Dienstag, 31. August 2010

Wer schweigt, erschwert dem Richter die Arbeit

Vereinzelt stößt man auf Entscheidungen, bei denen man sich fragt, ob der erkennende Richter da was falsch verstanden hat mit dem Schweigerecht eines Angeklagten, aus dem man keine negativen Schlüsse ziehen darf.

Ein Richter beim Amtsgericht Tiergarten sah sich jedenfalls gehalten, in den Urteilsgründen festzustellen, dass der "Versuch" des Angeklagten, "dadurch die Aufklärung zu verhindern oder zumindest zu erschweren, dass er sich zur Sache nicht einließ, ... gescheitert ist". Die doppelte Geldbuße kassierte der Betroffene obendrein.

Wie war das doch noch gleich mit dem Schweigerecht? Das Kammergericht (KG Berlin 3 Ws (B) 270/10 - 2 Ss 157/10) hat´s gerichtet und das Urteil aufgehoben. Dem Amtsrichter hat es in seiner lesenswerten Entscheidung mit auf den Weg gegeben, dass das Schweigen elementares Wesensmerkmal eines rechtsstaatlichen Verfahrens ist und keineswegs unlauter oder die Tätigkeit eines Richters unnötig erschwerend.

Freitag, 27. August 2010

Wir sehen uns vor Gericht

Es ist nun schon das zweite Mal, dass ich eine mir zuvor bekannte Person bei Gericht in der Rolle des Schöffen wiedertreffe.

Das erste Mal ist viele Jahre her und bei dem Schöffen handelte es sich um meinen ehemaligen Englischlehrer. Die Abneigung, die wir zu meiner Schulzeit füreinander empfanden, hatte mir seinerzeit nicht unerhebliche Probleme eingebracht, weshalb ich wenig erfreut war, ihn wieder zu sehen. Seine ebenfalls geringe Freunde, mich wieder zu sehen (ich hatte ihm auch nichts geschenkt), wurde um ein Vielfaches von dem Staunen darüber übertroffen, mich in der Rolle als Verteidiger zu sehen, was immerhin zwei Staatsexamina voraussetzt, die er mir wahrscheinlich nicht zugetraut hatte.

Das zweite Mal, dass ich einen früheren Bekannten wiedertraf, war heute. Es handelte sich um Herrn H., der während meiner Referendarzeit als Büroleiter meines anwaltlichen Ausbilders fungierte. Anders als bei dem ehemaligen Lehrer war diese Begegnung eine wirkliche Freude.

Manchmal sieht man sich wieder - und wenn´s vor Gericht ist.

Donnerstag, 26. August 2010

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken

Beitrag aus der Reihe: Wir überprüfen Sprichwörter.

Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken.

Heute ist mal wieder der monatliche Juristen-und-Anhang-Stammtisch beim Griechen mit dem unschlagbaren Galaktoburiko. Dort wird auch stets Ouzo serviert, der dann konsumiert wird. Und klar, während des ungebremsten Genusses des süßen Anis-Fenchel-Getränks wird nicht geschnackt.

Ergebnis: Das Sprichwort stimmt. Prosit allerseits!

Mittwoch, 25. August 2010

Wenn es Nacht wird auf dem Bildschirm

Heute Morgen saß ich in einer Hauptverhandlung beim Landgericht B. und lauschte schon die 2. Stunde den Ausführungen einer Sachverständigen, die ich eifrig auf meinem Laptop mitprotokollierte als es plötzlich Nacht wurde auf dem Bíldschirm des Laptops.

Ich war bei Seite 7 (gefühlte Seite 74) und mir wurde ganz anders. Sollten die mitprotokollierten Seiten einfach weg sein? Der Bildschirm wurde wieder bunt und zeigte den üblichen Desktophintergrund, aber keine Spur mehr von meinem Protokoll. Mir wurde gleich noch viel mehr anders als ich feststellte, dass das Dokument verschwunden war - einfach verschwunden!

Ich suchte im Speicher nach - kein Erfolg. Ich schaltete das Programm aus und wieder ein - das Protokoll blieb verschwunden.

