Donnerstag, 3. Dezember 2009

Yes he can - speaking Ishan for Runaways

Heute war es soweit: Dolmetscher Nr. 4 im Schleuserverfahren betrat den Saal. Optisch war er schonmal besser als 1 bis 3 zusammen, aber darauf kam es nicht an.
Die Vereidigung gestaltete sich schwierig, denn sein Deutsch war nicht soooo toll.
Sein Ishan dafür umso besser. Erstmals hatte ich den Eindruck, dass die Übersetzungsleistung an das heranreicht, was im Strafprozess gefordert ist.

Das Gericht hatte angesichts der Vielzahl der TKÜ, deren Anhören und Übersetzen Jahre in Anspruch nehmen würde, vorgeschlagen, zunächst mit den Telefonaten zu beginnen, auf die die Anklage ihre Vorwürfe stützt.

Interessant war, dass Dolmetscher Nr. 4 etwas Anderes übersetzte als es in den Zusammenfassungen, die die Polizei (die natürlich auch einen Dolmetscher am Start hatte, über dessen Qualität nur gemutmaßt werden kann) von den mitgeschnittenen Telefonaten angefertigt hatte, stand und auch als es Dolmetscher Nr. 3 versucht hatte, zu übersetzen.

Die Abweichungen waren zugunsten eines der Angeklagten, dem die Anklage das Einschleusen einer konkret benamten Frau vorwirft. Der angebliche Name dieser Frau taucht auch in den TKÜ-Zusammenfassungen auf. Der Dolmetscher vermochte ihn allerdings nicht auszumachen und übersetzte den vermeintlichen Namen mit einem Begriff aus der Ishansprache, der dort als Kosewort sowohl für Männlein wie auch für Weiblein verwendet werden kann.
Auch die weiteren Abweichungen zwischen wörtlich übersetzter TKÜ und den polizeilichen Zusammenfassungen waren so eklatant, dass die Tatvorwürfe mehr denn je in Frage gestellt wurden.

Die Anträge, die der Kollege und ich in der letzten Sitzung gestellt hatten und die darauf abzielten, Dolmetscher Nr. 3 auszuwechseln, waren demnach zutreffend angebracht. Durch die Bestellung von Dolmetscher Nr. 4 musste das Gericht nicht mehr über sie entscheiden, da sie sich faktisch erledigt hatten.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Von Falschübersetzungen abgesehen. Es ist erschreckend, welchen Unsinn Polizeibeamte gelegentlich aktenkundig machen.

Kürzlich mußte ich in einer Akte lesen, ich sei als Verteidiger bei einer Ermittlungsmaßnahme zugegen gewesen und ausdrücklich damit einverstanden gewesen, daß sie ohne richterlichen Beschluß durchgeführt werde. Mich erstaunte das sehr, war ich doch erst viel später hinzugestoßen, als die Polizei ihr Werk schon verrichtet hatte. Staatsanwaltschaft und Amtsgericht genügte jedoch dieser Vermerk, denn Polizistenmund tut bekanntlich nur Wahrheit kund.

Vor dem Landgericht wurden die Minen von Staatsanwalt und Polizeizeuge sparsamer, als ich belegen konnte, zu dem fraglichen Zeitpunkt ganz woanders gewesen zu sein. Hätte ich es nicht belegen können, hätte man wahrscheinlich dem Polizeibeamten geglaubt und mir ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung angehängt. Erstmals konnte ich nachfühlen, wie es ist, wenn man einer "Falschaussage" eines Polizeibeamten ausgeliefert ist. "Wenn ich es so aufgeschrieben habe, dann wird es wohl so gewesen sein.", hört man immer von Polizeizeugen im Gerichtssaal. Und der Richter nickt zustimmend...

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Im vorliegenden Fall will ich den Polizeibeamten keinesfalls unterstellen, sie hätten wissentlich etwas Falsches in die Zusammenfassung der TKÜ aufgenommen. Ich nehme an, dass sie ein Opfer der Dolmetscher(schlecht)leistung geworden sind. Was den von Ihnen geschilderten Fall anbelangt, würde mich interessieren, ob dieser ein Nachspiel für den Polizeibeamten hatte.

Anonym hat gesagt…

Ich unterstelle den meisten Polizeibeamten ebenfalls keine Absicht hinsichtlich des Unsinns, der oftmals aktenkundig gemacht wird, sondern schlichtweg Unbekümmertheit oder Schlamperei.

Das resuliert aber m.E. daraus, daß Polizeibeamte von den Gerichten viel zu selten eine Rüge für schlechte Arbeit erhalten. Wem sowieso (fast) immer geglaubt wird, sieht vielleicht keinen Anlaß, genauer zu arbeiten.