Freitag, 28. November 2008

Der Fall Marco W. oder: prosaische Ergüsse eines Unverteidigten

Eine überregionale Tageszeitung veröffentlichte heute Auszüge aus dem Buch des ehemals in der Türkei inhaftierten Marco W.. Titel: Marco packt aus.
Eine Video gibts dazu auch, zu sehen auf der Homepage der Zeitung. Darin sieht man Marco W. in weißem Hemd, Jeans und Brille und hört, wie er erklärt, dass er das Buch geschrieben habe um die Erlebnisse im türkischen Knast zu verarbeiten. Er erklärt weiter, er sei unschuldig, das britische Mädchen habe ihm auf Nachfragen gesagt, sie sei älter. Dann sei da noch dieses grüne Bändchen, das alle Personen über 16 hatten um Alkohol trinken zu dürfen. Zudem frage man auch nachts um 1 Uhr in der Disco nicht nach dem Ausweis.
Ich habe großes Verständnis für die Verteidiger des Buchautoren, die das Mandat niedergelegt haben (Quelle: die zeit). Einen Mandant, der ohne Rücksprache mit mir ein Buch herausbringt, das sich mit dem Tatvorwurf befasst, wollte ich auch nicht haben. Ich stelle mir gerade vor, wie es später sein könnte im Rahmen des Prozesses, wenn er mit seinen prosaischen Ergüssen konfrontiert wird. Mir würde beispielsweise die Frage auf der Zunge liegen, weshalb er denn überhaupt nach dem Alter fragte. Oder vielleicht, ob er vor 22 Uhr nach einem Ausweis gefragt hätte.
Sicher hat der Junge schlimme Dinge erlebt und sicher ist es nicht leicht, diese Erlebnisse zu verarbeiten. Ich bezweifle aber, dass die gewählte Form die richtige ist dafür. Zu wünschen ist ihm, dass er nun Berater findet, die versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und zu denen das Vertrauen groß genug ist, etwaige weitere Veröffentlichungen mit ihnen zu besprechen.

Donnerstag, 27. November 2008

Angebot jenseits von Gut und Böse

Mein Mandant war wegen Körperverletzung angezeigt worden. Im Ermittlungsverfahren wendete sich das Blatt und schließlich fand sich das angebliche Opfer auf der Anklagebank wieder wegen Körperverletzung zum Nachteil meines Mandanten. Dumm gelaufen für den Anzeigeerstatter. Noch dümmer für ihn lief es weiter. Er wurde verurteilt zu einer Bewährungsstrafe, fing sich die Kosten der Nebenklage (rund 1800 Euro) und ist derzeit Hauptdarsteller im zivilprozessualen Drama auf Schmerzensgeld.
Eben rief er bei mir an und bot an, die Kosten der Nebenklage in monatlichen Raten à 40 Euro ab Januar 2009 zurückzuzahlen. Dieses Angebot habe ich abgelehnt. Rechnet man die Zinsen drauf, zahlt er schlappe fünf Jahre ab, was für den Gläubiger nicht zumutbar ist. Statt dessen schicke ich lieber den Gerichtsvollzieher los. Der Schuldner betreibt eine Firma. Vielleicht erhöht er ja sein Angebot bevor es so richtig dumm für ihn weiter läuft.

Mittwoch, 26. November 2008

Fehlendes Augenmaß - Staatsanwaltschaft nimmt Berufung zurück

Soeben hatte ich Gelegenheit, die Staatsanwältin, die diese Berufungsbegründung verfasst hat, live zu erleben.
Zur Erinnerung: mein Mandant befand sich schon in einer stationären Therapie als das Urteil erster Instanz gefällt wurde und die Amtsrichterin hatte einen mehr als positiven Eindruck von ihm, weshalb sie ihm trotz einschlägigen Bewährungsversagens die Freiheitsstrafe nochmals zur Bewährung aussetzte. Das war im Februar. Seit ich kopfschüttelnd die Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft gelesen hatte, die darauf abzielte, meinen Mandanten stationär im Knast statt weiter in der Therapie unterzubringen, versorgte ich das Berufungsgericht regelmäßig mit Therapieberichten und Berichten über negative Screeningergebnisse. Mein Mandant machte auch heute wieder einen guten Eindruck auf das Gericht. Begleitet wurde er von einer Mitarbeiterin der Einrichtung, die als Zeugin über den Therapieverlauf gehört wurde. Übereinstimmend war man der Auffassung, dass sich der positive Eindruck manifestiert hat. Die Staatsanwaltschaft nahm auf Anregung des Gerichts ihre Berufung zurück und obwohl mir nach wie vor der Kamm schwillt wenn ich die Berufungsbegründung lese, die meinem Mandanten nahezu ein halbes Jahr im Nacken saß, freut mich natürlich dieser Meinungsumschwung. Das fehlende Augenmaß musste also nicht erst durch ein Berufungsurteil korrigiert werden.

