Dienstag, 30. Juni 2009

Anwaltsein ist stinklangweilig?

Seit gestern habe ich einen Praktikanten. Er ist 17 und Schüler an einer Berufsfachschule. Gerichtsverhandlungen kannte er bis heute nur aus dem Fernsehen.
Ich hatte ihn schon darauf eingestellt, dass es "in echt" ganz anders zugeht als bei Frau Salesch und Konsorten, so dass seine Erwartungen nicht allzu hoch waren.

Wir haben heute im Bulgari-Verfahren an die 5 Stunden Telekommunikationsüberwachung gehört. Ebenso wie ich hatte auch mein Praktikant Schwierigkeiten, das pfälzisch, schwäbisch und bulgarische Stimmengewirr zu verstehen, aber das war´s dann auch schon an erwähnenswerten Besonderheiten.

Nach der Verhandlung meinte er auf meine Frage hin, wie es ihm denn gefallen habe: "Anwalt werde ich nicht. Das ist ja stinklangweilig."

Morgen ist auch noch ein Tag und mal sehen, ob ich ihn dann davon überzeugen kann, dass es eigentlich ganz spannend ist.

Montag, 29. Juni 2009

Overdressed

Reichlich overdressed erschien mein Mandant zum Hauptverhandlungstermin. Er ist 16 und stammt aus einem im besten Sinne konservativen Elternhaus. Auf dem Gerichtsflur wäre ich fast an ihm vorbeigelaufen, denn ich erkannte ihn nicht.
Seine Eltern hatten ihn in Anzug und Krawatte gesteckt und seinem Gesicht war anzusehen, dass er sich darin so gar nicht wohlfühlte.

"Ach du Schreck", sagte ich, "wir sind doch hier nicht beim Abschlussball." Meiner Aufforderung, die Krawatte auszuziehen, kam er gerne und unverzüglich nach. Offensichtlich hatte es wegen seines Outfits am Morgen schon Stress mit seinen Eltern gegeben, denn er war fast ebenso dankbarer dafür, wenigstens aus der Krawatte herauszukommen als über die Einstellung des Verfahrens, die kurze Zeit später folgte.

Sonntag, 28. Juni 2009

Mündliche Prüfung - Erinnerungen und Wünsche

Die Einträge meines Bloggerkollegen Levay sind es, die mich bisweilen an vergangene Zeiten erinnern. Levay hat morgen mündliche Prüfung, nach deren Abschluss er sich Volljurist nennen darf. Ich bin sicher, dass er im 2-stelligen Bereich punkten wird und drücke daher nur vorsorglich die Daumen.

Die beiden mündlichen Prüfungen, auf die ich zurückblicke, hätten unterschiedlicher nicht sein können.

Bei der mündlichen Prüfung zum Referendarexamen beim OLG Düsseldorf verdoppelte ich meine Punktzahl, die ich aus der schriftlichen Prüfung mitgebracht hatte. Es war einfach mein Tag an diesem Tag und alles passte: nette Prüfer und vier weitere weibliche Mitprüflinge. Wir Prüflinge kannten uns nicht, sahen aber aus, als ob wir uns in puncto Kleiderordnung verabredet hätten. Alle 5 trugen wir dunkelblaue Kostümchen, weiße Blusen und gelbe Seidentücher, teils eingesteckt, teils um den Hals und wer uns sah, hätte auch auf den Gedanken verfallen können, wir seien Stewardessen (neudeutsch: Saftschubsen) und wären gerade auf dem Düsseldorfer Flughafen gelandet. Nach der Prüfung wurde auf der Kö gefeiert und ich habe an diesem Tag so viel Geld für Prosecco unters Volk gebracht wie noch nie zuvor in meinem Leben (das hat sich übrigens bis heute nicht geändert).

Das zweite Examen gab nur deshalb Anlass zum Feiern, weil es mir endlich ermöglichte, meine eigene Kanzlei zu eröffnen, ganz sicher nicht aber wegen des Verlaufs der mündlichen Prüfung.
Ich habe diesen Tag, der nun über 10 Jahre zurückliegt, weitestgehend verdrängt, aber mir ist noch in lebhafter Erinnerung, dass mein Aktenvortrag sich u.a. damit befasste, dass im Rahmen eines Trunkenheitsdelikts der Beschuldigte meines Erachtens bei seiner Vernehmung nicht umfassend belehrt worden war. Die Meinung, die ich hierzu vertrat (der geneigte Blogleser wird sie erahnen können), entsprach ganz offensichtlich nicht der der Prüfungskommission, was mich nicht davon abhielt, stur wie ein Esel an ihr festzuhalten. Das wiederum hielt die Kommission nicht davon ab, mir für den Vortrag 6 Punkte einzuschenken, was im Ergegnis dazu führte, dass ich mir das Einschenken von Prosecco und sonstigen ungesunden Sachen weitestgehend schenken konnte.

