache zurückkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin"

Freitag, 14. November 2008

Nerven verloren - Teil 2

Ich hatte bereits berichtet, dass ein Mandant ohne Rücksprache mit mir eine Berufungsrücknahme veranlasst hatte. Er war in letzter Zeit zweimal verurteilt worden und ich hatte gegen jedes der Urteile nach Rücksprache mit ihm Berufung eingelegt. Nun hat er auch die zweite Berufung zurückgenommen. Das Amtsgericht M. hat mir sein Schreiben mit der Bitte um kurzfristige Stellungnahme zugesandt. Mir kreisen gerade verschiedene Antwortmöglichkeiten durch den Kopf, angefangen bei "Jeder seines Glückes Schmied" über "Die Verteidigung geht davon aus, dass der Angeklagte sich bei Abfassung des Schreibens zumindest im Zustand des § 21 StGB befunden haben muss" bis hin zu: "Nach dem Dafürhalten der Verteidigung handelt es sich bei dem Schreiben um eine Erklärung nach § 118 BGB."

Donnerstag, 13. November 2008

Hilfe, ich habe einen Coverteidiger

Es gibt Tage, da erreichen einen seltsame Anrufe. Eben meldet sich eine freundliche Stimme am anderen Ende. Folgender Text: "Hallo, hier ist Rechtsanwalt X. Ich bin ein Freund Ihres Mandanten, Herrn Y. Herr Y. hat mich gebeten, ihn in der JVA zu besuchen und seine Akte einzusehen. Ich habe mich bei der Staatsanwaltschaft bestellt, damit ich mir mal einen Überblick verschaffen kann. Nicht, dass Sie jetzt denken, Herr Y sei mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden, ganz im Gegenteil, aber er hat mich gebeten..." - Hier reicht es mir. Ich unterbreche ihn:"Herr Kollege, ich brauche Ihnen doch wohl hoffentlich nichts von anwaltlicher Verschwiegenheitsverpflichtung zu erzählen. Ich werde Ihnen gegenüber weder sagen, ob ich einen Herrn Y vertrete noch irgendwelche sonstigen Erklärungen abgeben." Der Kollege beteuert nochmals, ein Freund meines Mandanten zu sein, ich lasse mir seine Adresse geben, wünsche einen schönen Tag und würge ihn ab. Unter der angegebenen Adresse habe ich keine Kanzlei gefunden und unter dem angegebenen Namen auch keinen Anwalt.
Als nächstes lasse ich mir mal die Akte kommen und sehe nach, ob sich darin ein Schreiben meines "Coverteidigers" befindet. Für diesen Fall nehme ich Mitleidsbekundungen gerne entgegen. Ein "Kollege", der derart nassforsch anruft, ist entweder kein Kollege oder falls doch, einer von der Sorte, die größere Flurschäden anzurichten imstande sind.

Dolmetscherin doppelt gedolmetscht

Sowohl mein Kollege Werner Siebers als auch ich haben schon über eine Dolmetscherin berichtet, deren Kompetenz von der Verteidigung in Zweifel gezogen wurde. Gestern erhob auch eine Vertreterin der Nebenklage Einwände gegen die übersetzerischen Fähigkeiten der Dame. Sie forderte, man möge doch dazu übergehen, doppelt zu übersetzen um auszuschließen, dass ihre Mandantin erneut vorgeladen werde, weil sich irgendwann die Kritik verdichten könnte mit dem Ergebnis, dass ihre Mandantin alles nochmal erzählen müsse. Die Dolmetscherin reagierte hierauf in gewohnter Manier. Sie habe alles zutreffend übersetzt und wenn sie etwas nicht verstanden habe, habe sie nachgefragt um korrigieren zu können. Dass das nicht ihre Aufgabe ist, war ihr zwar alles schon mal erklärt worden, sie schien es aber zugunsten ihrer narzisstischen Gekränkheit verdrängt zu haben. Und täglich grüßt das Murmeltier...
Sie wurde erneut vom Gericht belehrt und gegen den weiteren Dolmetscher, der bis dahin den Angeklagten übersetzte, kurzerhand ausgetauscht.

Mittwoch, 12. November 2008

Unbelehrbar?

Ein Mandant, den ich schon seit vielen Jahren vertrete und dem ich schon genauso lange sage, dass man als Beschuldigter keine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden macht, kam dieser Tage mit einer Anklageschrift hereingeschneit. Auf meine Frage hin, warum er nicht schon früher dagewesen sei, meinte er, das sei nicht nötig gewesen. Zum einen sei er unschuldig und zum anderen habe er bei der Polizei schon gesagt, dass, wenn eine Anklage kommen würde, er eine Gegenanzeige gegen den Anzeigeerstatter machen würde. Klar könne er sich erinnern, dass ich ihm gesagt hätte, man solle schweigen. In seinem speziellen Fall aber hätte er doch wohl ruhig sagen dürfen, dass er unschuldig sei und dass sich die Sache ganz anders zugetragen habe.
Ich hab ihm dann nochmal erklärt, dass mein Rat für alle seine Fälle gelte, seien sie nun speziell oder nicht und ihm aufgetragen, sich einen Knoten ins Taschentuch zu machen.