Dienstag, 25. November 2008

Nebenklägerisches Vergnügen - der Provinzposse gutes Ende

Die Verhandlung mit den vier Angeklagten und mir in der ungewohnten Nebenklagevertreterrolle wurde heute fortgesetzt. Alles war wie schon im letzten Termin: wieder wurden Zeugen vernommen, wieder wurde ihnen ein ganzer Schwung Fragen seitens der Verteidigung gestellt, die erfreulicherweise das Vorbringen der Nebenkläger untermauerten und wieder hatte ich das Gefühl, gut unterhalten zu werden.
So zum Beispiel als einer der behandelnden Ärzte eines Nebenklägers als Zeuge vernommen wurde. Der Arzt kam in Begleitung seiner im Kinderwagen sitzenden kleinen Tochter. Er befand sich (ganz emanzipierter Vater) in Elternzeit. Der Vorsitzende forderte ihn auf, dem Kleinkind das Fläschchen aus der Hand zu nehmen, was zwar als Scherz gemeint war, aber trotzdem befolgt wurde und gab seiner Hoffnung Ausdruck, das Kind werde kein Trauma erleiden durch die Beiwohnung einer Gerichtsverhandlung in derart jungen Jahren.
Nach seiner Vernehmung, die die angezweifelten Verletzungen des Nebenklägers bestätigte, zog man sich ins Beratungszimmer zurück und siehe da - ein Verteidiger zeigte sich kompromissbereit und versuchte, Schadensbegrenzung zu betreiben. Ihm gelang es auch, die restlichen Kollegen davon zu überzeugen, dass ein Freispruch in unerreichbare Ferne gerückt war. Die weitere Beweisaufnahme konnten wir uns sparen. Die Angeklagten wurden zu milden Bewährungsstrafen verurteilt und zur Abgeltung aller zivilrechtlichen Ansprüche der Nebenkläger haben wir einen Schmerzensgeldvergleich gezimmert, der nun ein zivilrechtliches Verfahren obsolet macht.
So schön es auch war: Verteidigen gefällt mir trotzdem besser als die Vertretung der Nebenklage.

Montag, 24. November 2008

Prostitution und Putzen

Der Strafprozess dient zweifelsohne dem Erkenntnisgewinn. Eine Zeugin behauptete unlängst, man habe sie kurz nach ihrer Einreise nach Deutschland zur Prostitution gezwungen. Sie habe das schrecklich gefunden und hätte lieber als Putzfrau gearbeitet. Welcher Tätigkeit sie denn nun nachgehe, wollten die Verfahrensbeteiligten wissen. Immer noch der Prostitution, antwortete die Zeugin. Die Erklärung, warum denn nicht als Putzfrau, lieferte sie auf Nachfragen gleich mit: sie spreche nicht ausreichend Deutsch um als Putzfrau zu arbeiten.
Zugegeben, im Bereich der Prostitution spielt sich sicher vieles im nonverbalen Bereich ab, allerdings sind mir keine Bodenbeläge bekannt, die der besonderen verbalen Zuwendung - noch dazu in deutscher Sprache - bedürfen.

Freitag, 21. November 2008

Zermürbende Beweisanträge

Schon zum zweiten Mal waren meine Kollegin und ich heute bei einem beschaulichen Amtsgericht in der Nähe von Trier. Unseren Mandanten war gemeinschaftlicher Betrug vorgeworfen worden. Im Vorgespräch standen Geldstrafen zur Diskussion. Von einem solchen Deal hatten wir unseren Mandanten abgearten. Nachdem wir gegen Ende der letzten Sitzung weitere Beweisanträge gestellt hatten, wurde uns angeboten, das Verfahren gegen einen der Angeklagten nach § 153 a StPO einzustellen und nur den anderen zu verurteilen. Auch dieses Angebot lehnten wir ab, so dass wir uns heute wieder trafen um einen weiteren Zeugen zu hören. Es handelte sich um einen Vertreter einer Krankenkasse, dessen Erinnerung nicht mehr ganz taufrisch war. Auffrischen konnte er sie auch nicht, weil sich die betreffende Akte in Berlin befand, wo sie verfilmt werden sollte. Trotzdem war seine Aussage geeignet, uns die Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Wir stellten daher weitere Beweisanträge (die wir schon für die letzte Sitzung vorbereitet hatten, aber noch nicht verpulvern wollten) und die Vorsitzende holte ihren Terminkalender. Es galt, zwei Verteidiger und zwei Angeklagte innerhalb von drei Wochen unter einen Hut zu bringen. Ein gemeinsamer Termin fand sich nicht. Die Möglichkeiten wurden erörtert: aussetzen und irgendwann wieder ganz von vorne beginnen oder vielleicht doch einstellen. Wir einigten uns auf eine Einstellung nach § 153 StPO.
Entgegen dem Wunsch unserer Mandanten hatten wir die Beweisanträge nicht schon im vorangegangenen Termin en bloc gestellt. Jetzt wissen sie, warum.