Erfreulicherweise gab es dann eine Pause und ich suchte weiter - wieder ohne Erfolg.

Kurz vor Ende der Pause tat ich das, was mir mal ein in Computerdingen kundiger Mensch als ultima ratio mit auf den Weg gegeben hatte: ich startete das Laptop neu und - siehe da: plötzlich erschien eine Meldung, die die Frage an mich richtete, ob die Datei X wiederhergestellt werden solle. Na und ob! Ein Klick und da war es wieder, das 7-seitige Protokoll und ich war stolz, dass es mir gelungen war, es wieder zu finden, wenn auch auf wahrscheinlich völlig diletantische Art und Weise.

Bis zum Ende der Verhandlung habe ich alle paar Absätze eine Sicherungskopie erstellt für den Fall, dass es mal wieder Nacht geworden wäre auf dem Bildschirm.

Montag, 23. August 2010

Kurz vor knapp

Manchmal wird man kurz vor einem Hauptverhandlungstermin mit der Verteidigung beauftragt. Je nach Umfang der Sache und Terminsaufkommen muss man dann entweder die Aufhebung des Termins beantragen oder aber ordentlich Gas geben.

Nachdem mein Mandant mir mitgeteilt hatte, dass es sich nur um eine kleine Sache handele, entschied ich mich für Letzteres. Die Akte hatte ich aus Gründen der Zeitersparnis selbst bei der Geschäftsstelle abgeholt. Das Teil ist an die 300 Seiten stark. Zur Hauptverhandlung sind 10 Zeugen geladen, es geht um mehrere Anklagevorwürfe. Ganz so klein ist die Sache also doch nicht.

Termin steht demnächst um 10 Uhr an, um 12 Uhr habe ich einen Termin in einer anderen Sachen bei einem anderen Gericht. Folglich stehen für die Sache gerade mal eineinhalb Stunden zur Verfügung - bei 10 Zeugen ein schwieriges Unterfangen.

Also doch lieber Aufhebung beantragen? Nein, eingelesen bin ich ja nun schon und ein Telefonat mit dem Vorsitzenden ergab, dass dieser ganz froh war, die Sache zumindest zum geplanten Termin anverhandeln zu können. Falls es also nicht gelingen sollte, alle 10 Zeugen zu vernehmen, wird die Hauptverhandlung an einem anderen Tag fortgesetzt.

Freitag, 20. August 2010

Wenn der Herrgott net will...

... nützt das gar nichts.

Den Herrgottsbegriff kann man in Anwaltskreisen auch gelegentlich mit "Vorsitzender", "Strafkammer" oder "Senat" ersetzen.

Das musste ich unlängst in einer Berufungssache erfahren. Ziel war es, von 130 auf 90 Tagessätze zu kommen, damit der nicht strafrechtlich vorbelastete Mandantn weiterhin als unbeschriebenes Blatt hätte durch´s Leben gehen können.

Leider sah die Berufungskammer die Sache anders. Eine Strafmaßrevision hätte keinen Sinn gemacht und so entschied sich mein Mandant für die Rücknahme der Berufung, was eine unter Vernunftsgesichtspunkten zutreffende Entscheidung war. Weh getan hat sie trotzdem.

Mittwoch, 18. August 2010

Billiger Jakob gesucht

Telefonvermerk meiner Mitarbeiterin:

"RA X. aus Y. fragt an, ob Sie für ihn einen Termin am X. in einer OWi-Sache beim AG KO wahrnehmen können gegen ein Honorar von 100 Euro. Habe ihm gesagt, dass ich eher nicht denke, dass Sie das machen. Falls doch, können sie sich ja bei ihm melden."

Da denkt sie richtig. Die Terminsgebühr beträgt 215 Euro. Wenn der Kollege es schon nicht einsieht, seinen Mandanten selbst zu vertreten und stattdessen den billigen Jakob sucht, muss er weitersuchen.

Dienstag, 17. August 2010

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen

Der Kollege Siebers thematisiert hier eine Erweiterung der StPO um einen Befangenheitsantrag gegen einen Mitverteidiger.