Dienstag, 11. November 2008

Nerven verloren - Berufungsrücknahme

Nachdem ich in der vergangenen Woche mehrfach mit dem Vorsitzenden einer kleinen Strakammer wegen eines Termins zur Berufungshauptverhandlung telefoniert und wir schließlich einen Termin für Ende diesen Monats festgezurrt hatten, rief er mich nun erneut an: "Ihr Mandant hat wohl die Nerven verloren." Ich:"???". Er: "Er hat die Berufung zurückgenommen." Ich:"!!!"
Macht man sowas? Nein, sowas macht man nicht! Man nimmt kein Rechtsmittel zurück ohne Rücksprache mit seinem Verteidiger. Man macht das schon gar nicht, wenn im Urteil wesentliche Aspekte der Strafzumessung nicht zugunsten des Verurteilten berücksichtigt wurden.
Ich werde den Mandanten aufsuchen wenn ich mich wieder abgeregt habe und ihm dann mal den Puls fühlen.

Schwarzfahrender Teenie aus Kamerun

Während einer Verhandlungspause bei der misstrauischen Amtsrichterin, die zu kurz war, ins nächste Café zu gehen, setzte ich mich einen Saal weiter in eine Strafsache (Spruchkörper: Jugendrichter). Einer jungen Dame aus Kamerun (sollte jemand der Mitlesenden wissen, ob es Kamerunerin, Kameruna, Kamera oder wie auch immer richtig heisst, bitte ich um Mitteilung; ich kam noch nicht dazu, es nachzusehen ;-)) wurde vorgeworfen, schwarzgefahren zu sein.

Sie hatte eine Dolmetscherin an ihrer Seite. Nach Verlesung der Anklageschrift sagte der Richter (offenbar anstelle einer ausführlichen Belehrung) zu der Dolmetscherin: "Ist Frau X bereit, mit uns darüber zu sprechen?" Diese Belehrung ist zu kurz, zu knapp, zu unjuristisch - schlicht falsch. Frau X war bereit und gestand einen Teil der Taten. Die anderen stellte man nach § 154 StPO ein. Erklärung des Richters hierzu: "Die zwei Fälle schieben wir zur Seite und reden nicht mehr darüber". Auch diese Erklärung trifft es nicht ganz. Was dann aber wieder passte, war die Verwarnung mit Weisung 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit trotz einschlägiger Vorstrafen.

Misstrauische Amtsrichterin - Showdown mit Happy End

Heute gings weiter: der Eichschein war zwischenzeitlich eingetroffen, zur Bereifung gabs keine erhellenden Neuigkeiten. Da ich bezweifelte, dass die beiden Beamten die Messung bzgl. Geschwindigkeit und Abstand ordnungsgemäß durchgeführt hatten, stellte ich Beweisanträge. Flugs wurde ein Sachverständiger herbeigerufen, der meine Zweifel leider ziemlich zerstreute. Also musste ich mit dem Tatsächlichen arbeiten. Meinem Mandanten waren drei Verstöße (Geschwindigkeit, Abstand, Überholen im Überholverbot) vorgeworfen worden. Jeder Verstoß für sich nicht wild, aber alle zusammen führten zum Punkteeintrag, da im Bußgeldbescheid Tateinheit angenommen worden war. Allerdings war die Abstandsgeschichte im mehr als zähfließenden Feierabendverkehr passiert und das Überholen ganz kurz hinter dem Verbotsschild. Bei der Abstandsmessung kam hinzu, dass sich der Sachverständige nicht ganz so klar geäussert hatte wie beim Geschwindigkeitsverstoß. Ich hatte bereits wieder den Griffel gespitzt für einen weiteren Antrag als die Richterin vorschlug, auf den Geschwindigkeitsverstoß zu beschränken. So geschah es. 40 Euro, Rechtsmittelverzicht und ich bin froh, dass ich entgegen meiner ersten Absicht keinen Kleinkrieg eröffnet habe wegen der Vorlage der Kollisionstermine.
Alles in allem also ein gutes Ergebnis bei einer Richterin, die zwar misstrauisch ist, aber sowohl in wie auch außerhalb der Hauptverhandlung sehr freundlich, souverän und maßvoll.