Taktisch, wusste mein Vater damals nach meinem Bericht zu vermelden, sei es sicher ein Fehler gewesen, mit der vertretenen Meinung nicht umzuschwenken, aber sowas von seiner Tochter zu erwarten, ginge nun wirklich zu weit.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Suboptimale Belehrungen

Der Termin gestern beim Amtgericht E. versprach spannend zu werden und das nicht nur, weil der Kollege mit der Nelke mit von der Partie war.

Drei Heranwachsenden, allesamt aus gutem familiären Umfeld, war Hausfriedensbruch und versuchter Einbruchsdiebstahl vorgeworfen worden, weil sie abends auf einem Gelände waren, das einer Geisterstadt glich (zerfallene Häuser, eingeworfene Fensterscheiben, leere Stallungen). Einer der Anwohner, der auch als Zeuge aussagte, bezeichnete das Gelände als "Abenteuerspielplatz". Er sei auf die Jungs aufmerksam geworden, weil diese sich laut unterhalten hätten (Anm. d. Verf.: keiner der Einbrecher, die ich bislang verteidigt habe, hatte mit seinen Mittätern lautstark bei der Tatausführung schwadroniert) und als er aus dem Haus getreten sei, seien sie abgehauen. Sie hätten weder etwas in den Händen gehabt noch etwas fallen lassen. Mehr könne er nicht sagen.

Bei der Polizei ausgesagt hatte nur einer der drei Beschuldigten, ein junger Mann mit starker Lese- Rechtschreibschwäche, der ziemlich durch den Wind war und vor Aufregung kaum seinen Namen herausbekam. Sein Verteidiger erklärte, sein Mandant habe seine Vernehmung zwar unterschrieben, nicht aber gelesen. Dies zum einen mangels Können und zum anderen weil er schlicht zu aufgeregt gewesen sei und sich von dem Vernehmungsbeamten unter Druck gesetzt gefühlt habe.
Eingangs der Vernehmung, so kann man in der Akte lesen, bestreitet der Beschuldigte den Tatvorwurf, dann fühlt der Vernehmungsbeamte ihm auf den Zahn und dann soll der Beschuldigte sinngemäß erklärt haben, dass man auf dem Gelände habe Altmetall klauen wollen wenn man welches gefunden hätte. Dieses "Aufdenzahnfühlen" liest sich so: "In der Anzeige steht, dass ihr Altmetall klauen wolltet. Ich habe dir eben den § 46 StGB erklärt. Überlege noch einmal genau!"

Der Polizeibeamte erklärte auf Befragen, dass er selbst die Vernehmung geführt habe. Den § 46 StGB habe er so erklärt, dass das Gesetz vorsehe, dass, wenn man etwas zugebe, man nicht so hart bestraft werde als wenn es einem nachgewiesen würde. Vielleicht hätte er die Vorschrift besser mal durchgelesen, denn eine Ähnlichkeit zwischen Gesetzestext und Erklärung drängt sich einem nicht gerade auf. Auf mein Befragen gab er an, immer ein Wortprotokoll zu führen und was er nicht protokolliert habe, das sei auch nicht gesagt worden. Dann habe er den § 46 StGB also doch nicht näher erläutert, weil davon nichts im Protokoll stehe. Doch, so der Polizeibeamte, das habe er. Dann sei es also falsch, wenn er gerade behauptet habe, was nicht im Protokoll stehe, sei nicht gesagt worden. Jawohl, das sei dann falsch, musste er einräumen. Als er dann noch erklärte, er habe den Beschuldigten dahingehend belehrt, dass dieser schweigen könne oder die Wahrheit sagen solle, hatte keiner mehr Fragen, zumindest nicht an diesen Beamten.

Sein Kollege, der danach vernommen wurde, gab an, dass die Täter vor Ort wie er auch in der Anzeige festgehalten habe, auf Befragen eingeräumt hätten, einen Diebstahl begehen zu wollen. Ob sie belehrt worden seien, wisse er nicht. Er könne sich an eine Belehrung nicht erinnern, aber vielleicht habe ja sein Kollege diese vorgenommen. Dieser Kollege war nicht geladen. Einer Verwertung der Anzeige wurde seitens der Verteidigung widersprochen, denn mal unjuristisch ausgedrückt: man muss schon wenigstens über seine Rechte belehrt werden bevor man den Mund auftut und wenn sie einem keiner sagt, kann das, was man unbelehrt sagt, später nicht verwendet werden.

Ich persönlich hätte ja nichts dagegen gehabt, nochmal ins beschauliche E. zu fahren und auch noch dem dritten Polizisten als Zeugen zu lauschen, aber Richter und Staatsanwältin nahmen den Vorschlag des Kollegen mit der Nelke nach Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO auf, so dass auch ich meinem Mandanten dazu riet, der Einstellung zuzustimmen.

Fragerecht für alle

Gestern Morgen war ich beim Amtsgericht M.. Von den 6 Zeugen, die in der Anklageschrift stehen, war nur einer geladen. Es konnte infolge eines anderen Termins, den ich wahrzunehmen hatte, nur kurz verhandelt werden.
Der Zeuge wurde von der Vorsitzenden befragt und dann wurde ein Fortsetzungstermin bestimmt. Alle bekannten sich zu dem Termin als geladen und die Vorsitzende sagte zu dem Zeugen: "Sie brauchen dann nicht kommen. Mit Ihnen sind wir fertig."