Es kommt gelegentlich vor, dass man gemeinsam mit anderen Kollegen Mittäter verteidigt. Diese Arten der Verteidigung bergen einen gewissen Sprengstoff in sich, nämlich dann, wenn die Verteidiger unterschiedliche Strategien haben, unterschiedlich starke Nerven haben, eben völlig unterschiedlich gestrickt sind.

Entschließt sich z.B. ein Mittäter zu einem Geständnis und wird dies vom Gericht als glaubhaft eingeschätzt, nützt weder Schweigen noch Bestreiten. Besonders bitter für einen Verteidiger, der seinem Mandanten geraten hat, zu schweigen, wird diese Konstellation dann, wenn die Beweislage ohne Geständnis mehr als dünn ist und der Freispruch schon in greifbarer Nähe scheint.

Mittäter und deren Verteidiger sind also ein Stück weit beim gleichen Schicksal Kunde. Es nutzt die dünnste Beweislage nichts, wenn ein Mittäter ein Geständnis ablegt und auch der cleverste Verteidiger kann einpacken, wenn er auf einen Kollegen trifft, der die Sach- und Rechtslage anders beurteilt.

Ergebnis: das Sprichtwort stimmt und ja, lieber Werner, manchmal wünsche auch ich mir so eine StPO-Erweiterung.

Sonntag, 15. August 2010

Wenn eine Politesse am Rad dreht

Ein Fundstück bei youtube von Loriot für alle Freunde der Damen, die ihr Geld auf der Straße verdienen.

Samstag, 14. August 2010

Schuldnerfang dank social networking

Beim Durchforsten alter Aktenbestände mit unerledigten Titeln fiel meiner Reno eine Akte in die Hände, die einen Vollstreckungsbescheid gegen einen ehemaligen Mandanten beinhaltete. Der Schlingel hatte irgendwann die getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nicht mehr erfüllt.

Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Irgendwann dann ein Schreiben einer Schuldnerberatung: Herr W. strebe das private Insolvenzverfahren an und wolle sich außergerichtlich erstmal auf eine "Nullquote" einigen, was nichts anderes heisst, als dass er gar nichts zahlen möchte. So weit, so schlecht.

Das nächste Schreiben der Schuldnerberatung lautete dann, Herr W. werde dort nicht mehr betreut und werde sich demnächst selbst bei uns melden. Wer das glaubt, der glaubt auch an den Osterhasen.

Einwohnermeldeamtsanfragen verliefen erfolglos, nicht aber eine Recherche in einer Freundesuchmaschine. Zack, da war er. Mit Bild, Adresse und Geburtsdatum. Eine feine Sache, diese Suchmaschinen, bei denen man nicht nur Freunde finden kann.

Freitag, 13. August 2010

Verräter-Verteidigung: die Freund-oder-Feind-Frage

Der Kollege Hoenig problematisiert in seinem Blog die Verteidigung von Beschuldigten, die sich einen Bonus davon erhoffen, wenn sie nicht nur eigene Straftaten einräumen, sondern auch von denen Anderer berichten. Oftmals sind diese Anderen ihre "Freunde" und der Konflikt, in den sie dadurch geraten, ist vorprogrammiert.

Jeder Verteidiger kennt das Szenario: Tick, Trick und Track betreiben jahrelang einen schwunghaften Betäubungsmittelhandel. Tick wird auf frischer Tat bei einem Kilogeschäft geschnappt und ins Café zur gestreiften Sonne verbracht.

Tick hat nun mehrere Möglichkeiten:
1. Schweigen
2. Geständnis in Bezug auf seinen eigenen Tatbeitrag
3. wie 2, nur zusätzlich auch Aussage zu Trick und Track

Wenn Tick sich für 3. entscheidet, kommt er in den Genuß der Kronzeugenregelung und - damit einhergehend - in den der Strafmilderung. Was passiert, wenn er wieder aus staatlicher Verwahrung entlassen ist, steht auf einem anderen Blatt, denn eventuell haben Trick und Track noch andere Freunde außer Tick, die nur darauf warten, Tick mal den für sie maßgeblichen Inhalt des Begriffs "Freundschaft" einzubleuen.

