Dienstag, 2. Mai 2017

Aktionsbüro Mittelrhein - ein unspektakulärer Nachruf

Heute war es soweit - die Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz setzte das Aktionsbüro Mittelrhein Verfahren aus. Die Presse titelte unisono, dass das Koblenzer Neonaziverfahren spektakulär geplatzt sei.

Warum eigentlich spektakulär? Spektakulär kommt vom Lateinischen spectaculum (Schauspiel). Besonders sehenswert fand aber dieselbe Presse das Verfahren in den vergangenen Jahren nicht, denn die Präsenz von Vertretern der berichterstattenden Zunft läßt sich mühelos an zwei Händen abzählen.

Dabei wäre so Manches durchaus mal einen Bericht wert gewesen. Sieht man einmal von Schöffen ab, die das Verfahren verlassen mussten, weil die Kammer die Besorgnis der Angeklagten, die Schöffen könnten befangen sein, teilte, hätte man sich als Verteidiger und Angeklagter zumindest eine Randnotiz dazu gewünscht, dass der angebliche Angriff der Angeklagten auf ein linkes Wohnprojekt im Rahmen einer Demonstration sich im Zuge der Beweisaufnahme gerade nicht als Angriff entpuppte. Unvergessen die Zeugen, die berichteten, der Demonstrationszug der "Rechten" sei aus den Fenstern und vom Dach des linken Wohnprojekts heraus mit Feuerwerkskörpern und Gegenständen wie Fahrrädern, Kronleuchtern, Toastern, Flaschen und Steinen beworfen worden.

Die Auswirkungen, die ein solches Umfangsverfahren für das Leben der beteiligten Angeklagten hat, waren der Presse auch nicht spektakulär genug als dass man über sie berichtet hätte. Wen interessiert es schon, wenn Angeklagte aufgrund der Verhandlungsdichte (drei Tage pro Woche) keiner geregelten Tätigkeit nachgehen können und der öffentlichen Hand zur Last fallen (müssen)?

Das Verfahren wurde ausgesetzt, weil der Vorsitzende Ende Juni diesen Jahres in Ruhestand geht. Was bitte sehr soll daran spektakulär sein? Man kann angesichts solcher Meldungen nur noch den Kopf schütteln. Wann ein Richter in Pension geht, entscheidet nicht er selbst, sondern das Gesetz und das das sieht nun einmal vor, dass mit 65 Schluss ist. Das ist überhaupt nicht neu und trotzdem wird es zur Sensationsmeldung hochstilisiert. Allenfalls könnte man sich fragen, warum Anfang Mai ausgesetzt wird, wenn doch Ende Juni erst der Ruhestand des Richters ansteht. Hierzu mögen ein paar ganz unspektakuläre Fakten aufgezählt sein:

- die Beweisaufnahme war noch nicht beendet
- über viele bereits gestellte Anträge der Verteidigung war noch nicht entschieden worden
- die Verteidigung hatte zum Teil noch keine Gelegenheit erhalten, bereits im vergangenen Jahr angekündigte Beweisanträge zu verlesen
- es wären 35 Plädoyers zu halten gewesen (Staatsanwalt und 34 Verteidiger)
- eine Urteilsberatung in einem Verfahren mit über 340 Verhandlungstagen und 17 Angeklagten ist kein Vorhaben für eine Mittagspause
- eventuelle Resturlaubsansprüche des Vorsitzenden

Wann das Verfahren nach seiner Aussetzung fortgesetzt wird, ist Spekulation. Ob es spektakulär sein wird, bleibt abzuwarten.








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