Montag, 26. März 2012

Emotional engagiert

In Strafsachen kennt man es ja, dass sich die Prozessbeteiligten emotional engagieren. Da ist der Staatsanwalt schon mal mürrisch, wenn ein Zeuge nicht wie erwartet aussagt und der Verteidiger beleidigt, weil das Gericht seinen fein gesponnenen Beweisantrag nicht mal halb so gut findet wie er selbst und der Angeklagte befindet sich ohnehin in einem Ausnahmezustand.

Anders verhält es sich üblicherweise in Zivilsachen. Da werden erstmal Schriftsätze gewechselt, dann folgt irgendwann ein Gütetermin, zu dem die Parteien zwar häufig persönlich geladen werden, aber nur in seltenen Fällen durch mehr als Anwesenheit glänzen und schließlich wird verhandelt, in dem man auf die Anträge Bezug nimmt, die man schon weiland in seinen Schriftsätzen gestellt hat. Alles in Allem also wenig aufregend.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen wie ich unlängst in einer Familiensache erlebt habe. Die Gegenseite hatte sich schriftsätzlich schwer verausgabt und ich habe erst im Termin eine einseitige Stellungnahme zu deren Ergüssen überreicht. Drin stand nichts wirklich Streitentscheidendes. Trotzdem reagierte die Kollegin, die die Gegenseite vertrat, stark emotional engagiert. Zunächst einmal vermochte sie die Tageszeit nicht zu nennen, wobei ich ihr ein "Guten Morgen" zumindest in Bezug auf das "Guten" ohnehin nicht ganz abgenommen hätte und dann äusserte sie, sie wisse gar nicht, ob sie meinen Schriftsatz überhaupt haben wolle. Auf mein gut Gelauntes "Kein Problem, ich nehm ihn auch wieder mit", folgten mürrische Kommentare zur einer von ihr vermuteten Verspätung meines Vorbringens und als dann noch das Gericht zu erkennen gab, dass es meinen bisherigen Vortrag durchaus für geeignet hält, in die Beweisaufnahme einzutreten, war es ganz vorbei. Frau Kollegin lief rot an und empörte sich unter mündlicher Wiederholung all Dessen, was sie bereits geschrieben hatte.

Wer nun denkt, sie habe das nur getan, damit ihre Mandantschaft sie für besonders engagiert hält, irrt. Ein "Schaulaufen" war nicht nötig, da die Parteien nicht zum Termin geladen waren. Das waren echte Emotionen.

Ich frage mich, ob dergleichen Emotionalität zu irgendetwas nütze ist. Die Kollegin hat sich rein fachlich betrachtet nichts vorzuwerfen. Sie hat vorgetragen, was vorzutragen war, ich ebenfalls und nun ist es am Gericht, eine Entscheidung zu fällen. Da muss man sich doch nicht drüber aufregen und die Farbe wechseln oder hektische rote Flecken produzieren, die nun wirklich nicht vorteilhaft sind.

Viel gescheiter scheint es - zumindest an Tagen wie heute - das schöne Koblenzer Frühlingswetter zu genießen. Sonne schadet dem Teint zwar ebenfalls, aber eine leichte Bräune ist einer tiefen Zornesröte auf jeden Fall vorzuziehen.

3 Kommentare:

RASchleicher hat gesagt…

Als alternder Chauvi musste ich über die Jahre leider feststellen, dass es fast ausschließlich KollegInnen sind, welche meinen, sich so emotional engagieren müssen.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Ein Kollege hat mir mal davon berichtet, dass eine bestimmte Kollegin beim Familiengericht immer mal gerne in Tränen ausbrechen würde. Ich hab gedacht, er will mich auf den Arm nehmen, aber so langsam beginne ich, ihm die Geschichte abzukaufen. Schlimm sowas. Wie reagiert man denn als "alternder Chauvi" auf derlei Damen?

RASchleicher hat gesagt…

Der alternde Chauvi reagiert mit Ironie, Gelassenheit und gemeinsamen Augenrollen mit dem Gericht. Man munkelt aber, dass auch unsere sehr geschätzte Kollegin hier im Büro teilweise sehr emotional reagieren würde. Ich hoffe, man munkelt nur.