Von Kronzeugenregelungen kann man halten was man will. Wäre sich nicht jeder im Zweifel selbst der Nächste, würde es sie nicht geben, soviel steht fest. Wichtig ist jedoch, dass man dem Mandanten, der Nr. 3 ins Auge fasst, drei Dinge erklärt, die er von Seiten der Verfolgungsbehörden ganz sicher nicht zu hören bekommt, nämlich, dass es

1. auch ein Leben "danach" gibt,
2. aus Freunden ruckzuck Feinde werden können und
3. das man mit Freunden keine Geschäfte macht (schon gar keine illegalen)

Wenn der Mandant in Kenntnis und nach Abwägung aller Umstände dann zu dem Schluss gelangt, dass die Kronzeugenregelung etwas ist, von dem er Gebrauch machen möchte, dann ist das genauso seine Entscheidung, wie wenn er sich für einen anderen Weg entscheidet. Als Verteidiger kann man sie ihm nicht abnehmen, man kann nur versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen.

Die Meinung des Verteidigers bezogen auf das Handeln seines Mandanten darf jedoch nicht dazu führen, dass man ihn besser oder schlechter verteidigt. Kriegt man das nicht hin oder ist es einem schlicht zuwider, einen Kronzeugen zu verteidigen, sollte man dem Beispiel des Kollegen Hoenig folgen, denn nur dann handelt man in Interesse des Mandanten.

Mittwoch, 11. August 2010

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

1. Beitrag aus der Reihe: Wir überprüfen Sprichwörter

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

In einem Strafverfahren wurde zunächst Frau F. als Zeugin vernommen. Sie gehörte in die Kategorie, die man problemlos in eine diese nachmittäglichen Gerichtsshows hätte exportieren können, die ja Quote damit machen, dem Zuschauer vor Augen zu führen, wie vielfältig des Herren Tierreich sein kann.

Frau F. war Ende 40, was sie nicht davon abhielt, sich wie Anfang 20 zu kleiden. Sowas kann gutgehen, muss aber nicht. In Fällen wie dem von Frau F. ging es nicht so gut, zumal keines der wenigen Kleidungsstücke, das sie trug, gleichzeitig sauber UND lochfrei war. Als Beruf gab sie an: "Nix", als erlernten Beruf: "Och nix". Die Haare hatte sie zur Feier des Tages leider nicht gewaschen und auch der letzte Besuch im Nagelstudio war schon etwas her. Dafür aber hatte sie sich - meine Nase trügt mich in dieser Hinsicht selten -Mut angetrunken, und zwar so viel, dass sie jeden anpöbelte, der ihr irgendwelche Fragen stellte, deren Sinn sie nicht auf Anhieb zu ermitteln vermochte, was angesichts ihrer eher schlichten Strukturierung bei nahezu jeder Frage der Fall war. Ihre Vernehmung gestaltete sich entsprechend schwierig, da sie immer wieder zur Ordnung gerufen werden musste, hatte aber unbedingten Unterhaltungswert.
Ob es was gebracht hätte, ihre Vernehmungstüchtigkeit in Zweifel zu ziehen, hatte ich zwar überlegt, dann aber verworfen, zumal sie eine Zeugin der Anklage war und ich gut mit der schlechten Figur, die sie machte, leben konnte.

Ein paar Prozesstage später stand die Tochter von Frau F. auf der Zeugenliste. Ich glaube, jeder der Prozessbeteiligten war gespannt auf die Miniaturausgabe von Frau F., heisst es doch siehe oben.

Der Apfel in Gestalt von Tochter F. hatte einen Meisterbrief in einem Handwerk, war angemessen gekleidet, artikulierte sich normal und legte Wert auf die Feststellung, den Kontakt mit ihrer Mutter nur sporadisch auszuüben.

Ergebnis: das Sprichwort stimmt (in diesem Fall) nicht. Glücklicher Apfel!