Der Staatsanwalt und ich bemerkten gleichzeitig, dass wir dem Zeugen auch noch gerne die eine oder andere Frage stellen würden. Im Eifer des Gefechts und der morgendlichen Eile war der Vorsitzenden wohl durchgegangen, dass das Fragerecht sich auch auf Staatsanwaltschaft und Verteidigung erstreckt.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Die Nelke im Knopfloch

Morgen habe ich das Vergnügen, bei einem Amtsgericht in Nordrhein Westfalen zu verteidigen. 3 Angeklagte, also 2 Verteidigerkollegen, von denen ich nur einen persönlich kenne.
Mit dem anderen habe ich heute telefoniert. Es war ein kurzweiliges Telefonat. Der Kollege war gerade vom Golfen zurück, ihm waren einige Kunststückchen gelungen und er war bester Laune.
"Wir sehen uns dann morgen. Sie erkennen mich an einer rosa Nelke im Knopfloch!"

Selbst wenn er - wovon ich ausgehe - nelkenlos erscheinen wird, bin ich sicher, dass der Termin einen gewissen Unterhaltungswert haben wird.

Dienstag, 23. Juni 2009

Nicht abgesoffen

Nein, ich bin nicht abgesoffen im Zuge des Wasserschadens in meinem Büro. Im wasser- und schimmelbeschädigten Sekretariat, das sich neben meinem Büro befindet, hat inzwischen ein Trocknungsgerät Einzug gehalten, das das Wasser aus der Wand ziehen soll. Besagtes Gerät röhrt dumpf vor sich hin - von morgens bis abends und zwischendurch muss der Wasserbehälter geleert werden. Türen und Fenster müssen geschlossen bleiben und ich darf versichern, dass es nicht gerade nach Maiglöckchen duftet in dem Raum.

Kurzum: ich bin dankbar um jede Minute, die ich nicht in meinem Büro sitzen muss. Heute Mittag steht bei einem Amtsgericht in Hessen eine Beweisaufnahme in einer Mietsache an . 6 Zeugen, es geht um Schimmel, angeblich zerkratzte Tapeten und weitere spannende Dinge, die eine Mietsache so mit sich bringt. Alles Gründe, die einen vernünftigen Rechtsanwalt dazu veranlassen, einen Kollegen vor Ort mit Untervollmacht zu versehen und in den Termin zu schicken - es sei denn, man hat einen Wasserschaden in Büro.

Schon lange nicht mehr habe ich mich so auf eine Beweisaufnahme in einer Zivilsache gefreut.

Freitag, 19. Juni 2009

Früher Termin - Beitrag aus der Reihe "Terminskollisionen"

Immer wieder taucht das leidige Thema "Terminskollision bei Verteidigern" in juristischen Blogs auf und trotzdem es eigentlich ein alter Hut ist, erlebt man ständig Neues.

Gestern hatte ich das Vergnügen, mit der Vorsitzenden eines Schöffengerichts zu telefonieren. Ich hatte wegen einer Terminskollision um Aufhebung des von ihr bestimmten Termins ersucht. Es stellte sich heraus, dass der nächste bei mir freie Tag, an dem sie verhandelt (und sie verhandelt nur an einem Tag pro Woche) erst in 3 Wochen ist. Dann aber ist die Vorsitzende im Urlaub und erst im August zu verhandeln sei ihr zu spät.
Und überhaupt: ich sei eine Einzelkanzlei, da müsste ich meine Mandanten schließlich darüber informieren, dass ich in größeren Verfahren tätig sei und daher Terminskollisionen auftreten könnten.

Ich kann nur mutmaßen, was sie mir damit sagen wollte bzw., was sie sich denken mag und versuche mal, es darzustellen: Anwälte, die nicht in einer Kanzlei mit vielen Anwälten tätig sind, sollten gar keine Strafsachen annehmen dürfen, denn es könnten ja Kollisionen auftreten. Dass diese Kollisionen oftmals entweder im Guten (Aufhebung des Termins und Absprache eines anderen Termins) oder im weniger Guten (Beschwerde, Befangenheitsantrag) gelöst werden können, mag sein, ist aber lästig.
Große Kanzleien können immer einen anderen Anwalt schicken. Was schert einen denn, ob der Ahnung vom Strafrecht hat oder ob der Beschuldigte von einem anderen vertreten werden möchte?!
Last but not least ist auf den 4-wöchigen Urlaub eines Richters mehr Rücksicht zu nehmen als auf eine 3-wöchige Verhinderung (bezogen auf einen Tag pro Woche!) eines Verteidigers wegen eines anderen Verfahrens.