Montag, 10. November 2008

Aktenzeichen bitte schriftlich anfordern

Es ist kein Scherz. Wer als Verteidiger im Besitz eines Gs-Aktenzeichens ist und dann bei der Namenskartei der Staatsanwaltschaft anruft um das Js-Aktenzeichen zu erfragen, hat Pech gehabt.
Derartige Anfragen sind schriftlich hereinzureichen. Es ist als fürchte man, dass Aussenstehende, die sich als Anwälte ausgeben, mehr mit dem Js als mit dem Gs Aktenzeichen anfangen könnten. Selbst wenn man der freundlichen Dame von der Namenskartei anbietet, sie könne einen ja in der Kanzlei zurückrufen oder die Nummer überprüfen, hat man keinen Erfolg.
Nicht nur, dass ich was gegen die Verschwendung von Papier, Strom und Arbeitskraft einzuwenden hätte. Schlimmer ist, dass es nun einfach länger dauert bis man das Aktenzeichen hat und diese Vorgehensweise dem in Haft sitzenden Mandanten begreiflich machen muss. Ich weigere mich es so zu sehen, dass meine Mandanten ja immerhin warm und trocken gesiebte Luft atmen und in Anbetracht der besonderen Situation wahrscheinlich mehr Zeit haben als ich.

Samstag, 8. November 2008

Eindringen ist Einbruch?!

Soeben lese ich in einer Beschuldigtenvernehmung (Vernehmungsbeamter ist Kriminaloberkommissar):
"Dir ist aber klar, dass man nachts nicht auf Grundstücke eindringt. Das ist ein Einbruch."
Soso. Eindringen ist also gleich Einbruch. Apfel ist Birne und Fisch ist Fleisch. Ist klar.

Freitag, 7. November 2008

Untauglicher Versuch eines Richters

Ich dachte schon, es hätte sich herumgesprochen, dass bei mir kein Richter und keine Geschäftsstelle anrufen muss um den Aufenthaltsort meiner Mandanten herauszubekommen. Dem ist offensichtlich nicht so. Gerade stolpere ich über eine entsprechende schriftliche Anfrage eines Richters. Der Textbaustein mit dem Inhalt, dass ich mich aus Gründen, die im StGB einerseits und im Berufsrecht andererseits verankert seien, gehindert sähe, hierauf zu antworten, war schnell gefunden. "Netter" Versuch, aber untauglich.

Donnerstag, 6. November 2008

Latexallergie

Es berichtete ein Polizeibeamter, ein Beschuldigter habe bei ihm ausgesagt, er habe deswegen ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer Frau gehabt, weil er an einer Latexallergie leide.
Ich weiß nicht mehr, wo und wann es war, aber irgendwo hab ich das schonmal gehört. Man munkelt gar, es handele sich um eine weitverbreitete Allergie.

Mittwoch, 5. November 2008

Unbefriedigter Polizist

Heute musste ich beim Amtsgericht M. warten bis die Sache, in der ich verteidigte, aufgerufen wurde. Ich setzte mich in den Zuschauersaal, hinter mir saßen 1 (grüner) Polizist und ein Ehepaar, bei dem es sich um die Geschädigten eines Einbruchsdiebstahls handelte, bei dem immerhin 150.000 Euro weggekommen waren. Vernommen wurde ein LKA-Beamter, der die Funkzellenauswertung vorgenommen hatte. Hinter mit wurde dem Paar erklärt, dass man eigentlich dieselbe Ausbildung habe, er (der Polizist) 3 Tage Arbeit mit der Auswertung gehabt habe, aber "der da vorne" sachverständig sei und das deswegen erkläre. Soso, dachte ich, dieselbe Ausbildung. Der leicht hybride Eindruck, den der Polizist auf mich machte, sollte aber noch eine Steigerung erfahren.


Es stellte sich heraus, dass man außer den Funkzellen nichts weiter Belastendes gegen die Angeklagten in der Hand (und der Akte) hatte. Keiner der Zeugen erkannte die Herren auf der Anklagebank als diejenigen wieder, die ihnen im Bereich des Tatortes begegnet waren. Folgerichtig plädierte die Staatsanwältin auf Freispruch. Hierauf sah sich der hinter mir sitzende Polizist berufen, den Geschädigten zu erklären, dass das ja wohl nicht wahr sein dürfte und dass die Angeklagten die Geschädigten "wohl nur besuchen" wollten. Dass diese Angeklagten dann auch noch Verteidiger bekämen, die sie sich unter normalen Umständen niemals leisten könnten, käme noch hinzu. Mit "So unbefriedigend kann Arbeit sein" schloss er seine tiefsinnigen Ausführungen. Das Gericht sprach frei und die Vorsitzende erläuterte in ihrer Urteilsbegründung die Grundsätze der Unschuldsvermutung in so klaren Worten, dass man das auch mit bildungsfernem Hintergrund zu verstehen in der Lage war.