Donnerstag, 20. November 2008

Knallharte Belehrung

Eben lese ich in einem polizeilichen Vernehmungsprotokoll (vernommen wurde ein 24-jähriger wegen Verdachts des Einbruchsdiebstahls, die Vernehmung wurde geführt von einem KOK bei einer Kreispolizeibehörde):
"Vorhalt: Ich kann mir das so wie du das erzählst nicht vorstellen. Ich habe dich eben belehrt und dir den § 46 StGB erläutert. Überlege noch einmal genau!"
Wir wollen mal großzügig darüber hinwegsehen, dass die beiden Protagonisten nicht miteinander die Schulbank gedrückt haben, so dass für die distanzlose Duzerei eigentlich kein Anlass bestand und stattdessen annehmen, dass eine besonders kuschlige und vertraute Vernehmungsatmosphäre geschaffen werden sollte. Ebenfalls vernachlässigbar ist der Umstand, was sich ein Polizist so alles nicht vorstellen kann, da Phantasie ja bekanntlich etwas sehr Individuelles ist. Dass aber ein Polizeibeamter - offenbar um sich wichtig zu machen - munter mit Paragarphen um sich schmeisst in der Annahme, der nicht juristisch vorgebildete Beschuldigte werde das ohnehin nicht verstehen, ist ein starkes Stück, das noch zusätzlich dadurch verstärkt wird, dass er im Ermittlungsstadium schon munter über die Grundsätze der Strafzumessung parliert. Der hybride KOK scheint also den Schuldigen bereits vor Abschluss der Ermittlungen ausgemacht zu haben. War da nicht mal was, das sich Unschuldsvermutung nennt? Wie dem auch sei: es gibt Zeugen, auf deren Befragung in der Hauptverhandlung man sich als Verteidiger immer besonders freut. Dieser gehört dazu.

Mittwoch, 19. November 2008

Mea culpa - Wartepflichten eines Verteidigers

Nun weiß ich endlich, wer daran schuld ist, dass mein Mandant gleich zweimal in Folge die Nerven verloren und die Berufungen zurückgenommen hat: ich!
Und das kam so:
Um einen weiteren Tatvorwurf mit ihm zu besprechen war ich unlängst in der JVA. Mein Mandat war zu diesem Zeitpunkt allerdings unpässlich und liess mir ausrichten, er stünde unter der Dusche. Nachdem er sein Pflegeprogramm in für mich erträglicher Zeit nicht abgeschlossen hatte, fuhr ich unverrichteter Dinge zurück ins Büro. Die Sache eilte schließlich nicht und dass ich gegen die beiden amtsrichterlichen Urteile Berufung eingelegt hatte, war mit ihm besprochen und die Abschriften der Rechtsmittelschriften hatte ich ihm auch schon übersandt.
Ebenfalls habe ich sofort schriftlich bei ihm nachgefragt, weshalb er ohne Rücksprache mit mir die Berufungen zurückgenommen habe. Mein Mandant antwortet mir nun sinngemäß, ich sei an allem schuld, da ich ihn nicht besucht hätte. Er hätte soviele Fragen gehabt, die der Erörterung bedurft hätten und ich hätte mich nicht sehen lassen. Deshalb hätte er ohne mich mit vielen unbeantworteten Fragen entscheiden müssen. So!
Offenbar war es ihm weder möglich, mich über den Sozialdienst anzurufen (bei dringenden Fragen an den Verteidiger geht das schon mal) noch konnte er sich des Postweges bedienen.
Fazit: einer - so hoffe ich - Mindermeinung zufolge sollte der Verteidiger brav zuwarten bis ihn der Mandant frisch geduscht und gefönt zur Audienz empfängt um nicht zu riskieren, dass mit diesem die Nerven durchgehen.

Zeugin gibt Rätsel auf

Soeben berichtet ein Zeugin im Bulgari Verfahren beim Landgericht Koblenz, sie habe bevor sie nach Deutschland gekommen sei, in Spanien als Erntehelferin gearbeitet. Was die denn geerntet habe, wollte die Vorsitzende wissen. Hierauf berichtete die Zeugin, sie wisse es nicht genau. Es habe sich um eine rote, längliche Frucht gehandelt, aus der kleine, schwarze, wohlschmeckende Kugeln herausgekommen seien. Diese Frucht sei an einem Strauch gewachsen, nicht an einem Baum. Keiner der Prozessbeteiligten vermochte bislang diese Frucht näher zu bezeichnen. Sollten sich Biologen oder anderweitig (frucht)kundige unter den Lesern befinden, ist nicht nur die südliche Achse des Bösen dankbar für Hinweise.

Dienstag, 18. November 2008

Unerreichbarer Zeuge

Das Amtsgericht W. hatte wohl in weiser Voraussicht gehandelt als es vor einigen Wochen einen Kronzeugen, der von den Segnungen des § 31 BtmG reichlich Gebrauch gemacht hatte, richterlich vernahm. Heute fehlte der Zeuge, wobei nicht klar war, ob er sich noch immer im Zeugenschutzprogramm des LKA befindet. In die USA soll er verzogen sein. Genauere Erkenntnisse ließen sich auf die Schnelle nicht erlangen, so dass nicht von einer Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen werden konnte. Was dann kam, hatte ich schon erwartet: die Vorsitzende fragte, ob alle Beteiligten einverstanden seien mit der Verlesung der richterlichen Vernehmung. Ich glaube, sie hatte auch meine Antwort erwartet. Ich war natürlich nicht einverstanden; der Zeuge hatte meinen Mandanten erheblich belastet, so dass ich ihn gerne persönlich vernehmen möchte. Nächstes Mal gehts mit der Ehefrau des Zeugen weiter, die noch in Deutschland lebt und vielleicht weiß, wo genau sich ihr Gatte aufhält.