Ich habe es mir und ihr erspart, über Obiges zu diskutieren oder ihr gar zu erklären, dass ich nicht jeden Mandanten mit einer "kleinen" Strafsache wegschicken kann nur weil ich in einem Großverfahren sitze. Ich habe es uns beiden weiter erspart, ihr vermitteln zu wollen, dass auch ein Beschuldigter, der sich von einer Großkanzlei vertreten lässt, das Recht hat, von demjenigen Anwalt verteidigt zu werden, den er gewählt hat und nicht von dem, der am Sitzungstag eines
Gerichts zufällig Zeit hat. Letztlich habe ich es uns auch erspart, ihr zu sagen, dass meine Urlaube maximal 1 Woche dauern, ich ihr aber den eigenen, deutlich längeren Urlaub natürlich von Herzen gönne und ich trotz allem nicht meinen Job mit ihrem tauschen möchte.

Wir sind nach einigem Hin und Her so verblieben, dass wir an einem ihrer Sitzungstage vor ihrem Urlaub zu sehr früher Stunde verhandeln und ich somit noch rechtzeitig zu dem Termin komme, der schon seit längerer Zeit bestimmt ist.

Donnerstag, 18. Juni 2009

ARGE Rotlicht

Gestern wurden in einem Strafverfahren Kriminalbeamte als Zeugen gehört, die ihren Dienst bei der ARGE Rotlicht versehen. Der Name der ARGE ist Programm und zu den Hauptaufgaben der dort tätigen Beamten gehört es, Bordellen und Clubs Routinekontrollen zu unterziehen.

Mein Mandant hatte in seinem Etablissement eine Art Preisliste hängen, auf der einzelne Dienstleistungen und deren Preise standen, daneben hatte er Überwachungskameras installiert. Insbesondere in Bezug auf die Überwachungskameras galt es also, in Erfahrung zu bringen, inwieweit diese dazu dienten, die Prostituierten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zu überwachen.

Die Beamten kannten das Etablissement meines Mandanten. Sie wussten zu berichten, dass keine Kameras in den "Arbeitszimmern" installiert waren, sondern an der Außenseite des Gebäudes und im Flur. Zur Preisliste befragt, bekundete ein Beamter, er kenne kein Bordell, in dem so eine "Menükarte" nicht hänge und er kenne berufsbedingt wirklich alle Bordelle in B. und Umgebung.

So ganz nebenbei erfuhren die Prozessbeteiligten dann noch, dass das Kerngeschäft in Bordellen schon lange nicht mehr nachts ablaufe. Die Mittagszeit sei es, in der Hochbetrieb herrsche. "Schatz, ich bin dann mal beim Geschäftsessen", sei eine beliebte Ausrede. Na denn Mahlzeit.

Dienstag, 16. Juni 2009

Hellsehen beim Amtsgericht

Heute erreicht ich die Ladung eines Amtsgerichts zu einem Hauptverhandlungstermin in knapp zwei Wochen. Es geht um eine Jugendstrafsache.
Ein Blick in den Kalender verrät mir, dass ich an diesem Tag ab 9 Uhr morgens bereits in einer Umfangssache sitze.

Nachdem wegen des Wasserschadens in meinem Büro und der damit verbundenen Evakuierung des Sekretariats derzeit die Abläufe etwas schleppend sind und ich in letzter Zeit ohnehin reichlich Brieffreundschaften mit Richtern wegen Terminsverlegungen begründet habe, rufe ich die Geschäftsstelle an in der Hoffnung, noch mit der Richterin verbunden zu werden, um mit dieser einen Termin abzusprechen.

Es meldet sich Frau M., die zur Spezies der immer freundlichen Geschäftsstellenmitarbeiter zählt. Ich nenne meinen Namen und bevor ich dazu komme, auch nur die Sache zu nennen oder gar das Aktenzeichen zu sagen, meint Frau M: "Sagen Sie nichts. Ich weiß, weshalb Sie anrufen." Ich: "??" Frau M.: "Der Termin in der Sache X. Sie können nicht, stimmt´s?" Stimmt. Ich bin platt. Frau M. kann offenbar hellsehen und ist damit der Vorsitzenden um Einiges voraus. Die war übrigens nicht mehr da, aber das konnte ich ja nicht wissen; schließlich gehts mir in puncto Hellsehen genau wie ihr.

Montag, 15. Juni 2009

Ich bin nicht Klempner von Beruf

Berichtete ich vergangene Woche noch über den Wasserschaden in meinem Sekretariat, ist mir heute der weitere Verlauf der Sache einen Bericht wert.

Zur Erinnerung: in meinem Sekretariat drückten sich urplötzlich Schimmel und Nässe durch die Wand. Der vermieterseits eilig herbeigerufene Klempner stellte zutreffend fest, dass man erstmal nachsehen müsse, wo denn die schadhafte Stelle sei. Ein kluger Einfall. Das war am Mittwoch. Donnerstag, so der Klempner, sei Feiertag (stimmt, zumindest in Rheinland-Pfalz) und Freitag sei ein Brückentag, an dem nicht gearbeitet würde (stimmt nicht; ich habe gearbeitet, Millionen anderer Leute auch, der Klempner wohl nicht) und dann komme schon das Wochenende, so dass frühestens Montag angefangen werden könne.