Ich frage mich immer wieder, was man den jungen Leuten in den Polizeischulen beibringt. Sollte nicht auf dem Stundenplan stehen, wie man Bürgern richtig erklärt, dass nicht jeder, der auf der Anklagebank sitzt auch gleich der böse Bube ist? Wäre es schön, man würde das mal aufnehmen. Gerne komme ich auch vorbei und vermittele das.

Misstrauische Amtsrichterin - Folge 4

Heute fand der Termin bei der misstrauischen Amtsrichterin statt, die schon in der Sache zuvor, die ich als Zuschauer verfolgte, einen sehr kompetenten Eindruck machte (vgl. Unbefriedigter Polizist).

Ich hatte meinen Mandanten vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbinden lassen und so ging es ohne ihn los. Zwei Polizeibeamte hatten ihn auf der Autobahn verfolgt. Gna-den-los! Gleich drei Verstöße soll er begangen haben: Geschwindigkeit zu hoch, Überholen im Überholverbot und Mindestabstand zum Vorausfahrenden nicht eingehalten. Angehalten sei er worden, so der eine Polizist und eine Frau habe auf dem Beifahrersitz gesessen. Hektisches Blättern in der Akte. Hatte ich eine Zeugin übersehen? Die Vorsitzende blätterte auch drauflos. Auch sie fand keine Zeugin. Na sowas.

Eichschein des Messgeräts? Klar, den gibts. Theoretisch zumindest. Praktisch befand er sich in einem abgeschlossenen Büro der Dienststelle und konnte nicht besorgt werden. Ob Winter- oder Sommerreifen auf dem Verfolgerfahrzeug aufgezogen waren? Woher soll man das nun wieder wissen.

Jedenfalls habe man überhaupt nur die schlimmsten Verkehrsverstöße meines Mandanten zum Gegenstand des Bußgeldverfahrens gemacht und weshalb ich ihn denn dann so aufs Glatteis führen wolle, wollte einer der Beamten von mir wissen. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit habe ich es dabei belassen, ihn nur kurz anzuknurren. Die Verhandlung wird demnächst fortgesetzt.

Nebenklägerisches Vergnügen - eine Provinzposse

Ja, ich gestehe: ich habe gestern die Nebenklage vertreten. Eine für mich eher ungewohnte Rolle. So ungewohnt, dass mich der Richter erstmal fragte, warum ich neben dem Staatsanwalt sitze. Mein Mandant und sein Kumpel treten als Zeugen auf. Sie sollen verdroschen worden sein. Gegenüber auf der Anklagebank: vier Jungs, alle verteidigt (von offensichtlich vorwiegend nicht im Strafrecht tätigen Kollegen mittleren Alters).
Alle Angeklagten ließen sich zur Sache ein. Einer abenteuerlicher als der andere. Die Verteidiger befragten nicht nur den eigenen Mandanten, sondern auch die der jeweils anderen mit dem Ergebnis, dass die Geschichten immer haarsträubender wurden. Ich lehnte mich entspannt zurück und fand das Spektakel streckenweise hochamüsant. Angeklagte und Verteidiger redeten sich um Kopf und Kragen. Einer der Verteidiger fragte seinen Mandanten gar nach dem am fraglichen Tag getragenen Schuhwerk. Leichte Turnschuhe. Der Kollege hatte die Anklage wohl nicht recht verstanden, die auf gefährliche Körperverletzung lautete, weil von mehreren gemeinsam begangen.
Beweisanträge wurden auch gestellt. Nicht so, wie sie im Lehrbuch stehen, sondern viel witziger und mit teils seitenlangen Beweisbehauptungen.
Der Kumpel meines Mandanten hat übrigens keinen der Angeklagten erkannt. Es war dunkel, weshalb ihm eine Zuordnung der Schädiger nicht möglich war. Nachdem die aber alle schon eigeräumt hatten, am Tatort gewesen zu sein und auch eine "verbale Auseinandersetzung" gehabt zu haben, wird es am Ende darauf nicht ankommen. Die Posse wird demnächst fortgesetzt.