Montag, 17. November 2008

Bockige Opferzeugin

Im Bulgari Verfahren vor dem Landgericht Koblenz ging es heute mit Opferzeugin Nr. 1. Wir erinnern uns: die übersetzte Dolmetscherin, deren Austausch gegen einen anderen Dolmetscher, die Bekundungen der Zeugin, sich kaum erinnern zu können und die "Übergabeverhandlungen" einer Prozessbeteiligten vor der Tür des Gerichtssaales.
Heute hat die Verteidigung noch vor der Einvernahme der Zeugin mit einem bunten Strauß an Beweisanträgen aufgewartet, die u.a. die Glaubwürdigkeit der Zeugin zum Gegenstand haben.
Die Zeugin stellte eingangs dem Gericht die Frage, wie lange ihre Vernehmung noch dauern würde. Sie wolle zurück in ihr Heimatland zu ihren Kindern und wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Als das Gericht ihr zu verstehen gab, dass am heutigen Tage wahrscheinlich nicht mit dem Abschluss ihrer Vernehmung zu rechnen sei und die Verteidigung Beweisanträge gestellt habe, die es erforderlich machen könnten, sie auch zu den dort erwähnten Themen anzuhören, bockte die Zeugin. Dieses Verhalten war vermutlich von der Hoffnung getragen, man werde keine weiteren Fragen mehr an sie richten. Ein Zahn, der ihr schnell gezogen wurde mit dem Ergebnis, dass der Zeugin manche Antworten doch wieder einfielen. Die Vernehmung wird am Mittwoch fortgesetzt werden.

Sonntag, 16. November 2008

Die Achse des Bösen

Jetzt bin ich noch nicht einmal einen Monat mit meinem Blog am Start und schon werde ich von anderen Bloggern in einem Beitrag mit dem Titel "Die Achse des Bösen" erwähnt. Besagte Achse wird repräsentiert von insgesamt fünf Strafverteidigern (Siebers, Hoenig, Dieler, Feltus und Rueber), so dass keine Verwechslungsgefahr mit den Vier Strafverteidigern besteht.
Damit zieht sich die Achse vom Rheinland über Niedersachsen bis in die Hauptstadt und das finde ich richtig gut.

Samstag, 15. November 2008

Nerven verloren - Antwort ans Gericht

Ich habe mich für folgende Version entschieden:

"In der Strafsache

g e g e n

G.

2020 Js XXXX/06.2b Ls

nehme ich Bezug auf das dortige Fax vom 13.11.2008. Ich bin bemüht, kurzfristig in Erfahrung zu bringen, ob es sich bei der von meinem Mandanten ohne Rücksprache mit mir abgegebenen Erklärung um eine solche nach § 118 BGB handelt. Unmittelbar im Anschluss werde ich auf die Sache zurückkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin"

Freitag, 14. November 2008

Nerven verloren - Teil 2

Ich hatte bereits berichtet, dass ein Mandant ohne Rücksprache mit mir eine Berufungsrücknahme veranlasst hatte. Er war in letzter Zeit zweimal verurteilt worden und ich hatte gegen jedes der Urteile nach Rücksprache mit ihm Berufung eingelegt. Nun hat er auch die zweite Berufung zurückgenommen. Das Amtsgericht M. hat mir sein Schreiben mit der Bitte um kurzfristige Stellungnahme zugesandt. Mir kreisen gerade verschiedene Antwortmöglichkeiten durch den Kopf, angefangen bei "Jeder seines Glückes Schmied" über "Die Verteidigung geht davon aus, dass der Angeklagte sich bei Abfassung des Schreibens zumindest im Zustand des § 21 StGB befunden haben muss" bis hin zu: "Nach dem Dafürhalten der Verteidigung handelt es sich bei dem Schreiben um eine Erklärung nach § 118 BGB."

Donnerstag, 13. November 2008

Hilfe, ich habe einen Coverteidiger

Es gibt Tage, da erreichen einen seltsame Anrufe. Eben meldet sich eine freundliche Stimme am anderen Ende. Folgender Text: "Hallo, hier ist Rechtsanwalt X. Ich bin ein Freund Ihres Mandanten, Herrn Y. Herr Y. hat mich gebeten, ihn in der JVA zu besuchen und seine Akte einzusehen. Ich habe mich bei der Staatsanwaltschaft bestellt, damit ich mir mal einen Überblick verschaffen kann. Nicht, dass Sie jetzt denken, Herr Y sei mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden, ganz im Gegenteil, aber er hat mich gebeten..." - Hier reicht es mir. Ich unterbreche ihn:"Herr Kollege, ich brauche Ihnen doch wohl hoffentlich nichts von anwaltlicher Verschwiegenheitsverpflichtung zu erzählen. Ich werde Ihnen gegenüber weder sagen, ob ich einen Herrn Y vertrete noch irgendwelche sonstigen Erklärungen abgeben." Der Kollege beteuert nochmals, ein Freund meines Mandanten zu sein, ich lasse mir seine Adresse geben, wünsche einen schönen Tag und würge ihn ab. Unter der angegebenen Adresse habe ich keine Kanzlei gefunden und unter dem angegebenen Namen auch keinen Anwalt.
Als nächstes lasse ich mir mal die Akte kommen und sehe nach, ob sich darin ein Schreiben meines "Coverteidigers" befindet. Für diesen Fall nehme ich Mitleidsbekundungen gerne entgegen. Ein "Kollege", der derart nassforsch anruft, ist entweder kein Kollege oder falls doch, einer von der Sorte, die größere Flurschäden anzurichten imstande sind.