Heute ist Montag, das Wasser hatte sich über Feier- und Brückentage sowie das Wochenende weiter seinen Weg gebahnt, und während ich im Bulgari-Verfahren der mehr oder minder erhellenden TKÜ lauschte, wurde der Kelmpner in meinem Büro vorstellig. Das Leck sei gefunden, wusste er meiner Sekretärin zu berichten. Jetzt wolle er mal rasch unter die Tapete schauen und - ratsch - war auch schon die erste Bahn entfernt. Dieser folgten weitere und wer glaubt, diese seien entsorgt worden, irrt. Sie blieben liegen. Auf dem Boden. Die Teile waren klatschnass. Es gehört wohl nicht zum Tätigkeitsbild eines Klempner, die Tapeten wegzuräumen. Im Arbeitsvertrag meiner Sekretärin steht auch nichts von Renovierungsarbeiten im weiteren Sinne, so dass mal wieder das Motto galt: Wenn du willst, dass etwas richtig getan wird, tue es selbst.
Eines ist klar: der Klempner hat Glück gehabt und sollte meine duldsame Mitarbeiterin in sein Nachgebet einschließen.

Was mich tröstet? - Morgen ist auch noch ein Tag und er kommt wieder.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Keine Kekse von der Tante

Vor einiger Zeit riet mir eine Mitarbeiterin dazu, im Besprechungsraum neben Taschentüchern (für weinende Mandanten oder Angehörige von inhaftierten Mandanten) und Kaffeetassen etwas zum Knabbern vorzuhalten. Das sei gut für die Nerven der Klienten und man erziele mit wenig Geld einen guten Effekt. Wenn dem so ist, dachte ich und kaufte drauflos.

Seither gibt es jedenfalls abwechselnd Pralinen mit und ohne Alkohol für die Großen und Gummibärchen oder Kekse für die Kleinen. Die Lutscher, die nicht nur die Zunge, sondern gleich auch noch die Kleidung einfärben, habe ich nach der Beschwerde einer Mutter nicht mehr hingestellt.
Einmal kamen Weingummibärchen so gut an, dass ein mitgebrachtes Kind, welches wie meine Oma früher zu sagen pflegte "gut durch den Winter gekommen war", gleich den gesamten Inhalt der nicht gerade kleinen Bonboniere innerhalb eines viertelstündigen Gesprächs zwischen seinen Eltern und mir vertilgte.

Sie hatte Recht, meine Mitarbeiterin. Die Mandanten nehmen das Knabberangebot überwiegend dankend an und ich bin froh, auf diese Weise ihre Nerven wenigstens ein wenig schonen zu können.

Gestern musste ich die erste Schlappe einstecken: ein Mandant hatte seinen Sohn dabei. Ich schätzte ihn auf etwa 10 Jahre. Meine Frage, ob er ein paar Kekse essen wolle, verneinte er. Das erste Mal, dass ein Kind keine Kekse essen wollte. Ich war irritiert. Die Besprechung dauerte länger und so fragte ich nochmal nach: "Wirklich keinen Keks?" Antwort: "Ich esse sowas nicht. Ich bin Sportler."
Rumms! Das klang souverän, diszipliniert und extrem ambitioniert.
Ich treibe übrigens auch Sport und habe mir nach dem Gespräch mit dem kleinen Jungen vorgenommen, künftig keine Kekse mehr zu essen.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Tage, an denen man verliert

Es gibt Tage, an denen man besser im Bett geblieben wäre. Heute scheint einer dieser Tage zu sein.

Dass das Brötchen im Toaster hängenblieb und etwas mehr als nur kross wurde, war erst der Anfang. Im Büro stelle ich fest, dass der Aktenstapel auf meinem Schreibtisch über Nacht nicht kleiner geworden ist und ich den morgigen Feiertag wohl am Schreibtisch verbringen werde. Fast hätte ich den Friseurtermin vergessen, den ich für heute vormittag vereinbart hatte. Im Nachhinein: ich HÄTTE ihn besser vergessen, denn mit den Strähnen ist ganz offensichtlich was schiefgelaufen und jetzt sehe ich aus wie ein Streifenhörnchen.

Als ich zurück ins Büro komme, stellt meine Sekretärin mit einem kurzen Blick fest, dass das Ergebnis suboptimal ist und fragt lakonisch, ob sie schonmal die Akte anlegen soll. Derweil fällt mein Blick auf eine Zimmerecke des Sekretariats. Wasser läuft die Tapete herab und es hat sich bereits ein größerer Wasserfleck an der Wand gebildet. Also auch noch ein Wasserschaden offenbar ein Stockwerk höher. Gleich kommt der Klempner und ich bin gespannt, was dann wieder schiefgeht.

