Freitag, 19. Juli 2013

Der Schlagernacht-Antrag

Manche Anträge muss man einfach stellen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie für Gelächter sorgen. Heute habe ich im Verfahren "Aktionsbüro Mittelrhein" den Antrag gestellt, die Hauptverhandlung zeitig zu unterbrechen, damit mein Mandant rechtzeitig in Gelsenkirchen ist um dort der "Schlagernacht auf Schalke" beizuwohnen.

Hintergrund war, dass die Kammer kurz zuvor die Vernehmung eines Zeugen auf einen späteren Termin verschoben hatte, weil dieser vorgegeben hatte, das "Deichbrand-Festival" in Cuxhaven besuchen zu wollen.

Als daraufhin mein Mandant zu mir sagte, dann müsse die Kammer aus Gründen der Gleichbehandlung aber auch auf die Schlagernacht, für die er Karten habe, Rücksicht nehmen, glaubte ich zuerst an einen Scherz. Bei dieser Schlagernacht treten Leute auf wie Andrea Berg, Heino, Michael Holm und eine ganze Batterie Ballermann-Interpreten, angefangen bei Jürgen Drews bis hin zu einem Herrn, der unter dem Namen "Tim Toupet" firmiert und dessen Existenz mir bislang nicht geläufig war. Dergleichen Musik im Radio fällt für mich unter Höchststrafe und ich wechsle dann immer rasch den Sender. Und das will sich mein Mandant, der einige Jährchen jünger ist als ich, eine ganze Nacht lang anhören? Zum Beweis dieser Tatsache einerseits und zu meiner Erschütterung andererseits zückte er seine Eintrittskarte. Der will da tatsächlich hin.

Und irgendwie hat er in der Sache ja auch so unrecht nicht. Deichbrand gegen Schlagernacht. Tote Hosen gegen Andrea Berg. Rock gegen Schnulze. Was dem Einen sein Bier ist des Anderen Eierlikör. Prosit, Gemeinde.

Und so habe ich gestern Abend nach dem Anwaltsstammtisch beim Griechen, bei dem es diesen Ouzo gibt, der mir jedes Mal aufs Neue die Schuhe auszieht, meinen Antrag formuliert und heute Morgen zu Gehör gebracht. Beinahe hatte ich den Eindruck, die Kammer habe an der Ernsthaftigkeit des Antrags Zweifel gehegt, aber diese waren rasch zerstreut als der Vorsitzende zu erkennen gab, dass "die Jungs rechtzeitig zum Konzert kommen" würden.

  


Donnerstag, 11. Juli 2013

Zeugentypen - heute: der Klassenclown



In Strafprozessen erlebt man die unterschiedlichsten Typen an Zeugen. Ein besonders sympathischer Typ Zeuge ist der Klassenclown.

Der Klassenclown betritt offensiv kaugummikauend und blendend gelaunt den Saal und auf die Aufforderung des Vorsitzenden, den Kaugummi aus dem Mund zu nehmen, grinst er breit. Man erwartet, dass er sich anschickt, den Kaugummi unter den Zeugentisch zu kleben, weil weit und breit kein Abfalleimer zu sehen ist. Alleine der umsichtigen Art der Wachtmeister ist es zu verdanken, dass das Teil ordnungsgemäß entsorgt wird.

Am Zeugentisch angekommen überprüft er die Funktionstüchtigkeit des dort befindlichen Mikrofons, indem er dieses einschaltet und eine kleine Melodie hineinpfeift. Der Klassenclown ist eine wahre Frohnatur und man fragt sich, warum bei seinem Erscheinen im Saal nicht leise der Narrhallamarsch im Hintergrund ertönt.

Befragungen eines Klassenclowns sind ein Highlight. Schon bei der Frage, ob Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit einem oder mehreren Angeklagten besteht, erfährt man, dass ja alle Menschen irgendwie miteinander verwandt seien, wenn man zeitlich nur lange genug zurückgeht. Solche Bemerkungen sind freilich wenig geeignet, bei einem Richter die ganz große Begeisterung hervorzurufen, da die Definition von Verwandtschaft zwar juristisch ist, aber gerade nicht bis ins Jura zurückgeht.

Der Klassenclown hat die Lacher auf seiner Seite und er selbst lacht gern und viel. Seine Heiterkeit ist ansteckend und sein Unterhaltungswert kaum zu überbieten. Mit ihm ist es ein klein wenig wie früher in der Schule. Die Lehrer sind genervt, alle anderen werden besser unterhalten als bei „Wetten, dass…“, was seit der Aera Lanz zugegebenermaßen nicht mehr wirklich schwierig ist, aber trotzdem. Mit seiner unkonventionellen Art schliddert er haarscharf an der Verhängung von Ordnungsmitteln vorbei und gäbe es ein Klassenbuch – er stünde unangefochten in der Pole Position.

Fast ist man ein wenig traurig, wenn die Befragung zu Ende ist, denn alles, was danach kommt, kann nur langweiliger sein.