Dolmetscherin doppelt gedolmetscht

Sowohl mein Kollege Werner Siebers als auch ich haben schon über eine Dolmetscherin berichtet, deren Kompetenz von der Verteidigung in Zweifel gezogen wurde. Gestern erhob auch eine Vertreterin der Nebenklage Einwände gegen die übersetzerischen Fähigkeiten der Dame. Sie forderte, man möge doch dazu übergehen, doppelt zu übersetzen um auszuschließen, dass ihre Mandantin erneut vorgeladen werde, weil sich irgendwann die Kritik verdichten könnte mit dem Ergebnis, dass ihre Mandantin alles nochmal erzählen müsse. Die Dolmetscherin reagierte hierauf in gewohnter Manier. Sie habe alles zutreffend übersetzt und wenn sie etwas nicht verstanden habe, habe sie nachgefragt um korrigieren zu können. Dass das nicht ihre Aufgabe ist, war ihr zwar alles schon mal erklärt worden, sie schien es aber zugunsten ihrer narzisstischen Gekränkheit verdrängt zu haben. Und täglich grüßt das Murmeltier...
Sie wurde erneut vom Gericht belehrt und gegen den weiteren Dolmetscher, der bis dahin den Angeklagten übersetzte, kurzerhand ausgetauscht.

Mittwoch, 12. November 2008

Unbelehrbar?

Ein Mandant, den ich schon seit vielen Jahren vertrete und dem ich schon genauso lange sage, dass man als Beschuldigter keine Angaben gegenüber den Ermittlungsbehörden macht, kam dieser Tage mit einer Anklageschrift hereingeschneit. Auf meine Frage hin, warum er nicht schon früher dagewesen sei, meinte er, das sei nicht nötig gewesen. Zum einen sei er unschuldig und zum anderen habe er bei der Polizei schon gesagt, dass, wenn eine Anklage kommen würde, er eine Gegenanzeige gegen den Anzeigeerstatter machen würde. Klar könne er sich erinnern, dass ich ihm gesagt hätte, man solle schweigen. In seinem speziellen Fall aber hätte er doch wohl ruhig sagen dürfen, dass er unschuldig sei und dass sich die Sache ganz anders zugetragen habe.
Ich hab ihm dann nochmal erklärt, dass mein Rat für alle seine Fälle gelte, seien sie nun speziell oder nicht und ihm aufgetragen, sich einen Knoten ins Taschentuch zu machen.

Dienstag, 11. November 2008

Nerven verloren - Berufungsrücknahme

Nachdem ich in der vergangenen Woche mehrfach mit dem Vorsitzenden einer kleinen Strakammer wegen eines Termins zur Berufungshauptverhandlung telefoniert und wir schließlich einen Termin für Ende diesen Monats festgezurrt hatten, rief er mich nun erneut an: "Ihr Mandant hat wohl die Nerven verloren." Ich:"???". Er: "Er hat die Berufung zurückgenommen." Ich:"!!!"
Macht man sowas? Nein, sowas macht man nicht! Man nimmt kein Rechtsmittel zurück ohne Rücksprache mit seinem Verteidiger. Man macht das schon gar nicht, wenn im Urteil wesentliche Aspekte der Strafzumessung nicht zugunsten des Verurteilten berücksichtigt wurden.
Ich werde den Mandanten aufsuchen wenn ich mich wieder abgeregt habe und ihm dann mal den Puls fühlen.

Schwarzfahrender Teenie aus Kamerun

Während einer Verhandlungspause bei der misstrauischen Amtsrichterin, die zu kurz war, ins nächste Café zu gehen, setzte ich mich einen Saal weiter in eine Strafsache (Spruchkörper: Jugendrichter). Einer jungen Dame aus Kamerun (sollte jemand der Mitlesenden wissen, ob es Kamerunerin, Kameruna, Kamera oder wie auch immer richtig heisst, bitte ich um Mitteilung; ich kam noch nicht dazu, es nachzusehen ;-)) wurde vorgeworfen, schwarzgefahren zu sein.

Sie hatte eine Dolmetscherin an ihrer Seite. Nach Verlesung der Anklageschrift sagte der Richter (offenbar anstelle einer ausführlichen Belehrung) zu der Dolmetscherin: "Ist Frau X bereit, mit uns darüber zu sprechen?" Diese Belehrung ist zu kurz, zu knapp, zu unjuristisch - schlicht falsch. Frau X war bereit und gestand einen Teil der Taten. Die anderen stellte man nach § 154 StPO ein. Erklärung des Richters hierzu: "Die zwei Fälle schieben wir zur Seite und reden nicht mehr darüber". Auch diese Erklärung trifft es nicht ganz. Was dann aber wieder passte, war die Verwarnung mit Weisung 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit trotz einschlägiger Vorstrafen.