Der frohe (Un)mut oder: Kaution und Bankbürgschaft

Der Kollege Vetter berichtet gestern über die Freundlichkeit einer Mitarbeiterin einer Hinterlegungsstelle beim AG Düsseldorf, ohne deren Hilfe sein Mandant vermutlich zumindest noch die Mittagspause hinter schwedischen Gardinen verbracht hätte.
Doch selbst wenn er erst am nächsten Tag wieder ungesiebte Luft geatmet hätte, wäre das noch fix im Vergleich zu einem meiner Kautionsfälle gegangen, der noch gar nicht so lange her ist und noch heute meinen Blutdruck steigen lässt.

Und das kam so:

Ich hatte erreicht, dass ein Mandant gegen die Stellung einer Bankbürgschaft freikommt.
Frohen Mutes setzte ich mich mit der Hausbank meines Mandanten in Verbindung. Dort unterhält seine Familie ebenfalls Konten und man darf sagen, dass es sich um gute Kunden der Bank handelte.
Anstatt mir die gewünschte Bürgschaftserklärung zukommen zu lassen, wollte der Bankmitarbeiter zunächst einmal wissen, was mein Mandant denn "überhaupt ausgefressen" habe. Das, mit Verlaub, ging ihn nichts an. Das Aktenzeichen musste ihm genügen. Bis ihm das genügte, verging Tag Nr. 1.

Tag Nr. 2 brach an und mein Mut war nicht mehr ganz so froh. An diesem Tag wünschte der Banker eine Befristung der Bürgschaft. Keine Frage, sollte er haben. Das ging ihm wohl etwas schnell, denn nun sollte die Familie meines Mandanten einen Schuldbeitritt erklären und ich sollte ihm die entsprechende Erklärung zusenden. Nach Vorlage derselben würde man die Sache überprüfen. Nun war das Klassenziel des Unmutes erreicht. In der diesen Mandanten betreffenden Sache war gerade Sitzungspause und ich rief den Banker an. Ich merkte gar nicht, dass ich mich stimmlich ein wenig verausgabte, denn ein Kollege fragte mich, weshalb ich denn überhaupt telefoniere, schließlich höre man mich mühelos bis auf die iberische Halbinsel. Mein neben mir sitzender (und zwar in doppelter Hinsicht sitzender!) Mandant hatte den Kopf eingezogen.

Ich lernte an diesem Tag noch den Vorgesetzten des Bankers kennen, telefonisch und sehr kurzfristig. Ein verständiger Mann mit Durch- und Weitblick. An Tag 3 war mein Mandant frei, der inzwischen bei einer anderen Bank Kunde ist.

Dienstag, 9. Juni 2009

Der anonyme Schreiber

In seinem Blog postet der Kollege Siebers unter Datum vom 08.06.09 unter der Überschrift Kinderporno-Paranoia von einem Fall, in dem auf einen eher vagen Hinweis eine Durchsuchung angeordnet worden war. Dies kommentiert ein anonymer Leser wie folgt:

Ja denkt denn niemand an die Kinder?Lieber 10 zu Unrecht in den Knast, als noch ein Bild irgendwo von einem posierenden Kind!
Dienstag, Juni 09, 2009 9:43:00 AM

Ich wüsste gerne, ob der anonyme Schreiber der Sache noch genauso gelassen gegenüberstehen würde, wenn er selbst zu den 10 Unschuldigen gehören würde.

Ansonsten fällt mir noch Feuerbach ein: "Niemand urteilt schärfer als der Ungebildete. Er kennt weder Gründe noch Gegengründe und glaubt sich immer im Recht."

Verteidigung mit "alle Mann"

Eine Kanzlei, die immerhin 11 Anwälte auf dem Briefkopf führt, darunter Fachanwälte für IT-Recht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht (im Grunde alles außer Strafrecht) schreibt an die Staatsanwaltschaft: "in der Strafsache gegen XY bestellen wir uns zu Verteidigern des Beschuldigten". Beigefügt ist eine Vollmacht, auf der wiederum alle Rechtsanwälte stehen.

Auf schriftliche Nachfrage der Staatsanwaltschaft, wer den Beschuldigten verteidige, antwortet die Kanzlei: "teilen wir mit, dass der Beschuldigte durch unser Büro verteidigt wird".
Ich wäre gerne dabeigewesen als der zuständige Dezernent dieses Schreiben auf dem Tisch hatte und ich bin auf die Fortsetzung dieser Brieffreundschaft, die ich dann der ergänzenden Akteneinsicht werde entnehmen können, schon sehr gespannt.

Merke: Ein Beschuldigter darf maximal drei Verteidiger haben. 11 Mannen gibts beim Fußball, wobei dort nicht alle 11 Verteidiger sein dürfen.

Montag, 8. Juni 2009

Der Praktikant und die Fußspur

Ich habe immer mal wieder Praktikanten in meinem Büro, deren Aufgabe nicht nur darin besteht, Akten abzulegen oder herauszusuchen. Wenn die Pflichtarbeiten erledigt sind, dürfen sie entweder mit zum Termin, mit in den Knast oder einfach eine besonders spannende Akte lesen.