Dienstag, 4. November 2008

Holzklotzverfahren beginnt mit Befangenheitsantrag

Wie der Kollege Hoenig in seinem blog http://www.kanzlei-hoenig.info/kein-gutes-zeichen unter Hinweis auf einen Artikel von Giesela Friedrichsen in Spiegel online berichtet, haben die Verteidiger des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag einen Befangheitsantrag gestellt, weil das Gericht dem Angeklagten weder die Anklageschrift in seiner Muttersprache hat zukommen lassen noch bereit war, ihm einen Dolmetscher zur Seite zu stellen.
Ich will sie gar nicht hören, die Kommentare von Stammtischdeutschland, die dem Angeklagten und seinen Verteidigern zumindest die Pest an den Hals wünschen und sicher auch nicht verstehen können, wie man einem Menschen, der des Mordes angeklagt ist, auch nur einen Verteidiger beiordnen kann, von einem Dolmetscher mal gar nicht zu reden. Froh bin ich jedoch darüber, dass ich bislang beim hiesigen Landgericht noch nie um einen Dolmetscher für einen Mandanten kämpfen musste, selbst dann nicht, wenn meine Mandanten die deutsche Sprache halbwegs beherrschten. Kaum ein Ausländer versteht unsere Sprache so gut, dass er in der Lage wäre, das zum Teil ziemlich komplexe Juristendeutsch zu verstehen.

Misstrauische Amtsrichterin - Runde 3

Mein Antrag auf Terminsaufhebung wurde abgelehnt. Mandant ist auf Dienstreise und die Ladung wurde ihm ein paar Tage eher zugestellt als die Buchungsbestätigung über den Flug alt ist. Die misstrauische Amtsrichterin (vgl. auch Postings vom 15. und 24.10.08) nimmt dies zum Anlass, zu glauben, der Termin solle verhindert werden.
Ich habe ihr jetzt geschrieben, dass mein Mandant beruflich in einer Position ist, in der man Termine nicht selbst vereinbart und auch Flüge nicht selbst bucht; dafür gibt es dienstbare Geister, die die Termine schon viele Wochen zuvor festzurren und sich dann um Flüge, Mietwagen und Hotels kümmern.
Ob mein Schreiben die Richterin veranlassen wird, ihre Entscheidung zu überdenken - demnächst hier.

Montag, 3. November 2008

Inkompetente Dolmetscherin? - Fortsetzung

Die Anträge der Angeklagten auf Ablehnung der Dolmetscherin wegen Besorgnis der Befangenheit wurden abgelehnt. Zuvor war der Dolmetscherin Gelegenheit gegeben worden, zu den Anträgen Stellung zu nehmen. Dies tat sie und gab ihrer tiefen Bestürzung über die Vorwürfe mit um Fassung ringender Stimmung Ausdruck.
Der weitere Verlauf der Vernehmung der nicht deutsch sprechenden Zeugin gestaltete sich weniger flüssig als zuvor. Vielleicht wurde nun "linearer" übersetzt als zuvor? Immerhin trat zu Tage, dass die Zeugin, aufgrund deren Aussage ein umfangsreiches Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt wurde, am liebsten gar nichts mehr gesagt hätte. Die Erinnerungslücken muteten auch die Kammer seltsam an und die Vorsitzende musste die Zeugin mehrfach ermahnen, ihre Erinnerung anzustrengen. Schließlich beantragte die Staatsanwaltschaft, der Zeugin einen Beistand beizuordnen. Diesem Antrag wurde stattgegeben.

Der Fall Holzkotz

Morgen beginnt vor dem Landgericht Oldenburg der Prozess wegen des sog. Holzklotzfalls, im Rahmen dessen dem Angeklagten Mord vorgeworfen wird.
Die Verteidiger des Angeklagten begleiten den Fall mit der Website www.fairesverfahren.de.
Wir dürfen gespannt sein.

Inkompetente Dolmetscherin?

In einem Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz ist ein Streit über die übersetzerischen Fähigkeiten einer Dolmetscherin ausgebrochen. Zwei der insgesamt 8 Angeklagten haben über ihre Verteidiger Befangenheitsanträge gegen die Dolmetscherin gestellt, denen sich die jeweils anderen Angeklagten angeschlossen haben.
Das Gericht wird über die Anträge befinden.
Die Dolmetscherin nahm die vor den Anträgen im Rahmen der Hauptverhandlung geführte Diskussion zum Anlass, sinngemäß in Richtung eines Verteidiger zu sagen, seine Bemerkungen seien völlig irrelevant und inkompetent und sie wisse nicht, wieso so viele Menschen und das Gericht damit aufgehalten würden.
Hoppla. Die Diskussion darüber, ob die Dolmetscherin richtig, vollständig und wahr übersetzt hat, wurde durchaus sachlich geführt. Es wäre sicher erhellend, wenn man wüsste, wieso die Dolmetscherin derart scharf reagierte.