Misstrauische Amtsrichterin - Showdown mit Happy End

Heute gings weiter: der Eichschein war zwischenzeitlich eingetroffen, zur Bereifung gabs keine erhellenden Neuigkeiten. Da ich bezweifelte, dass die beiden Beamten die Messung bzgl. Geschwindigkeit und Abstand ordnungsgemäß durchgeführt hatten, stellte ich Beweisanträge. Flugs wurde ein Sachverständiger herbeigerufen, der meine Zweifel leider ziemlich zerstreute. Also musste ich mit dem Tatsächlichen arbeiten. Meinem Mandanten waren drei Verstöße (Geschwindigkeit, Abstand, Überholen im Überholverbot) vorgeworfen worden. Jeder Verstoß für sich nicht wild, aber alle zusammen führten zum Punkteeintrag, da im Bußgeldbescheid Tateinheit angenommen worden war. Allerdings war die Abstandsgeschichte im mehr als zähfließenden Feierabendverkehr passiert und das Überholen ganz kurz hinter dem Verbotsschild. Bei der Abstandsmessung kam hinzu, dass sich der Sachverständige nicht ganz so klar geäussert hatte wie beim Geschwindigkeitsverstoß. Ich hatte bereits wieder den Griffel gespitzt für einen weiteren Antrag als die Richterin vorschlug, auf den Geschwindigkeitsverstoß zu beschränken. So geschah es. 40 Euro, Rechtsmittelverzicht und ich bin froh, dass ich entgegen meiner ersten Absicht keinen Kleinkrieg eröffnet habe wegen der Vorlage der Kollisionstermine.
Alles in allem also ein gutes Ergebnis bei einer Richterin, die zwar misstrauisch ist, aber sowohl in wie auch außerhalb der Hauptverhandlung sehr freundlich, souverän und maßvoll.

Montag, 10. November 2008

Aktenzeichen bitte schriftlich anfordern

Es ist kein Scherz. Wer als Verteidiger im Besitz eines Gs-Aktenzeichens ist und dann bei der Namenskartei der Staatsanwaltschaft anruft um das Js-Aktenzeichen zu erfragen, hat Pech gehabt.
Derartige Anfragen sind schriftlich hereinzureichen. Es ist als fürchte man, dass Aussenstehende, die sich als Anwälte ausgeben, mehr mit dem Js als mit dem Gs Aktenzeichen anfangen könnten. Selbst wenn man der freundlichen Dame von der Namenskartei anbietet, sie könne einen ja in der Kanzlei zurückrufen oder die Nummer überprüfen, hat man keinen Erfolg.
Nicht nur, dass ich was gegen die Verschwendung von Papier, Strom und Arbeitskraft einzuwenden hätte. Schlimmer ist, dass es nun einfach länger dauert bis man das Aktenzeichen hat und diese Vorgehensweise dem in Haft sitzenden Mandanten begreiflich machen muss. Ich weigere mich es so zu sehen, dass meine Mandanten ja immerhin warm und trocken gesiebte Luft atmen und in Anbetracht der besonderen Situation wahrscheinlich mehr Zeit haben als ich.

Samstag, 8. November 2008

Eindringen ist Einbruch?!

Soeben lese ich in einer Beschuldigtenvernehmung (Vernehmungsbeamter ist Kriminaloberkommissar):
"Dir ist aber klar, dass man nachts nicht auf Grundstücke eindringt. Das ist ein Einbruch."
Soso. Eindringen ist also gleich Einbruch. Apfel ist Birne und Fisch ist Fleisch. Ist klar.

Freitag, 7. November 2008

Untauglicher Versuch eines Richters

Ich dachte schon, es hätte sich herumgesprochen, dass bei mir kein Richter und keine Geschäftsstelle anrufen muss um den Aufenthaltsort meiner Mandanten herauszubekommen. Dem ist offensichtlich nicht so. Gerade stolpere ich über eine entsprechende schriftliche Anfrage eines Richters. Der Textbaustein mit dem Inhalt, dass ich mich aus Gründen, die im StGB einerseits und im Berufsrecht andererseits verankert seien, gehindert sähe, hierauf zu antworten, war schnell gefunden. "Netter" Versuch, aber untauglich.

Donnerstag, 6. November 2008

Latexallergie

Es berichtete ein Polizeibeamter, ein Beschuldigter habe bei ihm ausgesagt, er habe deswegen ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer Frau gehabt, weil er an einer Latexallergie leide.
Ich weiß nicht mehr, wo und wann es war, aber irgendwo hab ich das schonmal gehört. Man munkelt gar, es handele sich um eine weitverbreitete Allergie.

Mittwoch, 5. November 2008

Unbefriedigter Polizist

Heute musste ich beim Amtsgericht M. warten bis die Sache, in der ich verteidigte, aufgerufen wurde. Ich setzte mich in den Zuschauersaal, hinter mir saßen 1 (grüner) Polizist und ein Ehepaar, bei dem es sich um die Geschädigten eines Einbruchsdiebstahls handelte, bei dem immerhin 150.000 Euro weggekommen waren. Vernommen wurde ein LKA-Beamter, der die Funkzellenauswertung vorgenommen hatte. Hinter mit wurde dem Paar erklärt, dass man eigentlich dieselbe Ausbildung habe, er (der Polizist) 3 Tage Arbeit mit der Auswertung gehabt habe, aber "der da vorne" sachverständig sei und das deswegen erkläre. Soso, dachte ich, dieselbe Ausbildung. Der leicht hybride Eindruck, den der Polizist auf mich machte, sollte aber noch eine Steigerung erfahren.