Oft stellen sie nach dem Aktenstudium eine Menge Fragen, begonnen bei der Gretchenfrage (Haben Sie eigentlich keine Probleme, so jemanden zu verteidigen?), bis hin zu praktischen Fragen (Wieso muss immer ein Stempel mit "Verteidigerpost" auf die Briefe?). Als mich neulich mein Praktikant fragte, was denn "Spusi" (Spurensicherung) bedeutet, habe ich ihm erklärt, was alles an Spuren gesichert werden kann und dass es dafür idR bei jeder Polizeiinspektion eine eigene Abteilung gibt, die sich damir richtig gut auskennt. Wir haben uns dann noch ein wenig über die Wichtigkeit der Spurensicherung unterhalten und darüber, was passieren kann wenn zuviel Zeit vergeht bis die Spuren gesichert sind.

Kurz darauf steht er triumphierend mit einer (bereits abgelegten) Akte in meinem Büro und strahlt: "Hier hat die Spusi aber geschlampt!"
Es geht um den Vorwurf des Einbruchsdiebstahls. Am Tatort wurden Fußspuren (Sohlenabdrücke) festgestellt, die die Polizeibeamten fotografiert haben. Die Fußspuren wurden erstmals in der Akte erwähnt an dem Tag, an dem der Einbruch gemeldet worden war, die Fotos stammen vom Folgetag. Klar, dass die Spuren inzwischen nicht besser geworden waren. Ich fordere ihn auf, weiter zu lesen und dann nochmal über seine Bemekung nachzudenken. Er tut wie ihm geheissen um dann festzustellen: "Verstehe schon. Wer so blöd ist, am Telefon über den Einbruch zu quatschen, bei dem kommts wohl auf einen Sohlenabdruck nicht mehr so wirklich an." So ist es.
Nicht der Fußabdruck hatte den Täter in diesem Fall überführt, sondern neben der DNA Spur auch die Auswertung seiner Handydaten.

Freitag, 5. Juni 2009

Freitagmorgen im Knast - der ganz normale Wahnsinn

Heute Morgen, 10 Uhr an der Eingangspforte der JVA Koblenz. Es begehren Einlass: 5 Verteidiger (alle berichten von aktuellen oder vergangenen Fällen, es wird über gemeinsam geschlagene Schlachten geflachst), 1 Referendarin (die gespannt zuhört; ihr Ausbilder ist Anfang 40 und für einen Anwalt sieht er ganz gut aus), 4 Polizeibeamte (davon einer in kurzen Hosen bei nicht gerade kuscheligen 13 Grad, dafür sind seine Beine aber braungebrannt und stecken weder in Socken noch Sandalen) und ein Mann von der Firma, die Essen liefert ("Ich hab 5 Kartons Kohlrouladen dabei-wohin damit?")

Abwicklung der gesamten Meute in weniger als 10 Minuten! Um 10.15 Uhr wurde mir der erste Mandant gebracht. Da habe ich anderswo alleine schon länger gewartet.

Verfahrenseinstellung - Tag versaut

Oft freut man sich ja, wenn Verfahren in der Hauptverhandlung eingestellt werden. Gestern hätte ich deswegen vor Wut aber am liebsten in die Tischkante gebissen.

Die Anklage ging von gewerbsmäßigem Handeltreiben mit nicht geringen Mengen XTC und Amphetamin aus. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte Gewerbsmäßigkeit nicht nachgewiesen werden. Was das Handeltreiben mit XTC anging, befand der Staatsanwalt (Marke ausgebufft aber sympatisch) auch dieses nicht für nachgewiesen, wohl aber das Handeltreiben mit Amphetamin. Insoweit hätte man hinsichtlich des Vorwurfes des Handeltreibens mit XTC also entweder einstellen oder aber einen Teilfreispruch aussprechen müssen. Eine Einstellung war nicht erörtert worden, im Plädoyer hatte ich auch keinen Teilfreispruch beantragt und hierbei die Hoffnung gehegt, dieser würde vergessen werden. Im Urteil wurde dann tatsächlich kein Teilfreispruch verkündet.

Ich frohlockte innerlich während die Vorsitzende ihr Urteil begründete und sah mich schon als Siegerin der Sprungrevision. Dann, kurz vor der Begründung zu Einziehung und Verfall meldete sich der Staatsanwalt zu Wort: "Halt. Hinsichtlich der XTC hätten sie teilfreisprechen oder einstellen müssen. Ich rege an, nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten." Mir entgleisen die Gesichtszüge und ich hätte am Liebsten s.o..
Daraufhin der Staatsanwalt grinsend: "Hab ich Sie jetzt etwa geärgert?"
Touché. Die Runde ging an ihn.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Erregungsrestitenter Psychiater

Gestern traf ich bei einem Besuch in der JVA Koblenz einen Facharzt für Psychiatrie. Wir warteten beide auf dem Gang auf unsere Mandanten/Patienten und plauderten über die Besuchsbedingungen in unterschiedlichen JVAs. Übereinstimmend stellten wir fest, dass zwar die Besucherräume in Koblenz mit denen in anderen Haftanstalten nicht mithalten können, jedoch die Freundlichkeit der Vollzugsbeamten in Koblenz die anderer JVAs weit übertrifft.