Samstag, 1. November 2008

Wenns hinten knallt setzt es oben aus

Es ist schon erstaunlich, was unfallaufnehmende Polizeibeamte an der Unfallstelle gegenüber den Beteiligten so alles von sich geben. Mein Mandant befuhr nachts eine Landstraße. Von einem Parkplatz am Rande der Landstraße zog ein Lkw raus - ohne Licht und im Schneckentempo. Mein Mandant konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf den Lkw auf. Der dienstbeflissende Polizist wusste sofort, was sich zugetragen hatte und scheute sich nicht, seine Rechtskenntnisse an der Unfallstelle kundzutun, wonach wer hinten auffährt, immer 100% Schuld habe am Unfall. Mein Mandant könne da gar nichts machen, der Fall sei klar und gegen ihn werde jetzt ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil der den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten habe und wahrscheinlich auch noch zu schnell gefahren sei. Bei derart geballter Kompetenz frage ich mich, wieso wir eigentlich Anwälte, Richter und Unfallanalytiker brauchen.

Freitag, 31. Oktober 2008

Schiefe Ebenen

Der Sohn meines Mandanten soll ein Mofa besessen haben, das schneller als 25 km/h gewesen sein soll. Nach der falschen Belehrung durch den Polizeibeamten (siehe unten) nahm man sich des Mofas an, baute eine Geschwindigkeitsmessanlage auf und fuhr mit 40 km/h durchs Ziel.
Nachdem auf meinen Antrag hin ein Gutachten eingeholt worden war, u.a. zu der Frage, dass das Mofa keine höhere Geschwindigkeit zu erreichen in der Lage ist als 25 km/h und sich dies bestätigte, zeigten sich einige Sollbruchstellen. So ganz sicher war sich der Sachverständige ob der langen Standzeit des Mofas nicht, ob nicht etwa der Vergaser verstopft war und das Mofa deshalb nicht mehr als 25 km/h auf den Tacho bekam. Auch konnte er nicht sagen, ob das Mofa zum damaligen Zeitpunkt nicht frisiert war. Ganz sicher war er sich aber, dass die Stelle, an der die Messung seinerzeit durchgeführt worden war, ein Gefälle aufwies, das die Geschwindigkeit des Mofas beeinflusst hatte.
Falsche Belehrung, Eltern des Minderjährigen von der Vernehmung nicht informiert, falsche Messung - die Ermittlungen verliefen insgesamt auf schiefen Ebenen.

Aufmüpfiger Zeuge

Manchmal fragt man sich, was Zeugen, die vor Gericht aussagen müssen, für eine Vorstellung von einem Strafprozess haben. So geschehen gestern beim Amtsgericht H. Der Zeuge war über 60 und der Auffassung, er könne sich aussuchen, auf welche Fragen einer Frau (noch dazu einer jüngeren) er antwortet und auf welche nicht. Offenbar hatte ich irgendwann den Punkt getroffen, an dem ihm meine Fragen unangenehm wurden, was ihn dazu veranlasste, zu sagen:"Dazu möchte ich mich nicht äussern." Ich habe es erst leise und dann etwas eindringlicher versucht, ihm klarzumachen, dass das hier keine Fernsehsendung ist, in der die Verteidiger sowas durchgehen lassen. Das Gericht war von dem angeschlagenen Tonfall zwar wenig begeistert, aber der Zeuge hat schließlich doch verstanden, was von ihm erwartet wurde. Die Antworten waren dann zu meiner Freude auch so wie ich sei erwartet hatte.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Falsche Belehrung durch Polizeibeamten

Der Sohn meines Mandanten soll mit einem Mofa gefahren sein, das schneller als 25 km/h gewesen sein soll. Nachdem das Verfahren gegen den Sohn eingestellt worden war, war nun der Vater dran wegen Duldens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Der Sohn (damals noch als Beschuldigter in eigener Sache) wiederum hatte Aussage bei der Polizei gemacht, die es trotz seiner Minderjährigkeit nicht für nötig befand, die Eltern davon zu informieren, dass der Sohn als Beschuldigter vernommen werden sollte. Einleitend stellte ich die Gretchenfrage an den Vernehmungsbeamten, wie er zuvor belehrt hatte und erhielt zur Antwort: "Ich habe ihm gesagt, er müsse nichts sagen. Wenn er aber was sagt, müsse das die Wahrheit sein."
Falsch, falsch, falsch!!! Ich habe der Verwertung der Aussage widersprochen.

Für alle Nichtjuristen: als Beschuldigter MUSS man keine Angaben machen und selbst wenn man Angaben macht, dann KÖNNEN diese zwar der Wahrheit entsprechen, sie MÜSSEN es jedoch nicht. Anders bei Zeugen: ein Zeuge MUSS vollständig und wahr aussagen.
Für mitlesende Polizeibeamte, die sich bei der Belehrung von Beschuldigten über deren Rechte nicht ganz im Klaren sind, eine kleine Eselsbrücke: der Beschuldigte darf lügen, beim Zeugen wäre dies zu rügen.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Terminsladung - es geht auch anders

Kein umständliches Hickhack, keine seitenlangen Anträge auf Terminsaufhebung, keine Vorlage von Ladungen zu Kollisionsterminen, keine Beschwerden gegen ablehnende Terminsaufhebungsentscheidungen - ein Anruf beim Vorsitzenden genügt und Probleme mit kollidierenden Terminen werden einvernehmlich behoben - erfreulicherweise gibt es sowas auch. 10. Strafkammer, Landgericht Koblenz. Gelebte Pragmatik.