Dienstag, 10. August 2010

Mit Chauffeur/in zum Termin

Nein, meine schußfeste Referendarin ist nicht auch gleichzeitig meine Chauffeurin, auch wenn es gestern vom Gericht so vermutet wurde als sie und ich in einem Auto, das von ihr gesteuert wurde, beim Ortstermin vorfuhren. Es handelte sich um ihr Auto, mit dem wir unterwegs waren, weil mein fahrbarer Untersatz zur Zeit durch Zündaussetzer ungeklärter Ursache imponiert und ich nicht riskieren wollte, in Begleitung gelber Engel mit Verspätung zum Termin zu erscheinen.

Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich aber gerne an ein Verfahren vor dem Schöffengericht Leipzig, zu dem mich damals immer mein Vater kutschierte. Das war für mich sehr kommod, denn so konnte ich während der Fahrt nochmal die Akte lesen bzw. Anträge schreiben. Natürlich kam er mit in den Sitzungssaal und als die Vorsitzende dann die Anwesenheit feststellte, fragte sie meinen Vater, der im Zuschauerraum Platz genommen hatte, ob er als Zeuge geladen sei. Der antwortete wahrheitsgemäß, dass er "nur der Fahrer der Verteidigung" sei. Die Vatereigenschaft hatte er -aus welchen Gründen auch immer- verschwiegen. Die Vorsitzende jedenfalls zog ob dieser Erklärung die Augenbrauen in ungeahnte Höhen und ich kann nur mutmaßen, was sie wohl gedacht haben mag.

Montag, 9. August 2010

Fuhrpark Erweiterung

Mein Fuhrpark, den ich erst kürzlich angelegt habe, wurde erweitert. Heute trudelte ein Päckchen hier ein, das die bis dato fehlenden Busse, Lkw und Baumaschinen enthielt. Bei den edlen Spendern handelt es sich um die Söhne des Kollegen Feltus, die für mich ihre Spielzeugkiste ausgemistet haben und denen an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei!




Samstag, 7. August 2010

Ein Blick ins Gesetz...

... erleichtert die Rechtsfindung.

Hierauf hat unlängst der Kollege Burhoff im Falle einer eifrigen Richterin aufmerksam gemacht, die sich in gewisser Hinsicht allzuständig fühlte.

Gelegentlich sollten auch die Damen und Herren der schreibenden Zunft mal einen Blick risikieren, damit solche Fehler nicht passieren. Zwar kriegt die ZEIT im weiteren Verlauf des Artikels noch die Kurve und spricht zutreffend von Sicherungsverwahrung anstatt wie zuvor von Sicherheitsverwahrung, aber warum nicht gleich so?

Freitag, 6. August 2010

Wenn das Gericht dem Sachverständigen folgt, kann das schon mal schiefgehen...

... was das Urteil des BGH vom 14.07.2010 (2StR 278/10), mit dem es eine Entscheidung des Landgerichts Bad Kreuznach aufhebt, beweist.

In einem Verfahren wegen schwerer Brandstiftung war ein Mann angeklagt, der seit seiner Jugend unter Hebephrenie leidet (Form der juvenilen Schizophrenie). Während eines akuten Schubs hatte er in Selbsttötungsabsicht sein Bett in Brand gesetzt. Als die Flammen sich bereits ausgebreitet hatten, flüchtete er aus dem Bett, rannte auf die Straße und versuchte, die Mitbewohner des Hauses zu warnen. Die Feuerwehr löschte den Brand.

Hinsichtlich der Frage der Schuldfähigkeit hatte der psychatrische Sachverständige ausgeführt, die Schuldfähigkeit sei zwar erheblich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben gewesen. Er habe die Gefährdung anderer Personen noch erfassen können, diese Erkenntnis jedoch infolge des psychotischen Handelns in den Hintergrund gedrängt. Gerade dies habe dazu geführt, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, den Gedanken an die Gefährdung anderer auch Taten folgen zu lassen.