Es stellte sich heraus, dass man außer den Funkzellen nichts weiter Belastendes gegen die Angeklagten in der Hand (und der Akte) hatte. Keiner der Zeugen erkannte die Herren auf der Anklagebank als diejenigen wieder, die ihnen im Bereich des Tatortes begegnet waren. Folgerichtig plädierte die Staatsanwältin auf Freispruch. Hierauf sah sich der hinter mir sitzende Polizist berufen, den Geschädigten zu erklären, dass das ja wohl nicht wahr sein dürfte und dass die Angeklagten die Geschädigten "wohl nur besuchen" wollten. Dass diese Angeklagten dann auch noch Verteidiger bekämen, die sie sich unter normalen Umständen niemals leisten könnten, käme noch hinzu. Mit "So unbefriedigend kann Arbeit sein" schloss er seine tiefsinnigen Ausführungen. Das Gericht sprach frei und die Vorsitzende erläuterte in ihrer Urteilsbegründung die Grundsätze der Unschuldsvermutung in so klaren Worten, dass man das auch mit bildungsfernem Hintergrund zu verstehen in der Lage war.


Ich frage mich immer wieder, was man den jungen Leuten in den Polizeischulen beibringt. Sollte nicht auf dem Stundenplan stehen, wie man Bürgern richtig erklärt, dass nicht jeder, der auf der Anklagebank sitzt auch gleich der böse Bube ist? Wäre es schön, man würde das mal aufnehmen. Gerne komme ich auch vorbei und vermittele das.

Misstrauische Amtsrichterin - Folge 4

Heute fand der Termin bei der misstrauischen Amtsrichterin statt, die schon in der Sache zuvor, die ich als Zuschauer verfolgte, einen sehr kompetenten Eindruck machte (vgl. Unbefriedigter Polizist).

Ich hatte meinen Mandanten vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbinden lassen und so ging es ohne ihn los. Zwei Polizeibeamte hatten ihn auf der Autobahn verfolgt. Gna-den-los! Gleich drei Verstöße soll er begangen haben: Geschwindigkeit zu hoch, Überholen im Überholverbot und Mindestabstand zum Vorausfahrenden nicht eingehalten. Angehalten sei er worden, so der eine Polizist und eine Frau habe auf dem Beifahrersitz gesessen. Hektisches Blättern in der Akte. Hatte ich eine Zeugin übersehen? Die Vorsitzende blätterte auch drauflos. Auch sie fand keine Zeugin. Na sowas.

Eichschein des Messgeräts? Klar, den gibts. Theoretisch zumindest. Praktisch befand er sich in einem abgeschlossenen Büro der Dienststelle und konnte nicht besorgt werden. Ob Winter- oder Sommerreifen auf dem Verfolgerfahrzeug aufgezogen waren? Woher soll man das nun wieder wissen.

Jedenfalls habe man überhaupt nur die schlimmsten Verkehrsverstöße meines Mandanten zum Gegenstand des Bußgeldverfahrens gemacht und weshalb ich ihn denn dann so aufs Glatteis führen wolle, wollte einer der Beamten von mir wissen. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit habe ich es dabei belassen, ihn nur kurz anzuknurren. Die Verhandlung wird demnächst fortgesetzt.

Nebenklägerisches Vergnügen - eine Provinzposse

Ja, ich gestehe: ich habe gestern die Nebenklage vertreten. Eine für mich eher ungewohnte Rolle. So ungewohnt, dass mich der Richter erstmal fragte, warum ich neben dem Staatsanwalt sitze. Mein Mandant und sein Kumpel treten als Zeugen auf. Sie sollen verdroschen worden sein. Gegenüber auf der Anklagebank: vier Jungs, alle verteidigt (von offensichtlich vorwiegend nicht im Strafrecht tätigen Kollegen mittleren Alters).
Alle Angeklagten ließen sich zur Sache ein. Einer abenteuerlicher als der andere. Die Verteidiger befragten nicht nur den eigenen Mandanten, sondern auch die der jeweils anderen mit dem Ergebnis, dass die Geschichten immer haarsträubender wurden. Ich lehnte mich entspannt zurück und fand das Spektakel streckenweise hochamüsant. Angeklagte und Verteidiger redeten sich um Kopf und Kragen. Einer der Verteidiger fragte seinen Mandanten gar nach dem am fraglichen Tag getragenen Schuhwerk. Leichte Turnschuhe. Der Kollege hatte die Anklage wohl nicht recht verstanden, die auf gefährliche Körperverletzung lautete, weil von mehreren gemeinsam begangen.
Beweisanträge wurden auch gestellt. Nicht so, wie sie im Lehrbuch stehen, sondern viel witziger und mit teils seitenlangen Beweisbehauptungen.
Der Kumpel meines Mandanten hat übrigens keinen der Angeklagten erkannt. Es war dunkel, weshalb ihm eine Zuordnung der Schädiger nicht möglich war. Nachdem die aber alle schon eigeräumt hatten, am Tatort gewesen zu sein und auch eine "verbale Auseinandersetzung" gehabt zu haben, wird es am Ende darauf nicht ankommen. Die Posse wird demnächst fortgesetzt.