Montag, 27. Oktober 2008

Konspiratives Zahlenwerk

Landgericht Koblenz, heute Mittag. Wieder wird ein Polizeibeamter vernommen. Diesmal ist es ein Kollege des Beamten, der eine Prostituierte am Jogginganzug wiedererkannte (vgl. Goldene Schuhe und blauer Jogginganzug). Dieser hatte einen der Angeklagten vernommen und ihm vorgehalten, er habe Zahlen verschlüsselt. Wenn er einem Mitangeklagten eine sms mit dem Inhalt geschickt habe, es seien "30" umgesetzt worden, habe das tatsächlich "300" bedeutet. Dies habe der Angeklagte in einer anderen sms, in der es geheissen habe, man solle immer eine "Null" dranhängen, dem Mitangeklagten so mitgeteilt.
Ahja. Der Schlüssel wird also mitgeteilt.
Die Frage eines Verteidigers, was denn der Beamte unter konspirativ verstehe, war vor diesem Hintergrund rein rhethorisch.

Freitag, 24. Oktober 2008

Nachklapp: Misstrauische Amtsrichterin

Die Terminierung geht in die nächste Runde.
Eben erreicht mich ein Faxschreiben meines Mandanten, der zum vorgesehenen Termin auf einer Geschäftsreise in Bella Italia ist. In weiser Voraussicht hat er sämtliche Buchungsbestätigungen gleich mitgefaxt.
Ich lauere übrigens schon die ganze Zeit darauf, dass mich vom besagten Amtsgericht eine Terminsaufhebung "aus dienstlichen Gründen" erreicht; ich würde dies zum Anlass nehmen -unter Hinweis auf die offensichtlich dort gängige Praxis - einen Nachweis zur Glaubhaftmachung zu verlangen um dann ein Sprichwort zu testen: quod licet Jovi non licet bovi.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Ehefrauen, Ferraris, Versteigerungen

Hier ein interessanter Link zum Thema "Wie das Leben so spielt".

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?ViewItem&item=230284482027&ru=http%3A%2F%2Fsearch.ebay.de%3A80%2Fsearch%2Fsearch.dll%3Ffrom%3DR40%26_trksid%3Dm37.l1313%26satitle%3D230284482027%26category0%3D%26fvi%3D1

Derartige Spiele findet man freilich nur als Zuschauer so richtig lustig.
Wenn doch mal die Gattin so günstig gewesen wäre wie der Schlüssel.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Goldene Schuhe und blauer Jogginganzug

Ein Polizeibeamter quält sich nun schon den zweiten Tag in einem Prozess vor dem Landgericht Koblenz mit seiner Aussage. Den Angeklagten wird u.a. Menschenhandel vorgeworfen. Sie sollen Frauen aus Rumänien und Bulgarien der Prostitution zugeführt haben. Der Polizeibeamte war damit befasst, im Vorfeld einen Angeklagten zu vernehmen, über dessen Angaben er nun aus der Erinnerung heraus bekunden soll.
Es geht um insgesamt 14 Frauen, zu denen der Angeklagte Angaben gemacht hatte. Bei so vielen Damen kann auch ein Polizeibeamter schon mal ins Schleudern kommen. Als ihn die Vorsitzende der Strafkammer in bezug auf eine bestimmte Dame befragte, meinte er, der Name sage ihm nichts. Wenn er aber ein Foto sähe, könne er sie vielleicht besser einordnen. Eventuell, so der Beamte, handele es sich um die mit den goldenen Schuhen und dem blauen Jogginganzug. Eine beisitzende Richterin kramte daraufhin den Bildband heraus und hielt dem Polizeibeamten ein Foto vor, das eine Dame im genannten Outfit zeigte und siehe da - Volltreffer. Bislang dachte ich immer, dass sich nur Frauen derart gewagte Kombinationen merken.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Misstrauische Amtrichterin

In einer Ordnungswidrigkeitensache beim Amtsgericht M. hatte ich wegen einer Terminskollision um Aufhebung des Termins gebeten. Kurze Zeit später erhielt ich ein Schreiben vom Amtsgericht M., ich möge doch die Ladung zu dem kollidierenden Termin vorlegen. Ich war drauf und dran, der Richterin zu schreiben, dass ich gar nicht einsehen würde und davon ausginge, dass man einem Organ der Rechtspflege abnimmt, wenn man eine Terminskollision vorträgt. Darüber hinaus würde ich den Teufel tun, einfach Ladungen, aus denen ja auch der Name meines Mandanten hervorgeht, in der Gegend rum zu schicken. Nachdem ich aber in Zeitdruck war, legte ich die teilgeschwärzte Ladung kommentarlos aufs Fax. Der Termin wurde aufgehoben, es wurde erneut terminiert und wieder hatte ich einen Kollisionstermin. Dasselbe Spiel begann von vorne und begann, mich zu amüsieren.