Ich versuche mal volkstümlich zu übersetzen: Der Angeklagte ist vermindert schuldfähig, nicht komplett. Er ist schwer psychisch krank. Zum Tatzeitpunkt stand er so sehr neben sich, dass er gar nicht mehr daran hat denken KÖNNEN, dass er auch andere gefährdet. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass ihm der Gedanke der Gefährdung anderer Personen erst kam, als die Gefährdungslage bereits bestand.

Der Widerspruch, der sich in den Ausführungen des Sachverständigen auftut, liegt auf der Hand: der Angeklagte kann gar nicht einerseits durch einen akuten Krankheitsschub komplett neben sich stehen und andererseits noch eingeschränkt steuerungsfähig sein.

Diesen Widerspruch hat das Landgericht nicht zutreffend aufgelöst. Der BGH formuliert das eleganter: mit den Ausführungen des Sachverständigen, wonach der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, den Gedanken an eine Gefährdung anderer auch Taten folgen zu lassen, habe der Sachverständige "ersichtlich ein Vermeidungsverhalten gemeint. War der Angeklagte jedoch wegen seines krankheitsbedingten Dranges zur Selbsttötung nicht in der Lage, die Brandstiftungshandlung zu unterlassen, dann hat ihm zur Tatzeit die nach § 20 StGB erforderliche Steuerungsfähigkeit gefehlt."

Bei der Frage, ob ein Angeklagter bei Begehung der Tat schuldfähig war oder nicht, handelt es sich übrigens um keine Frage, die ein Psychiater zu beantworten hat. Vielmehr muss das Gericht diese Frage entscheiden, weil es sich um eine Rechtsfrage handelt. Aufgabe des Sachverständigen ist es, das Gericht mit notwendigen medizinischen Informationen zu versehen, mit deren Hilfe das Gericht in die Lage versetzt wird, die Erkenntnisse, die sich aus einem medizinischen Zustandsbild ergeben, bei der juristischen Beantwortung der Schuldfrage zu verwerten. Man spricht insoweit von sog. Brückensymptomen.

Ein bloßes Bezugnehmen auf ein psychiatrisches Gutachten reicht also regelmäßig nicht aus; das Gericht muss aus den zur Verfügung stehenden medizinschen Ausführungen selbst die richtigen Schlüsse ziehen. Freilich verführt es, sich "den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen" (beliebte Formulierung in diesem Zusammenhang)anzuschließen, zumal dann, wenn der die Rechtsfrage, zu deren Beantwortung er eigentlich gar nicht befugt ist, gleich mit beantwortet. Umso tragischer aber können die Folgen sein, die damit für den Angeklagten einhergehen. Vorliegend hatte das Landgericht ihn nämlich - wiederum dem Sachverständigen folgend - in eine Maßregel nach § 63 StGB verurteilt. Der Sachverständige war nämlich zu dem Ergebnis gelangt, dass weitere Suizidversuche wahrscheinlich seien. Hieraus schlußfolgerte das Landgericht, dass dann ja auch wieder andere Personen gefährdet sein könnten.

Auch insoweit verweist der BGH zu Recht darauf, dass es bei dieser Maßregel, die für den Angeklagten sehr einschneidend ist, auf eine bloße Selbstgefährdung nicht ankomme. Vielmehr setze die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine erschöpfende Abwägung aller Umstände voraus, die schon deshalb fehle, weil sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt habe, dass der Angeklagte nach freiwilliger stationärer Behandlung inzwischen in einem Wohnheim für psychisch Kranke aufgenommen worden sei.

Die Entscheidung macht nachdenklich, zeigt sie doch, wie sehr der Angeklagte gerade in Fragen der Schuldfähigkeit darauf angewiesen ist, dass das Gericht die richtigen Schlüsse aus gutachterlichen Ausführungen zieht. Stellt man sich vor, der Sachverständige habe es vorliegend einfach bleiben lassen, zur Rechtsfrage der Schuldfähigkeit Stellung zu nehmen und habe sich darauf beschränkt, dem Gericht gegenüber das Krankheitsbild und dessen Auswirkungen auf die Willensentschließung des Angeklagten zu schildern, dann wäre das Gericht in der Pflicht gewesen, die Rechtsfrage eigenständig zu beantworten. Es wäre gar nicht umhin gekommen, sich mit den widersprüchlichen Ausführungen des Sachverständigen auseinander zu setzen.