Dienstag, 4. November 2008

Holzklotzverfahren beginnt mit Befangenheitsantrag

Wie der Kollege Hoenig in seinem blog http://www.kanzlei-hoenig.info/kein-gutes-zeichen unter Hinweis auf einen Artikel von Giesela Friedrichsen in Spiegel online berichtet, haben die Verteidiger des Angeklagten am ersten Hauptverhandlungstag einen Befangheitsantrag gestellt, weil das Gericht dem Angeklagten weder die Anklageschrift in seiner Muttersprache hat zukommen lassen noch bereit war, ihm einen Dolmetscher zur Seite zu stellen.
Ich will sie gar nicht hören, die Kommentare von Stammtischdeutschland, die dem Angeklagten und seinen Verteidigern zumindest die Pest an den Hals wünschen und sicher auch nicht verstehen können, wie man einem Menschen, der des Mordes angeklagt ist, auch nur einen Verteidiger beiordnen kann, von einem Dolmetscher mal gar nicht zu reden. Froh bin ich jedoch darüber, dass ich bislang beim hiesigen Landgericht noch nie um einen Dolmetscher für einen Mandanten kämpfen musste, selbst dann nicht, wenn meine Mandanten die deutsche Sprache halbwegs beherrschten. Kaum ein Ausländer versteht unsere Sprache so gut, dass er in der Lage wäre, das zum Teil ziemlich komplexe Juristendeutsch zu verstehen.

Misstrauische Amtsrichterin - Runde 3

Mein Antrag auf Terminsaufhebung wurde abgelehnt. Mandant ist auf Dienstreise und die Ladung wurde ihm ein paar Tage eher zugestellt als die Buchungsbestätigung über den Flug alt ist. Die misstrauische Amtsrichterin (vgl. auch Postings vom 15. und 24.10.08) nimmt dies zum Anlass, zu glauben, der Termin solle verhindert werden.
Ich habe ihr jetzt geschrieben, dass mein Mandant beruflich in einer Position ist, in der man Termine nicht selbst vereinbart und auch Flüge nicht selbst bucht; dafür gibt es dienstbare Geister, die die Termine schon viele Wochen zuvor festzurren und sich dann um Flüge, Mietwagen und Hotels kümmern.
Ob mein Schreiben die Richterin veranlassen wird, ihre Entscheidung zu überdenken - demnächst hier.

Montag, 3. November 2008

Inkompetente Dolmetscherin? - Fortsetzung

Die Anträge der Angeklagten auf Ablehnung der Dolmetscherin wegen Besorgnis der Befangenheit wurden abgelehnt. Zuvor war der Dolmetscherin Gelegenheit gegeben worden, zu den Anträgen Stellung zu nehmen. Dies tat sie und gab ihrer tiefen Bestürzung über die Vorwürfe mit um Fassung ringender Stimmung Ausdruck.
Der weitere Verlauf der Vernehmung der nicht deutsch sprechenden Zeugin gestaltete sich weniger flüssig als zuvor. Vielleicht wurde nun "linearer" übersetzt als zuvor? Immerhin trat zu Tage, dass die Zeugin, aufgrund deren Aussage ein umfangsreiches Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt wurde, am liebsten gar nichts mehr gesagt hätte. Die Erinnerungslücken muteten auch die Kammer seltsam an und die Vorsitzende musste die Zeugin mehrfach ermahnen, ihre Erinnerung anzustrengen. Schließlich beantragte die Staatsanwaltschaft, der Zeugin einen Beistand beizuordnen. Diesem Antrag wurde stattgegeben.

Der Fall Holzkotz

Morgen beginnt vor dem Landgericht Oldenburg der Prozess wegen des sog. Holzklotzfalls, im Rahmen dessen dem Angeklagten Mord vorgeworfen wird.
Die Verteidiger des Angeklagten begleiten den Fall mit der Website www.fairesverfahren.de.
Wir dürfen gespannt sein.

Inkompetente Dolmetscherin?

In einem Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz ist ein Streit über die übersetzerischen Fähigkeiten einer Dolmetscherin ausgebrochen. Zwei der insgesamt 8 Angeklagten haben über ihre Verteidiger Befangenheitsanträge gegen die Dolmetscherin gestellt, denen sich die jeweils anderen Angeklagten angeschlossen haben.
Das Gericht wird über die Anträge befinden.
Die Dolmetscherin nahm die vor den Anträgen im Rahmen der Hauptverhandlung geführte Diskussion zum Anlass, sinngemäß in Richtung eines Verteidiger zu sagen, seine Bemerkungen seien völlig irrelevant und inkompetent und sie wisse nicht, wieso so viele Menschen und das Gericht damit aufgehalten würden.
Hoppla. Die Diskussion darüber, ob die Dolmetscherin richtig, vollständig und wahr übersetzt hat, wurde durchaus sachlich geführt. Es wäre sicher erhellend, wenn man wüsste, wieso die Dolmetscherin derart scharf reagierte.

Samstag, 1. November 2008

Wenns hinten knallt setzt es oben aus

Es ist schon erstaunlich, was unfallaufnehmende Polizeibeamte an der Unfallstelle gegenüber den Beteiligten so alles von sich geben. Mein Mandant befuhr nachts eine Landstraße. Von einem Parkplatz am Rande der Landstraße zog ein Lkw raus - ohne Licht und im Schneckentempo. Mein Mandant konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf den Lkw auf. Der dienstbeflissende Polizist wusste sofort, was sich zugetragen hatte und scheute sich nicht, seine Rechtskenntnisse an der Unfallstelle kundzutun, wonach wer hinten auffährt, immer 100% Schuld habe am Unfall. Mein Mandant könne da gar nichts machen, der Fall sei klar und gegen ihn werde jetzt ein Bußgeldverfahren eingeleitet, weil der den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten habe und wahrscheinlich auch noch zu schnell gefahren sei. Bei derart geballter Kompetenz frage ich mich, wieso wir eigentlich Anwälte, Richter und Unfallanalytiker brauchen.