Gestern rief mich die Richterin an um einen Termin abzusprechen. Wahrscheinlich war ihr das Procedere auch langsam auf die Nerven gegangen. Es stellte sich heraus, dass wir uns bereits kannten und uns in guter Erinnerung hatten. Wo ich sie schon mal am Telefon hatte, beschwerte ich mich über die Vorgehensweise und staunte nicht schlecht, als sie mir sagte, sie habe sogar bei den Gerichten angerufen um zu erfragen, ob die Ladung tatsächlich richtig sei. Man habe schlechte Erfahrungen mit Terminsaufhebungsanträgen gemacht.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Kollegen gibt, die Kollisionen behaupten, die es nicht gibt. Dass ein Richter aber die Muße hat und die Notwendigkeit sieht, auch noch bei einem anderen Gericht anzurufen um die Echtheit der Ladung zu überprüfen, spricht für sich.

Freitag, 10. Oktober 2008

Augenmaß? - Fehlanzeige

Aus einer Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft: "Das Geständnis war insbesondere der drückenden Beweislage geschuldet. Der angeklagte Besitz von Btm hätte zweifelsfrei durch Vernehmung der Durchsuchungszeugen PK Eins, POK Zwei und PHK Drei bestätigt werden können. Das Geständnis hat insoweit zur Tataufklärung nur sekundär beigetragen und lediglich die Einvernahme von Zeugen erspart (...) Das Amtsgericht hat das Geständnis als maßgeblichen Strafmilderungsgrund zu Gunsten des Angeklagten gewertet." Dies beanstandet die Staatsanwaltschaft.

Eine Unterscheidung nach Geständnissen erster und solchen zweiter Klasse kennt die Rechtsprechung erfreulicherweise nicht, so dass meiner Auffassung nach das Amtsgericht zurecht das frühe Geständnis zugunsten meines Mandanten berücksichtigt hat.

Der hatte den Besitz einer geringen Menge Heroin zum Eigenkonsum bereits im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme eingeräumt. Dieses Geständnis hatte er beim Amtsgericht wiederholt und wurde zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung verurteilt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung befand er sich bereits seit mehreren Monaten in einer stationären Therapieeinrichtung. Den Therapieplatz hatte er sich selbst erkämpft. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein mit dem Ziel, meinen Mandanten zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu verurteilen. Die Therapie wäre für den Fall, dass das Berufungsgericht dem Antrag folgen sollte, für meinen Mandanten gelaufen. Als Verteidiger fragt man sich beim Lesen solcher Rechtsmittelbegründungsschriften, wie wenig Augenmaß jemand haben muss, der solche Anträge stellt.

Tatfahrzeug - Fiesta

Staunen beim Schöffengericht Montabaur gestern. Mein Mandant war in ein Möbelhaus eingebrochen und hatte dort nach seinen Angaben eine 2-teilige Ledergarnitur (EK 1.059 Euro) gestohlen. Tatfahrzeug: ein Ford Fiesta. Wer nun denkt, dass es schwierig sein dürfte, sowas überhaupt in einem Fiesta transportieren zu können, wird locker eines Besseren belehrt: die Staatsanwaltschaft warf meinem Mandanten in der Anklage vor, Möbel im Wert von 15.000 Euro entwendet zu haben und bezog sich auf eine vom Möbelhaus eingereichte eineinhalbseitige Schadensaufstellung. Mit den dort gelisteten Gegenständen hätte man mühelos einen 4-Personen-Haushalt einrichten können. Ich war schon darauf vorbereitet, einen Beweisantrag zu stellen zu den Raumverhältnissen in einem Fiesta oder dazu, dass man zum Abtransport der Beute mit dem Fiesta ca. 20 Mal zwischen Wohn- und Tatort hätte pendeln müssen, konnte mir das allerdings schenken, denn auch der Vorsitzende bemerkte trocken, dass seitens des Möbelhauses wohl versehentlich eine Schadensliste eingereicht worden sei, die sich auf die Diebstähle eines ganzen Jahres beziehe.
Bemerkenswerterweise hat das Möbelhaus keine Schadensersatzansprüche gegenüber meinem Mandanten geltend gemacht. Bleibt zu hoffen, dass die Versicherung sich irgendwann einmal die Strafakte anfordert und hierbei über das Tatfahrzeug stolpert.