Mehr noch: ein Gericht, das im Urteil von der von einem Sachverständigen falsch beantworteten Rechtsfrage abweicht, wird viel eher die Aufhebung seines Urteils befürchten als ein Gericht, dass die Ausführungen eines Sachverständigen, der sich zur Rechtsfrage nicht äusserst, einer juristischen Wertung unterzieht.

Lächeln oder bloß Zähne zeigen?

Im Statt Aller Blog problematisiert Desperado die Frage, wie Bewerbungsunterlagen auszusehen haben, insbesondere im Hinblick auf das unvermeidbare Lichtbild, das diesen beizufügen ist.

Ich habe mir vor dem Lesen dieses Beitrages noch nie Gedanken darüber gemacht, welche Bewerbungsfotos ich von mir hätte anfertigen lassen, so ich denn vorgehabt hätte, mich in einer Kanzlei als Angestellte zu bewerben. Solche mit oder doch lieber solche ohne Lächeln mit Zähnen oder gar welche mit ernstem Gesichtsausdruck, weil Anwalt ja als überwiegend spaßfreier Beruf gilt?!

Wahrscheinlich wäre das sehr von meiner aktuellen Laune beim Fotografiertwerden abhängig gewesen und das Ergebnis, das ich den Adressaten dann präsemtiert hätte, mehr ein Zufallsprodukt der Befindlichkeit denn eine wohlüberlegte Lichtbildstrategie.

Es ist erstaunlich, dass es Bücher über Bewerbungen gibt, man sogar Seminare dazu besuchen und alleine die Lichtbildfrage abendfüllend erörtern kann.

Aus Arbeitgebersicht kann ich dazu nur Folgendes beitragen: es nützt das schönste Lächeln nichts, wenn es

1. einem aus einer hohlen Birne entgegenstrahlt;
2. kein Lächeln ist, sondern nur Zähne gezeigt werden ("Sagen Sie mal Cheeeeeese");
3. schlimmstenfalls eine Kombination aus Beidem ist.

Überbewerten sollte man die Lichtbildfrage trotz allem nicht.

Übrigens: Ganz sicher hätte ich das letzte Bild, das eine mobile Blitzeinheit von mir vor ein paar Wochen auf der B42 geschossen hat, nicht einer Bewerbung beigefügt, weil es eines von den Bildern war, auf denen man sich selbst am Liebsten gar nicht hätte erkennen wollen.

Mittwoch, 4. August 2010

Fragezeichenzettel - 2. Teil

Ich hatte hier schon von einem Fragezeichenzettel berichtet und war erstaunt, welch lebhafte Diskussion der Beitrag entfacht hatte.

Die Sache ist zwischenzeitlich (nach knapp einem Jahr Verfahrensdauer) an ein anderes Gericht verwiesen worden, nachdem das bislang damit befasste Gericht sich unzuständig fühlte und der Gegner auf entsprechenden Hinweis hin Verweisung beantragt hatte.

Auch an dieses Gericht schreibt er wieder, dass er Zweifel hege, ob meine Schriftsätze fristgerecht eingegangen seien. Offensichtlich hatte sich das zuletzt mit der Sache befasste Gericht nicht gehalten gesehen, diese Anfrage zu beantworten, was nicht weiter verwunderlich ist. Auf die Idee, die Geschäftsstelle anzurufen (Vorschlag eines Kommentators im Ursprungspost) oder sich die Akte zur Einsichtnahme anzufordern (die von mir vorgeschlagene, allerdings mit 12 € behaftete Lösung), ist er noch immer nicht gekommen, was immerhin beweist, dass er mein Blog nicht liest.

Interessieren würde mich trotzdem, wie er seiner Partei seine Schriftsätze erklärt sowie den Umstand, dass weder Gericht noch ich seine Fragen beantworten.

Mal schauen, vielleicht kommt es irgendwann zur mündlichen Verhandlung und er riskiert zuvor einen Blick in die Akte.