Donnerstag, 26. Februar 2015

Wir überprüfen Sprichwörter. Heute: Wer zu spät kommt, den bestraft der Richter

Ob das Leben Zuspätkommer bestraft, wollen wir hier dahinstehen lassen. Der Volksmund (und nicht wie fälschlich angenommen Herr Gorbatschow) behauptet es jedenfalls, aber der spricht ja auch von Vorteilen bei der Nahrungsaufnahme in Bezug auf frühe Vögel.

Fälle, in denen Richter Zuspätkommer bestrafen, gibt es indes zuhauf. Das fängt an, wenn ein Angeklagter zu spät zu seinem Hauptverhandlungstermin kommt und endet beim verspäteten Erscheinen zum Strafantritt. 

Auch bei der Pflichtverteidigerbestellung erweist es sich in der Regel als nachteilig, wenn der Beschuldigte bzw. der Angeklagte ihm gesetzte Fristen versäumt.

Der Gesetzgeber hat durch Schaffung bestimmter Normen dem Umstand Rechnung getragen, dass sich viele Beschuldigte nicht selbst verteidigen können, wenn ihnen eine Straftat vorgeworfen wird. Deshalb wird einem Beschuldigten unter bestimmten Bedingungen ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Im Gesetz liest sich das so.

Wer sucht nun aber den Pflichtverteidiger aus? Auch dafür sieht das Gesetz eine Regel vor, nämlich diese. Der Vorsitzendes des Gerichts ist also nach Absatz 4 zuständig für die Bestellung.

Wen darf er bestellen? Ein Blick ins Gesetz erleichtert auch dieses Mal die Rechtsfindung. Der Vorsitzende soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, einen Verteidiger zu benennen.

Der normale Ablauf stellt sich also wie folgt dar:

1. Das Gericht erkennt, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann, weil eine der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO vorliegt oder sich die Sach- und Rechtslage nach § 140 Abs, 2 StPO schwierig gestaltet, die vorgeworfene Tat schwer ist oder der Beschuldigte bestimmte körperliche Gebrechen aufweist.

2. Der Richter schreibt den Beschuldigten an, er möge binnen einer Frist von X Tagen oder Wochen einen Verteidiger seiner Wahl benennen. Er kann ihn wenn es ganz eilig ist sogar anrufen.

Benennt der Beschuldigte einen Verteidiger, wird ihm dieser als Pflichtverteidiger beigeordnet. Lässt er es hingegen bleiben, bestimmt der Richter, welcher Anwalt beigeordnet wird.

Ich will nun gar nicht näher darauf eingehen, dass viele Richter ihnen angenehme Rechtsanwälte beiordnen, das würde diesen Beitrag sprengen. Gut und im Sinne einer funktionierenden Strafrechtspflege sinnvoll finde ich es nicht, wenn einem Beschuldigten ein Rechtsanwalt beigeordnet wird, der im gesamten Bezirk als Verurteilungsbegleiter bekannt ist, andererseits wird ein Beschuldigter, dem Dergleichen passiert, sich vorhalten lassen müssen, man habe ihm schließlich die Wahl gelassen.

Was aber passiert, wenn das Gericht von Punkt 2 abweicht und dem Beschuldigten ohne diesen vorher zu fragen, einen Verteidiger beiordnet? Ein Extremfall, zugegeben, dennoch möchte ich kurz darauf eingehen.

Eine solche Entscheidung kann mit der Beschwerde angefochten werden, die darauf gestützt werden kann, dass man dem Beschuldigten das rechtliche Gehör versagt hat. Eine Beiordnung ohne vorherige Anhörung ist nämlich nur in ausgesuchten Eilfällen statthaft, die in der Praxis kaum vorkommen. Die Versagung rechtlichen Gehörs hingegen ist ein derart schwerer Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, der zu Recht zu rügen ist vor dem Hintergrund, dass ein Beschuldigter die Möglichkeit haben muss, sich von einem Anwalt verteidigen zu lassen, dem er vertraut. Je nach Ausgestaltung des Falles ist daneben zu prüfen, ob eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit in Betracht kommt.

Die Fallkonstellation der "Zuspätkommer" betrifft Beschuldigte, die nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist einen Verteidiger benannt haben, sondern erst nach Ablauf dieser Frist.
Das Landgericht Magdeburg hat in einer jüngeren Entscheidung (Aktenzeichen 21 Qs 22/13) eine vorangegangenen Entscheidung des Amtsgerichts Magdeburg aufgehoben, bei der der Beschuldigte nach Ablauf der Frist einen Verteidiger seiner Wahl benannt hatte, das Gericht ihm aber unter Berufung auf die abgelaufene Frist einen anderen Verteidiger beigeordnet hatte. Das Landgericht Magdeburg stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Ermessensspielraum des Gerichts bei verspäteter Benennung erheblich eingeschränkt ist. Im Wortlaut hört sich das so an: 

"Allein der Ablauf der gesetzten Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar. Vielmehr ist auch ein Vorschlag des Beschuldigten, der nach Fristablauf eingeht, bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen, solange eine Pflichtverteidigerbestellung noch nicht ergangen ist oder eine bereits ergangene Entscheidung noch keine Außenwirkung erlangt hat."

Außenwirkung meint in diesem Zusammenhang übrigens, dass nicht jede verspätete Benennung zwangsläufig dazu führt, dass eine bereits erfolgte Pflichtverteidigerbestellung aufgehoben wird. Angenommen, das Gericht setzt eine Frist von einer Woche zur Benennung eines Verteidigers. Diese Frist verstreicht. Nach weiteren 2 Wochen ordnet das Gericht Rechtsanwalt X bei, der sich dann die folgenden 10 Wochen in die Sache einarbeitet, Anträge stellt etc.. Schließlich wird das Hauptverfahren eröffnet und Termine werden abgestimmt. Beantragt ein Beschuldigter erst dann die Beiordnung eines von ihm gewünschten Verteidigers wird es eng mit der Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung.

Ergebnis: Das Sprichwort stimmt.

Wer also Wert darauf legt, vom Verteidiger seiner Wahl verteidigt zu werden, tut gut daran, dies in den Fällen des § 140 StPO dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen.

2 Kommentare:

RA JM hat gesagt…

Einspruch, Euer Ehren!

1. Benennt der Beschuldigte einen Verteidiger, wird ihm dieser als Pflichtverteidiger beigeordnet? Keineswegs zwingend: Passt der Verteidiger dem Richter nicht, konstruiert dieser flugs wichtige Gründe, die dem entgegenstehen.

2. Wenn das Gericht von Punkt 2 abweicht und dem Beschuldigten, ohne diesen vorher zu fragen, einen Verteidiger beiordnet ist das mitnichten ein Extremfall, sondern kommt (jedenfalls beim hiesigen AG) durchaus öfter vor.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

Lieber Kollege JM.

1. Das habe ich persönlich noch nicht erlebt; ich glaube, der Kollege Vetter hatte vor einiger Zeit mal eine Entscheidung hierzu gebloggt.
2. Von Einzelfall war nicht die Rede, sondern von Extremfall. Und Sie haben völlig Recht, dass Richter das gerne einmal versuchen wie die dazu ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen zeigen. Erfreulicherweise aber enden die Beschwerdeverfahren in der Regel mit einer hübschen Klatsche.