In diesem Zusammenhang berichtete der Arzt von einer JVA, in der man Termine neuerdings per Fax zu vereinbaren habe, d.h., man stelle einen Antrag. Sei das Fax kaputt und man rufe stattdessen an, wiehere am anderen Ende der Amtsschimmel, dass die telefonische Terminsvereinbarung ein "Ausnahmetatbestand" sei. Ich hätte angesichts einer derartigen Ansage wahrscheinlich eine unbedachte Bemerkung losgelassen, die den Beamten veranlasst hätte, sich meinen Namen zu merken. Nicht so der Psychiater. "Ach wissen Sie, ich bin da ziemlich erregungsresistent." Diese Wort aus dem Munde eines Psychiaters verwundert nicht.

Ärzte dieses Fachzweiges scheinen ganz gerne am wortspielerischen Hochreck zu turnen. Ein anderer Psychiater bezeichnete mal in einer Sitzungspause den Look eines Zuschauers (großgeblümtes Hemd, Adiletten, kurze Hose) als "ibizoid" (Wortstamm "Ibiza"). Auch sympatisch. Und wieder ein neues Wort gelernt.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Klinik erstellt Gutachten - nicht

Was bei Sammelanhörungsterminen in psychiatrischen Kliniken passiert, war schon einmal Thema. Unlängst war ich wieder mal dort, nachdem die Klinik zum letzten Anhörungstermin mit einem bereits 2 Jahre alten Gutachten über meinen Mandanten erschienen war. Die Strafvollstreckungskammer nahm ins Protokoll auf, dass umgehend ein neues Prognosegutachten erstellt werden solle, das zum nächsten Termin Gegenstand der Erörterung sein sollte.

Am Tag vor der Anhörung brach in meinem Büro Hektik aus. Die Suche nach dem neuen Prognosegutachten begann, war ich mir doch sicher, dass einige Tage zuvor ein Gutachten der Klinik aus dem Fax gekommen war. Bei der Geschäftsstelle der Kammer war nachmittags niemand zu erreichen, also wurden die den Mandanten betreffenden Akten durchgesehen. Nichts. Das Gerichtspostfach wurde nachmittags nochmal geleert. Fehlanzeige. Ich ärgerte mich maßlos über die Schlamperei.

Am nächsten Morgen dann der Termin. Das Gutachten war nicht bei mir aufgetaucht und ich überlegte, ob mir die Kammer einen Unterbrechungsantrag zum Lesen des Gutachtens wohl übel nehmen würde. Und dann kam alles ganz anders. Nicht mein Büro und ich hatten das Gutachten verschlampt, nein, es gab auch diesmal keines. Die Klinik hatte keines erstellt, zumindest nicht in der Sache, die diesen Mandanten betraf. Das Gutachten aus dem Fax betraf einen anderen Mandanten.

Dass sich die Begeisterung der Strafvollstreckungskammer angesichts des neuerlichen "Nichtgutachtens" in äusserst engen Grenzen hielt, muss nicht betont werden. Bei mir hielten sich Erleichterung und Empörung die Waage.

Demnächst gehts weiter, dann hoffentlich mit einem aktuellen Gutachten.

Dienstag, 2. Juni 2009

Man lügt nicht bei der Polizei

Mein betagter Mandant ist ein Gentleman. Stets pünktlich und zuverlässig und zwar nicht nur wenn es um Termine, sondern auch wenn es um Zahlungen geht, daneben zuvorkommend und charmant.

Ihm wird ein Verkehrsdelikt vorgeworfen und er hat eine Vorladung der örtlichen Polizeidienststelle erhalten, der er Folge leisten möchte. Ich rate hiervon ab und erkläre ihm, dass es besser ist, wenn wir zunächst mal wissen, was in der Akte steht bevor wir uns ggf. dazu äussern. In diesem Zusammenhang erkläre ich ihm seine Rechte, die er als Beschuldigter im Strafverfahren hat. Er müsse gar nichts sagen und wenn er etwas sage, müsse dies nicht der Wahrheit entsprechen. Ich setze gerade an, ihm diese schlagwortartige Belehrung näher zu erläutern als er mich empört unterbricht: "Junge Frau, man lügt nicht! Auch nicht bei der Polizei! Mit der Wahrheit bin ich noch immer am besten gefahren."

Ich sehe ein, es hat keinen Zweck, zu diskutieren. Der Mandant hat seine eigene Meinung, die ja auch irgendwo lobenswert ist, und wird davon nicht abweichen. Wir verbleiben so, dass er den Vernehmungstermin nicht wahrnimmt, wir die Akte abwarten und dann entscheiden wie es weitergehen soll.

Das war vor ein paar Wochen.

Heute ruft er mich an und gesteht: er sei zwischenzeitlich doch bei der Vernehmung gewesen. Man habe seinen Führerschein gleich dabehalten. Ich muss an seine Worte denken, die mit dem Fahren und der Wahrheit (s.o.) und verkneife mir nur mühsam die Bemerkung, dass mit dem Fahren wohl erstmal Schluss ist.